Verdi-Chef Frank Bsirske in seinem Element – am Rande der Verhandlungen im März 2016. Foto: dpa

Die IG Metall marschiert vor – nun strebt auch Verdi im öffentlichen Dienst deutliche Lohnsteigerungen an. Gewerkschaftsvorsitzender Bsirske zeigt für die Tarifrunde von Bund und Kommunen die Richtung an. Bei der Arbeitszeit sollen aber keine neuen Maßstäbe gesetzt werden.

Stuttgart - Ende Februar läuft der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes für den Bund und die Kommunen aus. Vor der Festlegung der Gewerkschaften auf ihre Lohnforderung gibt Verdi-Chef Frank Bsirske die Richtung vor: „Wir haben selten gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen“, sagte er unserer Zeitung mit Verweis auf die stabile Konjunkturlage, die Wirtschaftsprognosen und die Steuereinnahmen der öffentlichen Hand. „Vor diesem Hintergrund spricht viel dafür, diese günstigen Bedingungen in einen erfolgreichen Tarifabschluss umzusetzen, der aus meiner Sicht deutlich über dem liegen sollte, was wir in den vergangenen Jahren an Abschlüssen erlebt haben.“

Die IG Metall hat für ihre gerade begonnene Tarifrunde eine Lohnforderung von 6,0 Prozent vorgegeben – dieser Maßstab von Entgelterhöhungen im Gesamtvolumen von sechs Prozent wird auch bei Verdi diskutiert. Die IG Metall fordert zusätzlich eine Arbeitszeitverkürzung von 35 auf 28 Wochenstunden mit einem Teillohnausgleich für diverse Beschäftigungsgruppen. Bsirske zufolge könnte auch bei Verdi eine Arbeitszeitkomponente in Gestalt weiterer freier Tage für Schicht- und Wechselschichtarbeiter aufgegriffen werden. Gemeint sind etwa Beschäftigte von Verkehrsbetrieben, Krankenhäusern oder Winterdiensten, für die es schon extra freie Tage gibt, deren Zahl angehoben werden könnte. „Das ist aber eine andere Dimension, als sie jetzt bei der IG Metall angegangen wird“, erläuterte Bsirske.

Fokus liegt auf Lohnsteigerung statt auf Arbeitszeit

Zudem „muss man sehen, dass die Ausgangslage bei der Bezahlung im öffentlichen Dienst eine deutlich andere ist als in der Metallindustrie“. Die Beschäftigten hätten nicht nur einen Rückstand auf die Tariflöhne in der Metallindustrie, sondern auch auf die Tariflöhne im Durchschnitt der Gesamtwirtschaft. „Den gilt es erst mal auszugleichen“, betonte der Verdi-Vorsitzende. „Deswegen müssen wir uns fokussieren und an der Stelle Akzente setzen.“

Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) äußert sich noch nicht zur Lohnrunde. Bsirske glaubt, dass auf Arbeitgeberseite „ein Bewusstsein da ist, dass wir bei der Gesamtlage deutlich andere Ausgangsbedingungen vorfinden als in den letzten Jahren oder gar Mitte des vorigen Jahrzehnts, als wir es mit der größten Finanzkrise der öffentlichen Haushalte seit 1949 zu tun hatten“.

Vereinbarung mit Beamtenbund soll halten

Folglich könnten die mehr als 2,1 Millionen Beschäftigten der Kommunen und etwa 150 000 Beschäftigten des Bundes diesmal um die drei Prozent pro Jahr mehr Geld bekommen. 2016 hatten sich die Tarifpartner auf Entgelterhöhungen von 2,4 und 2,35 Prozent für zwei Jahre verständigt. Zwei Jahre zuvor wurde ein Plus von 3,0 und 2,4 Prozent ebenfalls für 24 Monate vereinbart.

Der Forderungsbeschluss der Verdi-Bundestarifkommission ist für den 8. Februar geplant. Die erste Verhandlung soll am 26. Februar stattfinden. Weitere Runden in Potsdam sind am 12./13. März und 15./16. April mit Option auf eine Verlängerung bis 17. April vorgesehen. Verdi bestreitet die Tarifrunde gemeinsam mit der Beamtenbund-Tarifunion – beide Organisationen haben dazu vor zehn Jahren eine Vereinbarungsabsprache getroffen. Für diese Zusammenarbeit verspricht Bsirske Kontinuität auch nach 2019, wenn Verdi seinen Nachfolger gewählt hat. Beide Seiten profitierten davon – insofern gebe es keinen Grund, die Vereinbarung infrage zu stellen, sagte er.

Regierungswirren beeinträchtigen Tarifrunde

Die Wirren um eine neue Bundesregierung berühren auch den öffentlichen Dienst. Wenn nicht bald eine Regierungsbildung gelingt, müsste Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) die Verhandlungen als geschäftsführender Ressortchef führen – was die inhaltliche Vorbereitung, aber auch spätere Festlegungen im Tarifabschluss erschwert. Sollte es gar im Verlauf der Tarifrunde zu Neuwahlen kommen, könnte sich dies für die Gewerkschaften positiv auswirken. Denn dann könnte die Regierung versucht sein, das Füllhorn auszuschütten, um die Beschäftigten positiv zu stimmen.

Dies könnte die Spannungen im Arbeitgeberlager verschärfen, da die Kommunen schon früher darunter gelitten haben, dass der Bund am Verhandlungstisch großzügig agiert hat, weil er vergleichsweise wenig Zuwächse bei den Personalkosten zu verkraften hat. Verhandlungsführer der kommunalen Arbeitgeber ist erneut Thomas Böhle, der seit 2004 als VKA-Präsident amtiert.