In Israel wird mit Hilfe der Umkehr-Osmose in großen Anlagen Trinkwasser aus Meerwasser gewonnen. Foto: Mauritius

Entsalzungsanlagen für Meerwasser werden mit Hightech auf Effizienz getrimmt.

Stuttgart - Gemächlich drehen sich die riesigen Flügel der Windkraftanlagen auf der Kanaren-Insel Lanzarote nahe der Hauptstadt Arrecife. Offenbar kommt die Regierung mit ihrem Plan voran, dem kargen Vulkan-Eiland bis 2020 ein möglichst umweltfreundliches Energiesystem zu verpassen. Eines der größten Hindernisse auf diesem Weg ist aber die Trinkwasserversorgung – ähnlich wie in vielen anderen Dauer-Sonnenschein-Regionen der Welt. Weil der Regen viel zu wenig Flüssigkeit liefert, wird das lebensnotwendige Nass aus dem Meer oder aus eigentlich ungenießbarem Grundwasser gewonnen.

Entsalzungsanlagen machen aus dieser Brühe zwar gutes Trinkwasser, gelten aber als Energie-Schluckspechte, die oft genug auch noch mit besonders klimaproblematischen Dieselkraftwerken versorgt werden. Seit das deutsche Unternehmen Enercon gleich hinter den Schloten einer solchen alten Dieselanlage Anfang 2017 zwei große Windräder in Betrieb genommen hat, spart Lanzarote nun jedes Jahr 4000 Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid.

Ungenießbares Meerwasser

Damit hat der größte Energieverbraucher der Urlauberinsel Lanzarote tausend Kilometer westlich der Sahara einen großen Schritt in der Energiewende getan. Bis Entsalzungsanlagen ihr klimaschädliches Image auch in anderen Gebieten verlieren werden, ist es allerdings noch weit. Schließlich haben vom Nahen Osten über Australien bis nach Kalifornien sehr viele Regionen das gleiche Problem: Es gibt nicht genug sauberes Wasser, um Menschen, Landwirtschaft und Gewerbe bis hin zur Produktion von Jeans und T-Shirts ausreichend zu versorgen.

Wobei es vielerorts durchaus Wasser gibt – nur machen durchschnittlich 35 Gramm verschiedener Salze in einem einzigen Liter zum Beispiel Wasser aus dem Meer schlicht ungenießbar und für sehr viele technische Verwendungen unbrauchbar. Grundwasser wiederum enthält zwar viel weniger Salze, doch sein Genuss kann immer noch ungesund sein, zudem korrodiert selbst eine leicht salzige Brühe viele Anlagen rasch. Fehlen Alternativen, muss dieses Brackwasser dann ähnlich wie Meerwasser entsalzt werden. Als Beispiel nennt der technische Sachverständige Gunter Walter von der staatseigenen Förderbank KfW Israel: „Dort verbraucht jeder Mensch durchschnittlich 280 Liter Wasser am Tag, 180 davon kommen aus Meerwasser-Entsalzungsanlagen.“

Erhitztes Wasser kondensieren

„In solchen Anlagen werden vor allem zwei Technologien genutzt, die beide Energie benötigen“, fasst Walter die Situation zusammen. Bei der einen Methode wird Wasser mit sehr viel Energie kräftig erhitzt, anschließend wird der dabei entstehende Wasserdampf wieder kondensiert. In arabischen Ländern wird dieser Weg gerne genutzt, weil dort mit dem üppig vorhandenen Öl und Gas viel elektrischer Strom erzeugt wird – und dabei fällt reichlich Abwärme an. Anders als in Mitteleuropa kann diese kaum für Heizzwecke verwendet werden, aber Meerwasserentsalzungen lassen sich damit betreiben.

„Klimaverträglicher wäre natürlich der Einsatz von Sonnenenergie“, ergänzt Gunter Walter. So könnten Parabolspiegel in Ländern mit viel Sonnenschein die Strahlung auf ein Rohr bündeln. Dort schmilzt die Energie ein Salz. Kristallisiert diese Salzschmelze wieder aus, wird die darin gespeichert Energie frei und kann das Wasser einer Entsalzungsanlage verdampfen. Der große Vorteil: Die Salzschmelze kann aufbewahrt werden und ihre Energie erst später wieder abgeben, wenn in der Nacht keine Sonne scheint. Mit einem solchen Speicher kann eine Entsalzungsanlage kontinuierlich betrieben werden. Dadurch wird weniger fossile Energie verbraucht.

Mit Druck durch die Membran

Da aber Erdöl immer noch relativ billig ist, bleibt der Anreiz gering, in solche Technologien zu investieren – zumindest in Ländern mit reichem Ölvorkommen. Ganz anders allerdings ist die Situation in Ländern, die weder große eigene Öl- oder Gasquellen noch ausreichend Trinkwasser haben. Dort setzt man – wie etwa in Israel – häufig auf die zweite wichtige Technologie zum Entsalzen von Wasser: die sogenannte Umkehr-Osmose. Dabei wird Meer- oder Brackwasser durch eine extrem feine Kunststoffmembran gedrückt, die nur das Wasser, nicht aber die darin gelösten Verunreinigungen und Salze durchlässt.

Solche Membranen werden zu Röhren gewickelt, die ihrerseits in einem Kunststoffrohr stecken. Das Brack- oder Salzwasser in der inneren Membranröhre wird mit einem Druck von 15 bar durch die Membran gedrückt. Ein ähnlicher Druck lastet auf dem Grund eines 150 Meter tiefen Gewässers. Um diesen Druck zu erzeugen, benötigt auch die Umkehr-Osmose viel Energie. Zwischen der Membran und dem äußeren Kunststoffrohr sammelt sich dann aber sehr sauberes Wasser, das immer noch erheblich unter Druck steht, der durchaus noch zehn bar betragen kann. Diesen Restdruck verwenden die Ingenieure heutzutage wieder und senken so den Energieverbrauch deutlich.

Energieverbrauch senken

„Zwischen dreieinhalb und sechs Kilowattstunden Energie verbraucht eine solche Umkehrosmose, um tausend Liter Meerwasser zu entsalzen“, erklärt KfW-Spezialist Gunter Walter. Rechnet man mit einem für deutsche Stromkunden typischen Preis von 35 Cent pro Kilowattstunde, würde allein der Entsalzungsanteil des Jahresverbrauchs eines Vier-Personen-Haushaltes in Israel mehr als 500 Euro kosten.

Kein Wunder, wenn die KfW bei ihren Projekten zur Entsalzung von Meer- und Brackwasser das Wiederverwenden des Restdruckes weiter optimieren und so Kosten und Energieverbrauch senken will: „Wir finanzieren zurzeit in Tunesien ein Projekt, in dem nur noch 2,7 Kilowattstunden zum Entsalzen von tausend Litern Meerwasser gebraucht werden sollen“, berichtet die KfW-Projektmanagerin Christine Greve. Da jede Unterbrechung der Produktion den Energieverbrauch in die Höhe treibt, beziehen solche Anlagen ihren Strom normalerweise aus dem öffentlichen Netz, das anders als Windkraft und Sonnenenergie rund um die Uhr zuverlässig liefert. Weil Tunesien in seinem nationalen Energieplan einen Anteil von 30 Prozent regenerativer Energien anpeilt, verbessert es damit die Klimabilanz des Energiefressers Wasserentsalzung erheblich.

Öko-Entsalzung in Tunesien

Grundwasser
Tunesien zählt einem Bericht der Weltbank zufolge zu den wasserärmsten Ländern der Welt. Während auf der einen Seite die Nachfrage nach Trinkwasser steigt, gibt es auf der anderen Seite immer weniger Grundwasser. Der Klimawandel dürfte diese Situation weiter verschärfen. Im Süden Tunesiens hat die deutsche Förderbank KfW bereits zehn Anlagen gebaut, die mit Umkehrosmose das sonst ungenießbare Grundwasser entsalzen. Sechs weitere Anlagen sollen in dieser Region in naher Zukunft entstehen.

Meerwasser
Auf der Insel Djerba finanziert die KfW die erste Meerwasserentsalzungsanlage Tunesiens, die insgesamt rund 75 Millionen Euro kosten dürfte. Nach ihrer Fertigstellung 2018 sollen dort täglich 50 Millionen Liter Trinkwasser aus dem Meer gewonnen werden. Damit kann die Bevölkerung der Insel langfristig versorgt werden. Eine weitere Anlage für rund 96 Millionen Euro soll ab 2018 an der Festlandsküste entstehen. Sie kann auf 100 Millionen Liter Trinkwasser am Tag erweitert werden und könnte 2035 rund 1,1 Millionen Menschen versorgen.