Selbst 5000 Flyer, zahlreiche Annoncen und ein Makler garantieren anscheinend nicht, dass man Räume für eine Kita findet. Foto: dpa

Viele Träger wollen neue Kita-Plätze schaffen. Sie finden aber keine Räume. Zwei Degerlocher Beispiele zeigen, dass manche Vermieter um keine Ausrede verlegen sind.

Degerloch - Die Kinder könnten die Rosen im Nachbargarten zertrampeln. Oder gar das ganze Haus innerhalb kürzester Zeit derart ramponieren, dass der Bulldozer anrücken und das Gebäude abreißen muss. Das sind nur zwei Begründungen, die Ana Paula Pinto in den vergangenen eineinhalb Jahren von Vermietern gehört hat, warum die Waldorfkinderkrippe Avalon kein geeigneter Mieter ist.

Ana Paula Pinto leitet die Einrichtung an der Felix-Dahn-Straße, die derzeit gut 20 Kinder betreut. 50 weitere Krippenkinder stehen auf der Warteliste. Darum will Avalon erweitern. Die Stadt hat das nötige Geld längst zugesagt. Nur neue Räume findet der Trägerverein nicht. Am mangelnden Engagement scheint es nicht zu liegen. „Wir haben Makler beauftragt, 5000 Flyer gedruckt und zahlreiche Annoncen geschaltet“, erzählt Pinto. Auf die Aktionen, die „viel Zeit und Geld“ gekostet haben, gab es jedoch keine einzige Reaktion. Die genannten Absagen habe es bei Häusern gegeben, auf die der Verein ganz zufällig selbst gestoßen war.

Sogar ein Baumhaus-Kindergarten wäre denkbar

Wählerisch sei man nicht mehr. Am liebsten hätte der Verein zwar ein frei stehendes Haus mit Garten. „Wir würden sogar nur ein Gartenstück mit einem großen Baum nehmen und einen Baumhaus-Kindergarten daraus machen“, sagt Pinto. Oder einen Waldkindergarten eröffnen. Der Verein kann sich sogar vorstellen, auf einen Supermarkt mit Flachdach eine Krippe zu bauen.

Ähnlich verzweifelt ist auch Katharina Habermehl-Franzen. Sie hat vor mehr als zwei Jahren mit ihrem Mann Dirk Franzen die Leomax GmbH gegründet und wollte längst in Degerloch oder Sillenbuch eine private Kita eröffnet haben. Räume findet aber auch sie nicht. „Ich spreche jeden Tag mit Maklern und Gebäudebesitzern“, sagt Habermehl-Franzen. Ohne Erfolg. „Ich stoße auf viel Widerstand.“ Zwar seien sie auch auf sehr engagierte Vermieter gestoßen, sagt ihr Mann Dirk Franzen. Die wurden aber von ihren Nachbarn überstimmt.

Bittere Erfahrung

Besonders bitter sei die jüngste Erfahrung mit einem möglichen Standort in einem Bürogebäude an der Löffelstraße gewesen. „Der Standort ist perfekt“, sagt Habermehl-Franzen. Es gebe kaum Anwohner, die belästigt werden, die Anbindung sei super. 75 Plätze wollte Leomax dort anbieten. Der Antrag bei der Stadt auf finanzielle Unterstützung läuft und hat wohl auch gute Chancen. Immerhin fehlen in Degerloch 94 Krippenplätze für Ein- bis Dreijährige, damit wenigstens 60 Prozent der Kleinkinder einen Betreuungsplatz haben. Doch der Hausbesitzer, die UBS Real Estate KAG, hat sich gegen die Kita entschieden.

Als Grund gibt UBS an, dass die Räume nicht für eine Kita geeignet seien. Erhebliche Umbauten in Höhe eines mittleren sechsstelligen Betrags wären nötig, erklärt Axel Vespermann, der Geschäftsführer der UBS Real Estate KAG in München. Zudem sei für das Gebäude ausschließlich die Nutzung als Büroflächen vorgesehen. Eine Kita hätte einer Sondergenehmigung bedurft.

Bedauerliche Formulierung

Die Hausverwaltung, die sich um das Gebäude an der Löffelstraße 46 kümmert, habe das in ihrer Absage anders ausgedrückt, wie unserer Zeitung sowohl von der Leomax-Geschäftsführung als auch von der Bezirksvorsteherin Brigitte Kunath-Scheffold berichtet wurde. Sie sehe „zu viel Schlichtungs- und Mediatorenarbeit“ bei den anderen Mietern auf sich zukommen, habe die Hausverwaltung geschrieben. UBS dementiert das nicht. „Wir bedauern, dass in diesem Schriftverkehr eine Formulierung gewählt wurde, die den Eindruck erweckt, dass es Unstimmigkeiten bei den anderen Mietern gab. Das entspricht nicht den Tatsachen“, sagt Axel Vespermann.

An dem Fakt, dass die Franzens mit ihrer Leomax GmbH weiter auf Raumsuche gehen müssen, ändert das nichts. Auch ein Schreiben der Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer an UBS konnte den Vermieter nicht umstimmen. Ein solches versenden das Jugendamt oder das Sozialreferat immer gern, wenn um Hilfe gebeten wird, sagt Michael Springer, der persönliche Referent der Bürgermeisterin. „Wenn wir können, helfen wir, Bedenken oder Ressentiments auszuräumen“, sagt er. Dass es diese von Vermietern oder Anwohnern häufig gibt, bestätigt er. „Wenn irgendwo eine soziale Einrichtung entstehen soll, ist die Bevölkerung immer alarmiert“, sagt Springer. Ob bei alten Menschen, Flüchtlingen oder eben bei Kindern.

Ana Paula Pinto wünscht sich, dass es mehr Vermieter gäbe wie den ihrer bestehenden Kita an der Felix-Dahn-Straße. Der habe nämlich bis in die letzte gerichtliche Instanz gegen die Nachbarn gekämpft – nur damit dort eine Kita einziehen kann.