Die Handwerker zeigen ihr Werk (v. links): Christof Kuon, Architekt Werner Grosse, Monika Borchwald, Jens Leonhäuser, Felix Hoppmann und Pierre Linhart. Foto: Georg Linsenmann

Eine Spenden- und Bauaktion der Nachbarfirmen auf dem MKI-Gelände schützt jetzt Wartende an der Hohnerstraße vor Regen.

Stuttgart-Feuerbach - Bestellt war der Regenschauer des Vortages natürlich nicht. Aber er hatte noch einmal deutlich gemacht, worum es geht: „Dann stehen die Menschen, die vor dem Tafelladen warten, buchstäblich im Regen“, berichtet Jens Leonhäuser, der Inhaber der Firma Steilpass. Aus seinem Büro gegenüber hat er freien Blick auf den Eingang des Feuerbacher Tafelladens des Bhz (ehemals Behindertenzentrum Stuttgart) wie alle rund 20 Firmen auf dem MKI-Areal an der Hohnerstraße: „Ich fand die Situation unwürdig. Deshalb wollten wir das ändern.“ Also hat Leonhäuser eine Spendenaktion unter den Mietern des MKI initiiert, „um den Eingangsbereich des Tafelladens entsprechend umzubauen, sodass dieser Wartebereich vor Regen geschützt ist“.

Das Vorhaben stellte sich aber als schwieriger heraus, als anfangs gedacht. Denn angefragte Architekten taxierten die Kosten auf rund 14 000 Euro: „Aber hier sind viele kleine Unternehmen, Ein-, Zwei-Mann-Betriebe. Für die sind auch 200 Euro eine Anstrengung“, betont Leonhäuser. Er hatte deshalb schon ans Aufgeben gedacht. Den Durchbruch brachte dann Werner Grosse. Der Architekt hat sein Büro ebenfalls auf dem Areal – und als Entwickler ein Holzbausystem zu bieten, das inzwischen patentiert ist: massive Sechskant-Hölzer zur Selbstmontage. „Ich war sofort elektrisiert von der Sache“, erklärt Grosse. Und als sein Lieferant, eine Firma in Polen, bereit war, das Baumaterial kostenlos zur Verfügung zu stellen, waren die Kosten halbiert: „7000 Euro, das konnten wir in einer tollen Solidar-Aktion stemmen, über die Hälfte der benachbarten Firmen hat sich beteiligt“, berichtet Leonhäuser. Mit dem Projekt wollte er auch „das Geschäftliche und das Soziale in guter Nachbarschaft zusammenbringen“.

100 Jahre Garantie für das neue System

Nun lässt sich das Ergebnis besichtigen, ein ansehnlicher, schön gegliederter Anbau in Massivholz. Nur das Dach muss noch aufgesetzt werden. Den Aufbau haben Grosse und Co. zusammen mit Mitarbeitern des Tafelladens bewerkstelligt – in zwei Tagen. „Und wir haben es locker angehen lassen“, sagt der Architekt, der sich auch darüber freut, „wie gut man das mit diesem System mit Laien machen kann. Im Grunde kann so jeder ein Haus bauen. Es ist wie ein großer Baukasten. Die Hölzer werden mit einem patentierten System aus Holzdübeln zusammengesteckt. Kein Leim, keine Metallverbindungen. Wir geben 100 Jahre Garantie. Und es ist erdbebensicher, von der Uni Stuttgart und vom Frauenhofer-Institut getestet!“

Eine Art Prototyp ist es, den man jetzt besichtigen kann: „Das war auch ein bisschen mein Ehrgeiz“, schmunzelt Grosse, „so haben alle was davon.“ Dazu kommt der Stolz des Teams: „Das war cool, es hat Spaß gemacht“, sagt der Tafelladen-Mitarbeiter Christof Kuon und Pierre Linhart findet den Bau „ziemlich gut. Sieht doch chic aus!“

Groß ist die Freude auch bei Monika Borchwald, der Anleiterin des Tafelladens: „Hier warten oft bis zu 20 Leute oft mehr als eine Stunde vor der Öffnung. Jetzt haben sie Schatten und Schutz vor dem Regen. Das ist ein großer Gewinn für alle.“

Im Tafelladen werden Produkte zu stark reduzierten Preisen angeboten

Wenn sich nun auch noch ein paar mehr ehrenamtliche Helfer finden, um zum Beispiel beim Einräumen, Sortieren und Verkaufen der Waren zu helfen, wäre auch der Leiter des Bhz-Werkhauses, Stefan Wegner, rundum zufrieden.

„Ende der 1990er Jahre gegründet übernimmt der Tafelladen mit den dort beschäftigten Menschen mit Behinderung und Ehrenamtlichen unter qualifizierter Leitung der hauptamtlichen Mitarbeitenden einen täglichen Versorgungsauftrag von mehreren 100 Kunden“, heißt es auf der Internetseite des Bhz. „Wir sammeln Lebensmittel ein, die im Handel nicht mehr verkauft werden können, weil zum Beispiel die Verpackung beschädigt oder das Verfallsdatum bald erreicht ist.“ Die Lebensmittel, die uneingeschränkt für den Verzehr geeignet sind, werden im Tafelladen dann zu stark reduzierten Preisen angeboten. Die Kunden sind sozial Benachteiligte, Hartz IV-Empfänger oder Personen, deren Einkommen die Bemessungsgrenze der Sozialhilfe nicht übersteigt.

Wer mithelfen möchte, kann sich an Michael Hermsdorf wenden – unter der Telefonnummer 8 17 91 87.