Felix Klare mit Komparsin bei den Dreharbeiten für den „Tatort“ im Leonhardsviertel Foto: Leif Piechowski

Alles kommt durcheinander, wenn ein „Tatort“ im Rotlicht-Milieu gedreht wird: Falsche Huren, falsche Schilder und ein echter Altstadt-Maler - hier die Bilder vom SWR-Dreh im Stuttgarter Leonhardsviertel.

Stuttgart - Wer in der Nacht zum Mittwoch auf der Leonhardstraße eine etwas zu bunt bemalte Dame angesprochen hat, weil sie halt herumstand, als wolle sie abgeholt werden, holte sich garantiert eine Abfuhr – denn es könnte jene falsche Nutte, eine bildhübsche Komparsin, gewesen sein, die nur auf einen ganz bestimmten Mann gewartet hat – auf den Schauspieler Felix Klare.

Laut Drehbuch läuft Kommissar Sebastian Bootz, der gerade heftige Eheprobleme daheim hat, einsam durch die Altstadt, wird von einer Prostituierten angesprochen und antwortet mit einem Wort, das die Zaungäste des „Tatort“-Drehs nicht verstanden haben, obwohl die Szene x-mal wiederholt worden ist. Felix Klare, der den Bootz spielt, läuft an der Fou Fou Bar an der oberen Leonhardstraße vorbei. Die Location mit dem glamourösen Charme, in der normalerweise Cocktails gemixt werden, die zu den besten der Stadt gehören, hat nur für diese Nacht rote Lichterketten im Fenster hängen. Die sind nicht unbedingt schön, aber entsprechen dem Bild, das der SWR in jener Straße einfangen will, die der Altstadt-Maler Jürgen Leippert „50 traurige Meter“ nennt.

Stuttgart wird verruchter

Der Künstler, der schon viele Dreharbeiten unweit seines Ateliers an der unteren Leonhardstraße und auch darin beobachtet hat, ist mit dem Skizzenblock gekommen, um mit schnellen Strichen festzuhalten, wie die Fernsehleute aus dem Städtle großes Kino machen.

Nicht nur die Lichterketten und die Nutten sind in dieser Nacht im Rotlichtviertel falsch, auch einige Leuchttafeln, die man auf Brauereischilder geklebt hat, damit keine Werbung möglich ist.

Der SWR hat nachgebessert, die Szene verdichtet, damit Stuttgart verruchter wird. Selbst die überquellenden Mülleimer, so erzählt man sich unter den Zaungästen, seien auch ein Werk der „Tatort“-Macher, die in dieser Nacht das andere Stuttgart zeigen wollen, nicht die Stadt der Kehrwoche.

Die Damen, die sonst hier auf Kundschaft warten, haben sich in die Nebenstraßen verzogen. Wer an ihnen vorbeikommt, hört ein „Schatzi, wie wär’s?“, das – vielleicht täuscht es auch – nicht sehr freundlich klingt. Seit die Straßensperren den Freiersuchverkehr ausschließen, gehen die Geschäfte schlechter, klagen sie. Und jetzt haben auch noch die Fernsehleute die restlichen Freier vertrieben.

Echte Nutten beklagen verloren gegangene Kohle

Alle natürlich nicht. Plötzlich kommt ein älterer Herr aus einem Puff, während die Kamera läuft. „Ein guter Statist“, vermutet einer. Irritiert schaut der Alte zu den Scheinwerfern, die wohl noch nicht da waren, als er das Lusthaus betreten hatte.

An der Katharinenstraße steht SWR-Bus an SWR-Bus, Wohnmobil an Wohnmobil. Für den „Tatort“ fallen viele Parkplätze weg. Fernsehmacher mögen beklagt haben, dass die Stadt bei Drehgenehmigungen streng geworden ist – in dieser Nacht ist im Leonhardsviertel nichts davon zu spüren.

Laut Drehbuch ermittelt Richy Müller als Kommissar Thorsten Lannert verdeckt. Er wird ins Gefängnis als Knacki eingeschleust, um ein Verbrechen aufzuklären. Die Ermittlungen führen ins Stuttgarter Rotlichtviertel. Auch direkt unter dem Atelier von Altstadtkünstler Jürgen Leippert, der in einem Eckhaus am Leonhardsplatz 22 malt, hat der SWR eine frühere Galerie, in die bald eine Bäckerei einziehen soll, zur rot leuchtenden Bar verwandelt.

So ist das, wenn ein „Tatort“ im Milieu gedreht wird. Alles kommt durcheinander. Echte Nutten beklagen verloren gegangene Kohle. Und echte Freier nehmen Reißaus.

Und in dieser Fernsehnacht darf sogar der Poller fallen, der Freier in ihren Autos fernhalten soll. Richy Müller fährt in seinem Porsche an Rotlichtbars vorbei, die noch röter als sonst leuchten.