Tatjana Strohmaier (CDU, 31) wurde mit gerade einmal 35 von 57 Stimmen erstmals gewählt. Die weiteren Bezirksvorsteher finden Sie in unserer Bildergalerie Foto: Leif Piechowski

Der durch die Kommunalwahl neu zusammengesetzte Stuttgarter Gemeinderat hat am Donnerstag die Arbeit aufgenommen. Erste Bewährungsprobe war die Wahl der Bezirksvorsteher für die Innenstadt, nach der die CDU als stärkste Kraft unzufrieden war.

Der durch die Kommunalwahl neu zusammengesetzte Stuttgarter Gemeinderat hat am Donnerstag die Arbeit aufgenommen. Erste Bewährungsprobe war die Wahl der Bezirksvorsteher für die Innenstadt, nach der die CDU als stärkste Kraft unzufrieden war.

Stuttgart - Die CDU ist am Donnerstagabend alles andere als erfreut gewesen. Grund: Bei der Wahl der ehrenamtlichen Bezirksvorsteher in der Innenstadt fuhr die CDU-Bewerberin für Stuttgart-Ost, Tatjana Strohmaier (31), ein dürftiges Ergebnis ein. Sie erhielt nur 35 von 57 gültigen Stimmen bei 22 Nein-Stimmen – obwohl es keine Mitbewerber gab. Die Juristin im Landesministerium für Verkehr und Infrastruktur nahm die Wahl an. Ihre Familie und ihre Parteifreunde auf der Tribüne äußerten Unverständnis über das Ergebnis. Die anderen Gruppierungen hätten sich nicht an die Übereinkunft der Fraktionen gehalten, schimpfte der stellvertretende CDU-Kreisvorsitzende Karl-Christian Hausmann, der selbst im Osten politisch aktiv ist. Und auch CDU-Fraktionschef Alexander Kotz schaute unglücklich drein, weil er sich mehr Stimmen erhofft hatte – und weil die Fraktionen die Postenverteilung ausgehandelt hatten. Strohmaiers Resultat könne damit zu tun haben, dass sie zuvor im rein beratenden Bezirksbeirat durchgefallen war, meinte Kotz.

Vielleicht lag es auch daran, dass die SPD sich nur ungern von dem Posten im Osten verabschiedet hatte. Stefan Urbat von den Piraten warf im Gemeinderat außerdem die Frage auf, wie Strohmaier zum Christopher-Street-Day und zur homosexuellen Lebensform schlechthin stehe. Darauf Strohmaier: Die Anerkennung der verschiedenen Lebensmodelle, von denen sie geredet hatte, schließe „diese Thematik mit ein“.

Die ebenfalls konkurrenzlosen Kandidaten für die anderen Bezirke erhielten in geheimer Abstimmung zwischen 48 und 52 Ja-Stimmen. In diesen Fällen gab es also stattliche Mehrheiten quer durch den Gemeinderat. Vor der Abstimmung hatte neben Strohmaier auch nur Raiko Grieb ( SPD) eine Frage aus dem Gemeinderat zu beantworten.

Wie er es denn mit Stuttgart 21 halte, wollte die S-21-Gegnerin und Neustadträtin Guntrun Müller-Enßlin (SÖS) wissen. Dazu Grieb: Er akzeptiere den Volksentscheid und sein Ergebnis. Er wolle mit dem Bezirksbeirat über die Folgen für Stuttgart-Süd wachen – doch der ist kaum tangiert.

Vor den Abstimmungen hatten die Bewerber kurz ihre Vorstellungen skizziert. Veronika Kienzle (Mitte) möchte Wohn- und Partybedürfnisse im Zentrum in eine Balance bringen und die neun Teilquartiere in dem von Straßen zerschnitten Bezirk stärken. Ex-Stadträtin Sabine Mezger (Norden) versprach eine konsensorientierte Führung im Bezirksbeirat. Tatjana Strohmaier (Osten) versprach „überparteiliche Moderatorin“ zu sein und eine „Ideenwerkstatt Kinderbetreuung Ost“ zu schaffen. Raiko Grieb, der im Ministerium für Wirtschaft und Finanzen arbeitet, will im „spannenden und urbanen“ Süden die Auswirkungen des Großeinkaufzentrums Gerber moderieren. Reinhard Möhrle, schon seit zehn Jahren Bezirksvorsteher im Westen, erklärte Bürgerbeteiligung, mehr bezahlbaren Wohnraum und mehr Grünflächen für wichtig. Den Bezirk kenne er wie kaum ein anderer.

Vor diesen Wahlen hatte OB Fritz Kuhn (Grüne) die am 25. Mai gewählten Stadträtinnen und Stadträte verpflichtet. Sie gelobten „Treue der Verfassung“ sowie die Rechte der Stadt und das Wohl der Einwohner nach Kräften zu fördern. 23 Stadträtinnen und Stadträte sind neu oder nach einer Pause zurück. Für die designierten Gemeinderatsmitglieder hatte der Arbeitstag mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Domkirche St. Eberhard begonnen. Danach würdigte Kuhn im Rathaus die Entscheidungen des alten Gremiums und den Fleiß der Mitglieder, die viele große Themen in die Spur gesetzt hätten – oft fraktionsübergreifend und in großer Geschlossenheit. Darauf setzt Kuhn weiterhin, wenngleich die ausgeschiedenen Ratsmitglieder 260 Jahre kommunalpolitische Erfahrung mitgenommen hätten.

Von den vielen Themen der nächsten Jahre nannte Kuhn unter anderen: die Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum, die Reduzierung von Feinstaub und Verkehrsstress, Maßnahmen gegen den Klimawandel, die Gewährleistung von Bildungsgerechtigkeit, die Umsetzung der Energiewende, die Sicherung von Gewerbesteuereinnahmen, bessere Bürgerbeteiligung, die Stärkung des sozialen Miteinanders, die Bewahrung des Kulturangebots und die Aufgabe, die Emissionen durch die S-21-Baustellen einzugrenzen. Man müsse das Beste aus S  21 machen, damit der Streit darüber abnehme. Das verlange von allen ein Höchstmaß an Toleranz für die Haltung der anderen. Kuhn: „Diese Toleranz muss wieder zunehmen.“

Er selbst muss mit einem bunter gewordenen Rat umgehen. Die Christdemokraten sind nach fünf Jahren wieder, vor den Grünen, stärkste Fraktion und stellen 17 der 60 Räte. Dennoch können die Grünen theoretisch weiter eine knappe öko-soziale Mehrheit organisieren.