Die Kommissaren Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, re.) und Freddy Schenk (Dietmar Bär, 2.v.r.) haben es mit Dieter Gottschalk (Sylvester Groth, 3.v.r.) zu tun, der mit einer Bürgerwehr für Ruhe und Ordnung sorgen will. Foto: WDR Presse und Information/Bildk

„Die Wacht am Rhein“: Im neuen „Tatort“ aus Köln haben es Schenk und Ballauf mit einer Bürgerwehr zu tun. Ein brillantes Ensemble behauptet sich wacker gegenüber Konsens-Vorgaben.

Stuttgart - Drei Schüsse beim Überfall auf eine Tierhandlung. Einer trifft ins Vogelstreu, einer geht durchs Terrarium und einer trifft Lars Deisböck (Paul Falk), den Sohn des Geschäftseigentümers. Er war zuvor mit der Bürgerwehr „Wacht am Rhein“ auf nächtlicher Nachbarschafts-Patrouille und wollte dem Vater zur Hilfe eilen. Nach Rücksprache mit Augenzeugen und der Bürgerwehr ist schnell klar, wer das war: „Südländischer Typ. Vermutlich Nordafrikaner“, sagt Tobias Reisser (Patrick Abozen), Assistent der Kölner Ermittler Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär). Sie wollen es trotzdem genauer wissen.

Dieter Gottschalk (Sylvester Groth), Vorsteher der „Wacht am Rhein“, verschwendet derweil kaum Zeit, den Mord zu instrumentalisieren und die Grundängste und Ressentiments der Leute im „Veedel“ zu befeuern. Achtung, Spoiler: Das klappt sehr gut, die Stimmung im Viertel brodelte eh schon: Einbrüche, Gewalt, Drogenhandel, belästigte Frauen, unflätige Migranten, angeschlagener Einzelhandel – nichts mehr übrig vom kölschen Mantra „et hätt noch immer jot jejange“.

Deutsche Ohnmachtsdemonstration

Mittendrin: Schenk, Ballauf und Kollegen, die nicht im Traum daran denken, die Ordnungshoheit an die selbstgerechte Bürgerwehr abzutreten. „Sind das alte Nazis oder junge Nazis?“, fragt Ballauf, um sich umgehend belehren zu lassen, dass da „alles“ mit dabei sei. Zum Beispiel auch Adil Faras (Asad Schwarz), der Marokkaner führt seit Jahren ein Lebensmittelgeschäft und hat ebenfalls kein Interesse daran, überfallen zu werden oder dass seine Freundin Nina (Nadja Bobyleva) bedrängt wird. Beide kochen derweil eine ganz andere Suppe. Und dann wird auch noch ein junger Student als vermisst gemeldet, auf den die vage Täterbeschreibung ebenfalls zutrifft.

Dass „Wacht am Rhein“ bei derart umfangreichen Zutaten und der teils haarsträubenden Bemühungen um 20.15 Uhr-Konsens nicht an sich selbst zerbricht, liegt nicht nur am teils brillanten Ensemble, sondern vielmehr daran, dass der in Stuttgart geborene Autor Jürgen Werner und der Regisseur Sebastian Ko auf einigen Ebenen sehr schlau kooperieren. Denn minus allzu erklärerisch gereichter Sachverhalte ist das vor allem eines: eine deutsche Ohnmachtsdemonstration, querfeldein.

„Hier möschte isch nit abjebildet sein“, lautet ein örtliches Bonmot, das grob übersetzt bedeutet: lieber nicht hier leben müssen. Der Tatort Köln nimmt darauf keine Rücksicht. Der bildet ab.

So, ARD 20.15