Am Emmishofer Zoll in Konstanz hat sich die Lage wieder beruhigt. Foto: dpa

Leere Regale bei Aldi, keine Windeln bei DM. Und Parkplätze gibt es sowieso nicht. Der Höhenflug des Franken hat dem südbadischen Einzelhandel 2015 eine Sonderkonjunktur beschert. Jetzt kommen plötzlich viel weniger Schweizer zum Geld ausgeben über die Grenze. Ist der Ruf ruiniert?

Konstanz - Nach dem Umsatzrekord des vergangenen Jahres geht es in den südbadischen Einkaufsstädten entlang der Schweizer Grenze in diesem Jahr merklich ruhiger zu. Von einer generellen Trendumkehr möchte der Einzelhandelsexperte der Industrie- und Handelskammer (IHK) Hochrhein-Bodensee, Bertram Paganini, zwar noch nicht sprechen. Allerdings habe der Kundenstrom aus der Schweiz deutlich nachgelassen. Ein Grund seien nicht zuletzt die Bemühungen in der Schweiz, Umsatz im Land zu halten. „Migros und Coop haben Millionen in ihre Preise gesteckt“, sagte Paganini. Zudem hätten die Discounterketten Lidl und Aldi ihr Filialnetz im Nachbarland verdichtet.

In der gerade erschienenen Herbstumfrage der IHK kommt dies zum Ausdruck. Demnach erwarten 32 Prozent der Einzelhändler zwischen Konstanz und Lörrach sinkende Umsätze. Lediglich fünf Prozent rechnen mit besseren Geschäften. Der Rückgang komme früher als erwartet und falle stärker aus, sagte Christian Ulmer vom Gewerbeverein Treffpunkt Konstanz. „Wir liegen teilweise unter 2014.“

So viele Ausfuhrscheine wie noch nie

Dabei ist der Franken weiterhin stark. Im Januar 2015 hatte die Schweizer Notenbank den Wechselkurs zum Euro freigeben. Daraufhin kletterte der Franken um 20 Prozent. Der ohnehin rege Einkaufstourismus nahm rasant zu. An den Grenzübergängen nach Konstanz, Singen, und Lörrach bildeten sich lange Staus. Auch in kleineren Städte wie Waldshut, Bad Säckingen oder Weil am Rhein brach der Verkehr zusammen. Die Zahl der grünen Ausfuhrscheine, mit denen sich Schweizer die Mehrwertsteuer zurückerstatten lassen können, stieg im Bereich des Hauptzollamts Singen, das für die Grenzregion zuständig ist, auf 17,6 Millionen an. Im Jahr zuvor waren es nur 15,6 Millionen gewesen.

Offizielle Zahlen für dieses Jahr werden erst im Frühjahr vom Bundesfinanzministerium veröffentlicht. Doch es gibt Angaben der Eidgenössischen Zollverwaltung. Demnach sank der Wert der angemeldeten Waren im ersten Quartal 2016 im Vergleich zum Vorjahresquartal landesweit um 3,4 Prozent. Am Emmishofer Zoll in Konstanz betrug das Minus sogar 18 Prozent. Und der bei Baslern beliebte Übergang bei Riehen nahm 31 Prozent weniger ein. Allerdings seien diese Werte nur bedingt aussagekräftig, erklärte ein Sprecher der Schweizer Zollverwaltung. Erst bei einem Warenwert von mehr als 300 Euro wird Zoll fällig.

Die Schweiz schöpft Hoffnung

Doch auch die Daten, die der Zahlungsverarbeiter Six Group für die Schweizer Handelszeitung ausgewertet hat, sprechen für eine Trendwende. Demnach seien die Umsätze mit Schweizer Maestro-Karten in Konstanz im ersten Halbjahr 2016 erstmals seit 2012 wieder gesunken. In der Schweiz sorgt dies für Optimismus. „Es gönnt wieder weniger Schwiizer uff Konschtanz go poschte“, jubilierte das Schweizer Radio. Die Situation für viele Einzelhändler jenseits der Grenze ist allerdings weiterhin existenzbedrohend. Seit 2010 hätten sich die Schweizer Maestro-Umsätze in Konstanz verfünffacht. In der Nachbarstadt Kreuzlingen im Kanton Thurgau schrumpften sie zugleich um 56,3 Prozent.

Die Verhältnisse von 2015 seien „jenseits von Gut und Böse“ gewesen, sagte der Konstanzer Chef-Wirtschaftsförderer, Friedhelm Schaal. „Vor den Parkhäusern waren lange Schlangen. Der Aldi war leer gekauft. Im dm-Markt gab es keine Windeln mehr. Dabei kam viermal am Tag neue Ware“, erinnerte sich Schaal. „Die chaotischen Zustände fallen uns jetzt auf die Füße.“ Etliche Schweizer Kunden hätten schlechte Erfahrungen gemacht. „Die kommen so schnell nicht wieder.“

Viele Städte weiten ihre Flächen aus

Der IHK-Experte Paganini votierte für eine Verbesserung der Parksituation. „Hier haben alle Städte entlang der Grenze einen Nachholbedarf.“ Zusätzlicher Einkaufsflächen bedürfe es hingegen nicht. Doch genau hier wird aufgerüstet. In Radolfzell verdoppelte sich das Outlet-Center der Firma Schießer. In Singen und Weil am Rhein entstehen neue riesige Einkaufszentren. Auch sie zielen auf Schweizer Kundschaft.