Laurenz Leky, Elmira Bahrami und Ariel Nil Levy (v. li.) Foto: Grünschloß

Der japanische Literaturnobelpreisträger Kenzaburo Oe berichtet in seiner Erzählung „Der Sündenbock“ von einem Jugendlichen, der aus einer privilegierten Situation heraus in die Rolle eines kollektiven Opfers wechseln muss. Die Regisseurin Nina Gühlstorff hat diese Geschichte im Theater Rampe um einige aktuelle Fragestellungen bereichert.

Stuttgart - So ein Sündenbock ist eine feine Sache: Wer mit Problemen oder schwer Erklärlichem zu kämpfen hat, lastet dies einfach dem Sündenbock an. Tiere eignen sich bestens für solche Rollen, in der Erzählung „Sündenbock“ des japanischen Literaturnobelpreisträgers Kenzaburo Oe sind es Fische. Komplizierter, zugleich interessanter wird es, wenn Menschen diese Funktion zugeordnet wird. Auch davon handelt diese Erzählung. Wortreich, gestenreich erzählen Elmira Bahrami, Laurenz Leky und Ariel Nil Levy im Theater Rampe das äußerst wechselhafte Schicksal eines 10-Jährigen, der aus einer privilegierten Situation heraus zum Sündenbock wird und schließlich, misstrauisch gegenüber allen anderen Menschen, ins Ausland flüchtet.

Sehr erregt, dreistimmig machen sie dies in der Regie von Nina Gühlstorff direkt ins Publikum, verhaspeln sich auch mal in diesem enormen Mitteilungsdrang. Und dann zücken die drei auf einmal Karikaturen-Gesichter von Hitler, einem jüdischen und muslimischen Geistlichen in Gestalt von Protestplakaten, erwähnen die Partei AfD, die Palästinenser oder die französische Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“. Logisch, um Aktualität geht es hier auch. Und die Schauspieler sprechen sich mit ihren realen Namen auf der Bühne an, zwei von ihnen machen dazu Andeutungen über ihre Migrationshintergründe. Der Stückverlauf wird lockerer, verhandelt wird etwa über die Vorzüge einer traditionellen Sojasoße gegenüber einer neuen. Viele Fragen werden gestellt, noch mehr Themen werden angerissen, Erhellendes ist nicht im Angebot. Der große Wurf von der vermeintlichen Idylle des Nobelpreisträgers ins Heute bleibt angedeutet. Die Schauspieler haben viel zu tun, das erfreut ja schon manchen. Und zum Schluss sind die Zuschauer eingeladen zu Brot, Salz und Öl hinter der Bühne.

Weitere Aufführungen bis zum 27. 3. Karten unter 07 11 / 6 20 09 09 15