Flugzeugbau, Autokarosserien, Sportartikel: mit Karbonfasern verstärkte Kunststoffe sind stabil und leicht – aber immer noch sehr teuer. Foto: BMW

In einem Vortrag aus der Reihe „Fragen an die Wissenschaft“ erörtert Peter Middendorf vom Institut für Flugzeugbau der Universität Stuttgart die Möglichkeiten und Grenzen von Faserverbundkunststoffen.

Stuttgart - Es hört sich schon ein wenig merkwürdig an, wenn man gegen einen BMW i3 klopft: Um Gewicht zu sparen, besteht die Karosserie des flotten Elektroautos aus einem Kohlefaser-Verbundwerkstoff. Billig ist dieser Werkstoff indes nicht – und so stellt sich die Frage, ob sich das ökologisch wie ökonomisch lohnt. Peter Middendorf, der Leiter des Instituts für Flugzeugbau der Universität Stuttgart, hat den Titel seines Vortrags daher auch mit einem Fragezeichen versehen: „Faserverbundstoffe – Leichtbauwerkstoffe der Zukunft?“ lautete das Thema, das er in der Reihe „Fragen an die Wissenschaft“ im Stuttgarter Rotebühlzentrum aus verschiedenen Blickwinkeln erörterte.

Aus technischer wie auch ästhetischer Sicht ist der studierte Luft- und Raumfahrtingenieur von diesen Materialien und ihren Eigenschaften und Möglichkeiten begeistert: „Das ist ein toller Werkstoff, der faszinieren kann.“ Und im Flugzeugbau, da lässt Middendorf keinen Zweifel, hat sich das Fragezeichen schon längst erübrigt: Moderne Flieger wie der Boeing 787 Dreamliner oder der Airbus 350 bestehen heute zu rund 50 Prozent aus diesen extrem leichten und dennoch hochstabilen Werkstoffen.

Das Stuttgarter Institut für Flugzeugbau verfügt dabei über eine langjährige Erfahrung mit diesen Materialien. So sind der in den 1990er Jahren gebaute Solarflieger Icaré wie auch das Batterieflugzeug e-Genius aus Faserverbundwerkstoffen gebaut – „von uns selber“, wie Middendorf betont. „Und wir vertrauen der Technologie auch“, fügt er mit einem Lächeln an.

Weltproduktion in „homöopathischen Mengen“

Das kann man auch, wie die vielen Produkte aus Faserverbundkunststoffen belegen, die mittlerweile nicht nur bei Flugzeugen und Rennautos Anwendung finden, sondern einen zunehmend größeren Markt erobern. BMW etwa verwendet karbonfaserverstärkte Kunststoffe (CFK) inzwischen nicht nur in den Elektrofahrzeugen i3 und i8, sondern auch in der 7er-Limousine. Und neben Hightech-Fahrrädern und Golfschlägern gibt es noch weitere Sportgeräte, die mit diesen Materialien bei den Käufern punkten wollen. Auch Windräder sind aus Faserverbundstoffen gefertigt, wobei hier aus Kostengründen nach wie vor meist Glasfasern verwendet werden.

Trotz zweistelliger Zuwachsraten macht Middendorf allerdings kein Hehl daraus, dass die Weltproduktion von zuletzt 78 000 Tonnen „immer noch als homöopathische Menge“ anzusehen ist. Und im Flugzeugbau sieht er bei einem Faserverbundanteil von 50 Prozent zumindest derzeit die obere Grenze erreicht. Wenn es zum Beispiel heißer als 150 Grad wird, bekommen diese Werkstoffe Probleme. Und wenn man sie im Flugzeugrumpf verwendet, muss man ihre Nachteile ausgleichen – etwa die fehlende elektrische Leitfähigkeit durch extra Stromkabel oder die geringe Schalldämmung durch Dämmstoffe. Doch das bedeutet dann wieder ein höheres Fluggewicht, was man der Gewichtseinsparung gegenüberstellen muss.

Von Sitzheizungen und Lautsprechern: verblüffende Einsatzmöglichkeiten

Hinzu kommt der hohe Preisvor allem von CFK, der um ein Vielfaches über dem von Strukturen aus Stahl oder Aluminium liegt. Um zu günstigeren Preisen zu kommen, sei aber noch sehr viel Forschung nötig, betont Middendorf und fügt an: „Das fällt nicht einfach vom Himmel.“

Der hohe Preis ist vor allem dem hohen Aufwand geschuldet, mit dem diese Werkstoffe produziert werden (siehe Infokasten). Knifflig ist es auch, eine gleichbleibend hohe Qualität zu erreichen. „Weltweit gibt es nur ein bis zwei Handvoll Hersteller, die diesen Prozess beherrschen und gute Fasern hinbekommen“, berichtet Middendorf. Einer der weltweit größten Hersteller ist die SGL-Gruppe mit Sitz in Wiesbaden, die weltweit Produktionsstandorte hat und auch mit BMW zusammenarbeitet.

Karbonbeton ist fest, stabil – und extrem leicht

Mit diesen Hightechprodukten lässt sich allerdings noch viel mehr machen als leichtere Flugzeuge, Autos oder Fahrräder zu bauen. Ein Beispiel dafür ist der Handhabungskran, der Arbeitern bei der Montage hilft und sich von Hand bewegen lässt. Je leichter der Kranarm ist, desto weniger Mühe bereitet er dem Arbeiter. Manch ein Arbeitgeber lässt sich das einige Tausend Euro kosten, verrät Middendorf, weil es der Belegschaft hilft und ihre Gesundheit schont. Der Stuttgarter Flugzeugbau-Professor erinnert auch an den Zukunftspreis des vergangenen Jahres: Der ging an ein Dresdner Forschungsteam für die Erfindung des Karbonbetons, bei dem ein Kohlefasergeflecht statt einer Stahlbewehrung Stabilität und Festigkeit gewährleistet.

Darüber hinaus gibt es – zumindest auf den ersten Blick – ziemlich verblüffende Einsatzmöglichkeiten. Weil Karbonfasern in Faserrichtung elektrischen Strom leiten, lassen sie sich als Heizungselemente beispielsweise in einer Sitzheizung einsetzen. Oder sie ermöglichen den Bau von Kunststoffleuchten, die sich mit herkömmlichen Werkstoffen nicht realisieren lassen. Ausnutzen lässt sich auch die hohe Geschwindigkeit, mit der sich Schall in Karbonfasern ausbreitet – etwa in speziellen Lautsprechern oder in einem Klangstuhl. Dieser aus sehr leichtem und steifem CFK gebaute Sitz hat keine Lautsprecher, sondern wird mithilfe von zwei „Schwingspulen“ selbst zum Klangkörper, der den Schall über den Körper weiterleitet. „Das ist ein Klangerlebnis der ganz besonderen Art“, schwärmt Middendorf – und lässt die Zuhörer seine Begeisterung für diesen Werkstoff spüren.

Karbonfasern – Das schwarze Gold

Rohstoff: Polyacrylnitril, kurz PAN, heißt das Ausgangsmaterial, das am weitaus häufigsten für die Produktion von Kohlenstofffasern genutzt wird. Da PAN auf Erdöl basiert, wird nach ökologischeren Alternativen gesucht. Eine Möglichkeit, an der aber noch viel geforscht werden muss, ist Lignin aus Holz.

Herstellung: Aus der weißen PAN-Faser werden im Zuge der sehr komplexen Verarbeitung schwarze Karbonfasern, die zu sogenannten Filamentgarnen zusammengefasst werden. Der Herstellungsprozess ist nicht ungefährlich, weil Sauerstoff und sehr heiße Öfen erforderlich sind.

Umwelt: Die Herstellung der leichten Fasern benötigt sehr viel Energie. Ökologisch lohnt sich das beim Flugzeug immer, weil hier die Gewichtsersparnis sehr viele Vorteile bringt. Beim Auto geht Studien zufolge die Rechnung erst auf, wenn sehr viel gefahren wird: Je nach Fasermaterial sind das 150 000 oder 250 000 Kilometer – oder noch mehr.