Fertigung bei Oku Systems in Winterbach: Das Unternehmen mit 120 Mitarbeitern hat eine große Insolvenz hinter sich Foto: Bernd Kammerer/Oku Systems/Firmenfoto

Der Metallindustrie insgesamt geht es gut, kein Zweifel. Doch die Schere zwischen allmächtigen Autokonzernen und kleineren Betrieben im Land klafft immer weiter auseinander. Wir stellen drei von ihnen vor.

Zum zweiten Mal in der Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie treffen sich an diesem Montag in Ludwigsburg Arbeitgeber und Gewerkschaft. Vor allem mittelständische Betriebe im Land fürchten durch einen hohen Lohnabschluss und Ansprüche bei Alters- und Bildungsteilzeit Kostensteigerungen – wie drei Beispiele zeigen.

Hettich und Franke

Es ist ein Produkt, das man nur selten sieht: Beschläge für Betten und Polstermöbel stellt die Firma Hettich und Franke mit Sitz in Balingen her. 125 Mitarbeiter zählt die eigenständige Tochter der auf Möbeltechnik spezialisierten Hettich-Gruppe. Ob es in den nächsten Jahren noch so viele sein werden, ist unklar. „Wir kommen da nicht mehr mit, irgendwann sind wir gezwungen zu verlagern“, sagt Richard Weinzierl, Geschäftsführer von Hettich und Franke. Das Problem: Die von Weinzierl geführte Einheit fertigt kundenbezogen im höheren Preissegment. Das bedeutet kleine Mengen, viel Handarbeit und wenig Automatisierung.

Doch wo Personalkosten ein entscheidender Faktor bei der Produktion sind, wird es eng. „Wir können gar nicht so schnell schauen, wie die Chinesen unsere Sachen kopieren und billig auf den Markt bringen“, sagt Weinzierl. Patentrechtsverletzungen seien schwer nachweisbar, die Verfolgung ein immenser Aufwand. Für den Wettbewerb mit Fernost sind 5,5 Prozent mehr Lohn, wie von der IG Metall gefordert, laut Weinzierl daher Gift. „Wir haben in den letzten drei Jahren bei einer Inflation von nur vier Prozent einen Zuwachs von zehn Prozent gehabt – sind sechs Prozent Umverteilung nicht genug?“ Er fordert daher einen Abschluss, bei dem maximal eine Eins vor dem Komma stehen dürfe.

Auch bei der Altersteilzeit will er keine Kompromisse machen. „Wir können es uns nicht mehr leisten, dass die Leute mit 54 oder 56 in den Ruhestand gehen.“ Der Zugang solle daher weiter begrenzt werden auf jene, die körperlich hart gearbeitet hätten, schichten mussten oder etwa hohen Temperaturen ausgesetzt waren. Problematisch seien zudem die Rückstellungen, die bei Altersteilzeit für den Fall einer Insolvenz gebildet werden müssten. „Das ist für einen kleineren Betrieb ein enormer finanzieller Aufwand.“

Die Schere innerhalb der Branche klafft für Weinzierl immer weiter auseinander. Während die Möbelindustrie ein Schattendasein führe und niemanden interessiere, schauten alle nur auf die Automobilhersteller. Die könnten ihre Produkte aber teurer verkaufen oder steigende Löhne notfalls mit im Ausland gemachten Gewinnen finanzieren. „Bei uns aber lassen sich wegen der Konkurrenz aus China keine Preissteigerungen mehr durchsetzen.“ Seine düstere Prognose für kleine Mittelständler in Deutschland lautet daher. „Irgendwann bricht die Kuh zusammen und gibt keine Milch mehr.“

Sauter Feinmechanik

Sauter Feinmechanik

Revolver sind die Spezialität der Metzinger Firma Feinwerk Sauter. Die können aber nicht schießen, sondern tragen Werkzeuge zur Metallbearbeitung. Muss nach dem Bohren noch gefräst werden, dreht sich die Maschine einfach weiter. Das Unternehmen mit 300 Mitarbeitern steht ordentlich da, doch die Geschäftsführer Bernhard Sauter und Heiko Müller haben trotzdem Sorgenfalten auf der Stirn. Es sei ja schön, wenn Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück Vorteile für die Metallwerker erkämpfe und sogar noch hohe Prämien für die Mitarbeiter aushandle. „Die reißen alles an sich, und der Rest schaut in die Röhre.“

Bei Sauter machten die Personalkosten 40 Prozent des Umsatzes aus, wegen Automatisierung und vieler Auslagerungen seien diese in der Automobilindustrie deutlich niedriger. Lohnerhöhungen könnten die großen Konzerne daher leichter wegstecken. Meist würden diese anschließend auf die Lieferanten abgewälzt. „Aber wer vorne steht, bestimmt halt die Gesetze“, moniert Bernhard Sauter.

Ein Mittelständler mit vier Prozent Umsatzrendite erwirtschafte bei 50 Millionen Euro Umsatz einen Gewinn von zwei Millionen Euro. Ein Lohnzuwachs von 5,5 Prozent bedeute demnach Zusatzkosten in Höhe von 1,1 Millionen Euro. „Die Produktivität in diesem Maße steigern können wir nicht mehr, da steigt der Verlagerungsdruck“, so Sauter. Er sieht die hohen Metall-Abschlüsse der vergangenen Jahre zunehmend als gesellschaftliches Problem. „Wir können doch nicht nur Sportwagen produzieren, wir brauchen auch Brot oder funktionierende Lichtschalter.“

Doch wer wolle noch im Handwerk arbeiten bei den Gehältern, die in der Metallbranche gezahlt würden. Auch in der Metallbranche selbst hätten die Mittelständler zunehmend das Nachsehen. „Wir leisten einen sozialen Dienst am Volk, aber an diesem Stamm wird zunehmend gesägt“, so Sauter. Das Tarifergebnis werde zwar sicher nicht der Anlass für Kündigungen sein. Aber Sauter warnt: „Langfristige Investitionen werden in Zukunft sicher anders gelenkt.“

Oku Systems

Oku Systems

Was haben Pritt-Stifte und Playmobilfiguren gemeinsam? Sie werden von Maschinen der Firma Oku Systems mit Sitz in Winterbach im Remstal hergestellt. 25 bis 300 Teile lassen sich so pro Minute produzieren. „Gut, präzise und schnell“, sagt Geschäftsführer Bernd Klingel. Die Kunden des Unternehmens mit 120 Mitarbeitern kommen neben der Kunststoff- auch aus der Autoindustrie. Doch das Unternehmen hat harte Zeiten hinter sich. 2008 blieben in der Krise die Aufträge aus, das Unternehmen musste in die Insolvenz, 2013 übernahm der amerikanische Maschinenbauer Lanco das Unternehmen.

Derzeit gilt noch ein Sanierungstarifvertrag. Dieser sieht eine schrittweise Heranführung an normale Verhältnisse vor. So muss zunächst nur Weihnachts- oder Urlaubsgeld bezahlt werden, bevor es wieder beides gibt. „Schon diese automatische Anhebung der Kosten belastet uns sehr – kommt jetzt noch was obendrauf, würde dies den ganzen Erfolg des vergangenen Jahres wieder infrage stellen“, so Klingel. Er fordert daher eine Differenzierung innerhalb der Branche. Daimler und Porsche gehe es gut, doch andere Unternehmen hätten zu kämpfen. „Es kann doch nicht sein, dass man da immer mit der Gießkanne drübergeht.“