Gauthier-Pantomime mit prominentem Gaststar: VfB-Kicker Christian Gentner Foto: Simon Wachter

Ein farbenfroher Ballwechsel, ein buntes Finale, dazu viel Tanz, der auch in Schwarz, Weiß und erdigen Tönen die Schattierungen zeitgenössischer Bewegungskunst zeigt: So startete das neue Festival von Gauthier Dance.

Stuttgart - Das leuchtende Rot der Socken lässt sich nur für Sekundenbruchteile blicken. Ansonsten tritt der Initiator des Colours International Dance Festival, Eric Gauthier, ganz in Schwarz vor sein Publikum im großen Theaterhaus-Saal. Mit einer vierstündigen Gala und zahlreichen Gästen eröffnete der Chef von Gauthier Dance am Donnerstagabend Stuttgarts neues Tanzfestival, das moderne Bewegungskunst in bunter Vielfalt präsentieren möchte. Auch wenn die Arbeit hinter den Kulissen seit Jahren läuft und die Netzwerke von Gauthier, Theaterhaus-Chef Werner Schretzmeier und dem künstlerischen Programmleiter Meinrad Huber nicht erst gestern geknüpft wurden: Für die Öffentlichkeit wirkt Colours wie ein aus dem Tiefdunkel geschleuderter Stern, dessen irisierendes Funkeln Stadt, Land, Sponsoren, Gäste und Publikum in den Bann geschlagen hat. Alle spielen mit! Und das nicht nur im übertragenen Sinn.

Keine Profis eröffnen die Gala mit Grußworten von Gauthier, Schretzmeier, Franz Reiner von der Mercedes-Benz Bank, Kulturstaatsekretär Jürgen Walter und Oberbürgermeister Fritz Kuhn: In „Precision Ball Passing“ von Charles Moulton wandern die farbenfrohen Schaumstoffkugeln durch die Hände von Mitarbeitern der Festival-Sponsoren und Förderer von Gauthier Dance. Schließlich gehört das Mitmachen und Mobilisieren zum Konzept es unermüdlichen Machers aus Kanada. Klar, dass auch das mit „Bollywood“ überschriebene Finale eine alle verbindende Party und keine Darbietung ist. Doch was für eine Überraschung, als Gauthier sogar Christian Gentner, Kapitän des VfB Stuttgart, zum Akteur seiner Pantomime „Freistoß“ macht! Als außer Programm laufendes Extra führt der Kicker ohne jeden Ball vor, wie man ein Tor macht.

Abseits solcher Zwischenspiele wird professionell getanzt, und das vor allem in Schwarz, Weiß und gedeckten Tönen. Doch wie sagt Eric Gauthier? „Colours bedeutet: moderner Tanz und noch was anderes oben drauf.“ Bei Hans van Manens „Black Cake“, gereicht von Gauthier Dance, heißt die Zutat: Standardtanz. Die rhythmischen Schrittformationen der sechs Paare kontrastieren mit klassischer Musik, entwickeln aber nicht die gebotene Van-Manen-Schärfe. Umso schöner fällt nach der Pause der zweite Auftritt von Gauthier Dance aus. Wie sich drei Männernamen zum Titel „Pacopepepluto“ fügen, schließen die Soli dreier Protagonisten aneinander an. Dass Tanz nicht nur Sprache, sondern auch Kalligrafie sein kann, machen sie mit ihren rasant und gewandt über die Bühne huschenden, fast nackten Körpern anschaulich – wie eine ständig neue Buchstaben erfindende Schrift brennt sich die Choreografie Alejandro Cerrudos ein.

Zwei William-Forsythe-Pas-de-deux steuern Elena Vostrotina und Raphaël Coumes-Marquet vom Ballett der Semperoper Dresden bei: die von ausladenden Armbewegungen und Hebungen dominierte Neufassung von „Bach“, ganz pur und geschmeidig, und den Avantgarde-Klassiker „In the middle, somewhat elevated“.

Aus Frankreich sind CCN Créteil et Val-de-Marne und die Companie Käfig angereist. In ihrem Auszug aus „Yo Gee Ti“ treffen kunsttaugliche Breakdancer auf taiwanesische Tänzerinnen, deren Umhänge aus Filzstreifen zu wandelnden Bühnenbildern mutieren. Mit animalischen Verrenkungen an der Grenze des Machbaren setzen hier vor allem die Männer markante Akzente.

Von „Down Under“, was hier „aus dem Talkessel“ heißt, hat Eric Gauthier seine Freunde Alicia Amatriain und Jason Reilly vom Stuttgarter Ballett auf den Pragsattel geholt. Zu Recht bejubelt: Itzik Galilis „Mono Lisa“ und Christian Spucks „Le Grand Pas de deux“, von den beiden mit der Lässigkeit erfahrener Profis und sichtbarer Lust auf eine andere Bühne als die gewohnte gebracht.

So gerne man den Mitgliedern des Nederlands Dans Theater 2 zuschaut: Das entgegen dem Titel komische „Sad Case“ des Choreografenpaars Sol León und Paul Lightfood nimmt kein Ende. Kürzer hätte der lendengesteuerte Spaß voller choreografischer Delikatessen zu den Highlights im Programm gehört. Ebenfalls etwas lang: Benjamin Millepieds Pas de deux „Closer“ Hier überzeugt vor allem die tänzerische Qualität von Céline Cassone und Alexander Hille von Les Ballets Jazz de Montréal.

Im puren Schwarz und Weiß liefert die ebenfalls aus Eric Gauthiers Heimatstadt Montreal angereiste Companie Marie Chouinard mit ihrer Kostprobe aus „Henri Michaux: Mouvements“ den künstlerisch spannendsten Beitrag zur „Night of the Colours“-Gala. Auf die Bühnenrückwand projiziert, bilden die geklecksten Tintenzeichen des belgisch-französischen Dichters – als zur Malerei tendierende Poesie unter Drogeneinfluss entstanden – die Vorlage für die in schwarzen Trikots steckenden Tänzer. Als wäre die Verwandlung ihrer Körper in flüchtige Chiffren nicht genug, tauscht Chouinard später das Weiß mit dem Schwarz. Im Stroboskoplicht flackern die nackten Körper wie Flämmchen und bilden mit hellen Flecken ein eindrucksvolles Zusammenspiel.