Ein Schlückchen in Ehren kann keiner verwehren? Foto: dpa

Sucht im Alter – wer kommt denn da drauf? Doch es geht mehr als nur ums Viertele am Abend. Etwa jeder zehnte ältere Mensch greift zu häufig zu Schlaf-, Schmerz- oder Beruhigungstabletten. Etwa 14 Prozent derjenigen, die ambulant oder stationär durch die Altenpflege betreut werden, haben Probleme mit Alkohol oder Pillen.

Stuttgart - Der Tod des langjährigen Partners, das Loch nach Ende eines langen Berufslebens, häufigere Krankheiten und körperliche Einschränkungen oder zunehmende Lebensmüdigkeit – die einschneidenden Veränderungen im Leben älterer Menschen haben denkbar viele Facetten. Szenisch eindrucksvoll dargestellt wurden sie am Dienstag in der Alten Kelter in Vaihingen von der Theatergruppe „Wilde Bühne“ zum Auftakt des Pilotprojekts „Trotz Alter – unabhängig mittendrin“. Hierbei geht es um Angebote und Aktionen zur Gesundheitsförderung und Suchtprävention für Menschen ab 55 Jahren.

Das zwei Jahre bis September 2017 laufende Projekt wird weitgehend von der Baden-Württemberg-Stiftung finanziert, betreut wird es vom städtischen Gesundheitsamt und dem Stuttgarter Suchthilfeverbund, dem die Evangelische Gesellschaft (eva), Caritas, der Verein zur Hilfe suchtabhängiger Frauen, Lagaya, und der Verein zur Beratung bei Drogenproblemen, Release Stuttgart, angehören. Der Stadtbezirk Vaihingen mit seinen über 45.000 Einwohnern wurde aufgrund von Größe, Struktur und Bevölkerungsverteilung für das Projekt ausgewählt. Die Beteiligten erhoffen sich aussagekräftige Ergebnisse, die sich anschließend auch auf andere Bezirke übertragen lassen.

Das Projekt hatte vorab manche Kritik ausgelöst

Von den etwa 7800 über 65-Jährigen in Vaihingen sind viele gesund, mobil und aktiv, besitzen also gute Voraussetzungen für ein gesundes Älterwerden. Aber der demografische Wandel schreitet voran, nach Schätzungen werden im Jahr 2030 bereits 8400 Personen dieser Altersklasse angehören. Und mit zunehmendem Alter steigt das Risiko gesundheitlicher Einschränkungen.

Das Projekt hatte vorab freilich manche Kritik ausgelöst. Wozu das Thema Sucht im Alter? „Es geht nicht darum, den Menschen ihr Viertele Wein abzusprechen. Aber wenn es zu viel wird, kann aus dem Genuss die Sucht werden“, sagt Annette Faust-Mackensen. Als Beauftragte für Suchtberatung im Gesundheitsamt koordiniert sie mit eva-Mitarbeiter Stefan Ulrich das Projekt. Erste Schritte, eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, sind Veranstaltungen am 3. Dezember zur Alkoholprävention und am 9. Dezember zur Tabakprävention in der Schwabengalerie. „Wir wollen die Öffentlichkeit für das Thema sensibilisieren, Information ist oft der beste Schutz“, so Ulrich. Wichtig für den Erfolg sei es, Ehrenamtliche in den Vereinen und der Altenpflege als Multiplikatoren zu gewinnen.

Dass altersgerechte Suchtprävention und Gesundheitsförderung grundsätzlich ein notwendiges Thema ist, verdeutlichen Zahlen. Nach einer bundesweiten Studie des Robert-Koch-Instituts konsumiert etwa jeder vierte Mann und jede fünfte Frau Alkohol in einem riskanten Maß, etwa 17,5 Prozent aller Deutschen rauchen. Und ältere Menschen? Hier die Hauptstelle für Suchtfragen ermittelt: Etwa jeder zehnte ältere Mensch greift zu häufig zu Schlaf-, Schmerz- oder Beruhigungstabletten. Etwa 14 Prozent derjenigen, die ambulant oder stationär durch die Altenpflege betreut werden, haben Alkohol- oder Medikamentenprobleme.