Überraschende Unterstützung aus der Politik für die Idee von SWR-Intendant Boudgoust.

Stuttgart - Die ARD hat einen Kinderkanal. Bekommt sie nun bald auch einen Jugendkanal? Bisher stand der Südwestrundfunk mit dieser Forderung ziemlich allein da. Nun gibt es überraschende Unterstützung aus der Politik.

Martin Stadelmaier ist in der deutschen Medienpolitik so etwas wie die graue Eminenz. Denn der Chef der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei ist einer der einflussreichsten Köpfe auf diesem Feld, zumal er die rechte Hand von Ministerpräsident Kurt Beck ist, der die Medienpolitik der Bundesländer koordiniert. Umso bemerkenswerter ist der Vorstoß, den Stadelmaier am Dienstag gemacht hat.

Der SPD-Politiker forderte ein öffentlich-rechtliches Fernsehprogramm für Jugendliche in der Verantwortung der ARD. Im Gegenzug sollten die Digitalkanäle Eins Festival und Eins Extra aufgegeben werden. "Ich halte die große Zahl von Spartenprogrammen, die alle denselben Bereich etwa in Infoangeboten und bei den Kulturprogrammen abdecken, für nicht mehr zeitgemäß. Gleichzeitig wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinem Auftrag bei der Jugend nicht gerecht", sagte Stadelmaier in Berlin.

Sparen bei EinsFestival und ZDF-Kulturkanal

Bisher galten neue gebührenfinanzierte Programme aus Kostengründen als ein Tabu. Das aber scheint sich nun zu ändern. An den herausragenden Programmen Arte und 3Sat will Stadelmaier nicht rütteln. "Eins Festival und ZDF-Kulturkanal bieten aber im Grunde eine ähnliche Produktnische als Spartenkanäle." Deshalb könne man dort sparen. Weitere Einsparmöglichkeiten sieht der SPD-Politiker bei Informationsprogrammen wie Eins Extra und ZDF infokanal, da Phoenix dieselbe Zielgruppe habe. "Die Kanäle bedienen im Wesentlichen die gleiche Schiene."

Aus Sicht von Stadelmaier könnte ein neuer Jugendkanal für 14- bis 25-Jährige die Lücke zwischen dem Kinderkanal und ZDF neo schließen. Die ARD habe (im Unterschied zum ZDF) mit ihrer Kompetenz bei Jugendsendern im Hörfunk eine Basis für einen solchen Sender. Aber auch bei den Mainzelmännern dürfte sich nun eine Diskussion entwickeln. "Derzeit gibt es im Fernsehen für Jugendliche und Heranwachsende eine große Lücke bis zu ZDF neo, das hervorragend angelaufen ist", sagte Stadelmaier. Aus seiner Sicht müsse ZDF neo weiter ausgebaut werden: "Dem kann in Zeiten knapper Kassen auch ein Verzicht auf den neuen ZDF-Kulturkanal dienen."

Die ARD reagierte prompt - und hocherfreut. Der bisherige ARD-Vorsitzende und Intendant des Südwestrundfunks, Peter Boudgoust, begrüßte den Vorstoß aus Rheinland-Pfalz für den TV-Jugendkanal. "Herr Stadelmaier rennt bei mir damit offene Türen ein", sagte Boudgoust unserer Zeitung und betonte: "Wir können es uns auf Dauer nicht leisten, dass wir bestimmte Zielgruppen zunehmend weniger erreichen, wie es bei den 14- bis 29-Jährigen derzeit der Fall ist. Glücklicherweise erreichen wir sie noch mit unseren Hörfunkangeboten."

"Generationenabriss verhindern"

Boudgoust hatte während seiner zweijährigen Amtszeit als ARD-Vorsitzender mehrfach innerhalb der ARD angeregt, die Digitalkanäle Eins Festival und 1 Plus zu einem digitalen Jugendkanal umzubauen. "Dies ist uns aus finanziellen Gründen nicht möglich gewesen. Ich begrüße daher die Auffassung von Herrn Stadelmaier, dass eine solche Aufgabe so groß und wichtig ist, dass sie nur von ARD und ZDF gemeinsam gelöst werden kann. Wir sollten bereit sein, unsere Programmangebote zu überprüfen und jeweils einen Digitalkanal von ARD und ZDF dafür aufzugeben." Eine solche Neuordnung des Portfolios der Digitalkanäle gehe wegen der Verpflichtungen im Staatsvertrag "sicher nicht von heute auf morgen". Aber, so Boudgoust weiter, es sei "höchste Zeit, einen Generationenabriss zu verhindern".

Boudgousts Nachfolgerin an der Spitze der ARD, die WDR-Intendantin Monika Piel, hatte sich vor wenigen Tagen nach der ARD-Intendantentagung in Stuttgart noch skeptisch zu einem möglichen TV-Jugendkanal geäußert. Stadelmaier aber sagt nun: "Das Projekt ist damit keinesfalls vom Tisch. Manchmal braucht es einen Anstoß von außen. Es darf jedenfalls nicht sein, dass die Jugendlichen einem qualitativ fragwürdigen Fernsehangebot der Privaten überlassen bleiben."