Posieren für die Fotografen: (v. li.) Günther Oettinger , Ministerpräsident von Baden-Württemberg, seine Freundin Friederike Beyer, Schauspielerin Fay Dunaway, Bettina Wulff und Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) 2009 in Hannover auf dem ‚Nord-Süd-Dialog’ Foto: dpa

Die Partygipfel der Politprominenz sind im Visier der Justiz – war Wulffs engster Vertrauter korrupt?

Stuttgart - Ein langer roter Teppich, blank geputzte Nobelkarossen als eine Art Empfangsspalier, dazu gleißendes Scheinwerferlicht, drinnen erlesene Speisen von Starkoch Jörg Mink kreiert und eine Armada von Hostessen, die den perlenden Champagner reicht und dabei so freundlich lächelt, als habe jede einen Vertrag für Zahnpastawerbung. „Es war eine rauschende Party, die ihresgleichen gesucht hat“, erinnert sich einer, der an jenem Abend im Dezember 2008 in Stuttgart dabei sein durfte. Diese Party, das war der sogenannte Nord-Süd-Dialog. Eine Art länderübergreifendes Fest von Niedersachsen und Baden-Württemberg mit ausschließlich prominenten Gästen, initiiert von Deutschlands bekanntestem Eventmanager Manfred Schmidt, gekrönt durch die beiden damaligen Ministerpräsidenten Günther Oettinger und Christian Wulff. Nun aber ist diese Form der gepflegten Unterhaltung ins Visier der Justiz geraten. Es geht um den Verdacht der Bestechung und Bestechlichkeit.

Nicht gegen den heutigen EU-Kommissar Oettinger, auch nicht gegen den (noch) amtierenden Bundespräsidenten Wulff. Aber gegen zwei wichtige Verbündete von Wulff, die damals im Hintergrund agierten: zum einen Veranstalter Schmidt, zum anderen Wulffs damaligen Sprecher Olaf Glaeseker. Die offizielle Mitteilung der Staatsanwaltschaft Hannover lässt jedenfalls die Dimension erahnen, um die es bei den jetzt eingeleiteten Ermittlungen geht. „Es besteht der Verdacht, dass Herr Glaeseker in den Jahren 2007 bis 2009 im Rahmen seiner damaligen Dienstgeschäfte die Durchführung und Finanzierung der von Manfred Schmidt – oder von ihm beherrschter Gesellschaften – ausgerichteten Veranstaltungsreihe Nord-Süd-Dialog gefällig gefördert hat. Als Gegenleistung soll Olaf Glaeseker mehrfach unentgeltlich Urlaube in Feriendomizilen von Manfred Schmidt verbracht haben.“

„Herr Glaeseker hat uns beschissen“

Kein Wunder, dass in Hannover und in Stuttgart nun emsig danach gesucht wird, was damals falsch gelaufen sein könnte. Der erste Beleg tauchte am Freitag in der niedersächsischen Landeshauptstadt auf und sorgte prompt für einen Eklat. „Herr Glaeseker hat uns beschissen. Das ist nicht in Ordnung“, reagierte Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) wütend auf die Tatsache, dass der damalige Wulff-Sprecher für die Länderparty im Jahr 2009 am Flughafen Hannover die Medizinische Hochschule Hannover um Hilfe gebeten hatte. Die schickte, wie von Glaeseker erbeten, 44 Studenten zur Party, auf dass sie an der Garderobe helfen. Nach einem Bericht der „Neuen Presse“ weigerte sich die Regierungszentrale wenige Wochen später, die Rechnung der Hochschule von 5245 Euro zu bezahlen. Glaeseker habe keine Befugnis gehabt, für die Staatskanzlei das Veranstaltungsmanagement der Hochschule um organisatorische Hilfe zu bitten, rügte Finanzminister Möllring am Freitag das Verhalten des Wulff-Getreuen in ungewohnt scharfen Worten: „Das hätte das Protokoll machen müssen.“ Die offene Rechnung werde man nun an Schmidt schicken: „Wenn der nicht zahlt, muss Glaeseker zahlen. Die Staatskanzlei zahlt in jedem Fall nicht.“ Unbestätigten Informationen zufolge soll Schmidt bei jener Ausgabe des Nord-Süd-Dialogs einen satten Gewinn gemacht haben, weil die Sponsorengelder sich auf 685 000 Euro summiert hätten, die Kosten aber nur auf 300 000 Euro.

Zu solchen fragwürdigen Dienstleistungen war es beim Partygipfel der Prominenz ein Jahr zuvor in Stuttgart erst gar nicht gekommen. Das Staatsministerium hielt sich bei der Unterstützung zurück. Erfahrenen Juristen im Regierungsapparat war im Vorfeld der Veranstaltung offenbar schnell klargeworden, dass es mit einem bösen Kater enden könnte, wenn die Party eines Privatmannes mit Steuergeldern unterstützt wird. Also beschränkte sich die Regierungszentrale darauf, den 800 handverlesenen Gästen – darunter Auto-Bosse wie Wendelin Wiedeking, Martin Winterkorn und Rupert Stadler, Ex-EnBW-Chef Utz Claassen, Musiker wie Klaus Meine und die Scorpions – am späten Abend einige kleine Geschenke mit auf den Heimweg zu geben. Zum einen süße Kostproben von Ritter Sport, zum anderen edle Tropfen aus Staatsweingütern. Gesamtwert: rund 3600 Euro. Wie schwäbisch sparsam die CDU-geführte Regierung damals war, zeigt folgende Episode. Partyboss Schmidt, das belegt ein interner Aktenvermerk, beschwerte sich in den Wochen nach dem Fest bei der Landesregierung über die mangelnde Unterstützung für seine Partynacht.

BW-Bank hat 2008 Nord-Süd-Dialog gesponsort

Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung dürfte Oettinger froh sein, damals zurückhaltend gehandelt zu haben. Zwar liebte der geborene Netzwerker solche Abende, an denen sich Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kultur bei edlen Tropfen und dicken Zigarren treffen, um auf dem kleinen Dienstweg manches große Problem zu besprechen. „Es war der Sinn, Wirtschaft, Politik und Medien aus beiden Ländern ins Gespräch zu bringen“, so Oettinger am Freitag.

In die Organisation mischte er sich im Unterschied zur Staatskanzlei in Hannover aber offenbar nicht ein. Auch bei der Suche nach Sponsoren blieb er außen vor. „Der Ministerpräsident ist nicht auf Firmen zugegangen“, sagte ein Sprecher der grün-roten Landesregierung am Freitag nach Durchsicht der Akten. Das Staatsministerium habe diverse Firmen im Land damals nur darauf hingewiesen, dass es Anfragen geben könnte.

Auch beim Autokonzern Porsche wurde man vorstellig

Und so kam es dann auch. Schmidt ließ hier und da anklopfen, um seine Stuttgarter Partynacht zu finanzieren – bei öffentlich-rechtlichen Unternehmen wie der Landesbank Baden-Württemberg ebenso wie in der freien Wirtschaft bei Kaffeeherstellern oder Mineralwasserlieferanten. Mit Erfolg. Die BW-Bank hat inzwischen eingeräumt, den Nord-Süd-Dialog gesponsert zu haben. Über die Höhe des Betrages ist nichts bekannt.

Auch beim Autokonzern Porsche wurde man vorstellig, was freilich nicht ohne Brisanz war. Es war jene Zeit, in der Porsche-Boss Wiedeking nach den Sternen greifen wollte und sich in den Kopf gesetzt hatte, VW zu übernehmen, was Niedersachsens Ministerpräsident Wulff bekanntlich verhindern wollte und was letztendlich auch an der klammen Kasse von Porsche scheiterte. Im Stuttgarter Römerkastell trafen die Kontrahenten an jenem Abend aufeinander und machten gute Miene zum bösen Spiel. „Der Süden macht mehr Wind, der Norden hat mehr Wind“, meinte Wulff damals in seiner kurzen Rede. Am Engagement von Porsche für das rauschende Fest änderten die seinerzeitigen Positionskämpfe aber nichts. „Wir haben die drei Ausgaben des Nord-Süd-Dialogs jeweils mit einem niedrigen fünfstelligen Betrag unterstützt“, bestätigte am Freitag ein Sprecher des Porsche-Konzerns auf Anfrage unserer Zeitung. Eine fünfstellige Summe bezahlte auch die EnBW, die sich dafür beim Nord-Süd-Dialog 2008 und 2009 zusammen mit dem norddeutschen Energieversorger EWE an einem Stand darstellen durfte. Dass Porsche damals seine neuesten Fahrzeug präsentierte, versteht sich von selbst. „Wir waren mit der Zusammenarbeit mit Herrn Schmidt sehr zufrieden“,bilanziert der Porsche-Sprecher rückblickend.

Oettinger siegte beim Tischfußball gegen Wulff

Überhaupt gab es an jenem Abend nur fröhliche Gesichter. Ministerpräsident Oettinger und seine neue Lebenspartnerin Friederike Beyer siegten beim Tischfußball gegen Christian Wulff und seine Frau Bettina Körner. Wirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP) freute sich über „eine gelungene Veranstaltung von zwei Bundesländern“. Alt-Fußballer Guido Buchwald, bekanntlich schon in der Welt herumgekommen, meinte anerkennend: „Hier lernt man was dazu. Nach diesem Abend ist man auf Ballhöhe.“

Allein, das war’s dann aber mit der grenzübergreifenden Imagepflege zweiter Bundesländer. Sowohl der neue niedersächsische Ministerpräsident David McAllister (CDU) als auch sein Stuttgarter Kurzzeitkollege Stefan Mappus (CDU) mochten den jährlichen Partygipfel nicht mehr fortführen. Einmal Hannover, dann einmal Stuttgart, dann nochmals Hannover. Seit 2010 steigt keine große Sause mehr. Und eine Wiederbelebung scheint nach dem Regierungswechsel in Stuttgart ohnehin undenkbar.

Das Thema dürfte dennoch weiter für Gesprächsstoff sorgen. Nachdem Polizei und Staatsanwaltschaft am Donnerstag dieser Woche die Privat- und Geschäftsräume von Glaeseker und Schmidt in Wunstorf bei Hannover, in Berlin und in Zug (Schweiz) durchsucht hatten, bat Hannovers Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Lendeckel am Freitag erst einmal um Geduld. „Ich glaube nicht, dass es in der nächsten Woche schon zu Ergebnissen kommt.“ Jetzt müsse erst einmal „umfangreiches Material gesichtet und ausgewertet“ werden.