Auch strittig: Wem gehört das Hochspannungsnetz in der Stadt? Foto: Max Kovalenko

Die bereits im März vom Gemeinderat neu vergebenen Konzession für das Stuttgarter Strom- und Gasnetz kann wohl erst 2015 und nicht rückwirkend zum 1. Januar 2014 umgesetzt werden. Die Stadt muss außerdem womöglich gegen den neuen Partner EnBW klagen.

Die bereits im März vom Gemeinderat neu vergebenen Konzession für das Stuttgarter Strom- und Gasnetz kann wohl erst 2015 und nicht rückwirkend zum 1. Januar 2014 umgesetzt werden. Die Stadt muss außerdem womöglich gegen den neuen Partner EnBW klagen.

Stuttgart - Die Planungen für die mehrheitliche Übernahme der Strom- und Gasnetze und deren Betrieb von der Energie Baden-Württemberg durch die Stadtwerke Stuttgart (SWS) stocken ganz erheblich. Die rückwirkend zum 1. Januar 2014 vorgesehene Konzessionsvergabe mit der Neugründung einer gemeinsamen Gesellschaft aus SWS und EnBW scheint nicht mehr möglich.

Als Grund nennen Stadträte den Gang der Elektrizitätswerke Schönau (EWS) vor das Bundeskartellamt. Die Behörde hat den Anfang April eingereichten EWS-Antrag auf Einleitung eines Missbrauchsverfahrens noch immer nicht entschieden. Die EWS sind Vertriebspartner der Stadtwerke und hatten sich um die Konzession beworben. „Das Verfahren ist nicht diskriminierungsfrei gelaufen. Wir können uns nicht vorstellen, dass das Kartellamt sich über alle unsere Kritikpunkte hinwegsetzt", sagt EWS-Geschäftsführerin Ursula Sladek.

„Aufgrund des laufenden Verfahrens ist der Austausch von sensiblen Daten derzeit leider nicht möglich“, sagt ein Sprecher des Altkonzessionärs EnBW. Somit kann nicht geklärt werden, welche Energieanlagen mit welchem Wert an die neue gemeinsame GmbH gehen. Überschlägig berechnet sollten die Stadtwerke Stuttgart für ihren 74,9 Prozent-Anteil 97 Millionen Euro zahlen. Die Stadtwerke wollen sich zum Sachstand gar nicht äußern. Ein Stadtsprecher bestätigt aber, dass „wir unter enormen Zeitdruck geraten sind“. Die Planungen seien „erheblich zurückgeworfen“ worden.

Ein Gesellschaftsvertrag, der vom Gemeinderat spätestens am 17. Juli abgesegnet und von OB Fritz Kuhn (Grüne) gezeichnet werden sollte, ist bis dahin kaum mehr verhandelbar. Der Rat tagt regulär erst wieder am 18. September. Das ist zu spät, um die neue Gesellschaft rückwirkend beim Handelsregister eintragen zu lassen.

Eine spätere Gründung zum 1. Januar 2015 käme die Stadtwerke mutmaßlich teuer zu stehen. Unabhängig vom Gründungsdatum der Gemeinschaftsfirma solle „bereits zum 1. April oder sogar 1. Januar 2014 Geld an die EnBW fließen“, sagt Dr. Michael Sladek. Das sei „eine Nebenabrede, die kein anderer Mitbieter machen konnte“. Der Mediziner ist einer der Geschäftsführer in der Stadtwerke Vertriebs GmbH. Sein Vertrag läuft bis 2017. Ob er ihn erfüllt oder altershalber für Sladek einer seiner Söhne in Stuttgart nachfolgt, soll der Schönauer Aufsichtsrat im Herbst entscheiden. „Neue Besen kehren besser“, sagt Michael Sladek.

Die Bonner Wettbewerbshüter halten sich bedeckt. Vielleicht könne man in einigen Wochen eine Entscheidung verkünden, sagt ein Sprecher. EWS-Anwalt Dominik Kupfer befürchtet, dass das Kartellamt „auf elegantem Weg Bewertungsfehler in der Stuttgarter Auswahl tilgt, aber dennoch zufälligerweise alles beim Alten bleibt“, also der bisherige Konzessionär EnBW doch Partner der Stadtwerke wird. „Über eine solche Entscheidung wäre ich entsetzt", sagt Sladek, „wir wollen eine Gleichbehandlung“. Die Schönauer, die bundesweit wegen der Übernahme des eigenen Gemeindenetzes als „Stromrebellen“ bekannt wurden, könnte beim Oberlandesgericht Düsseldorf gegen die Kartellentscheidung oder aber beim Landgericht gegen die Konzessionsvergabe der Stadt klagen. Dieser Rechtsweg zöge sich aber über Jahre hin.

Gerichte werden mit der Konzessionsvergabe wohl selbst dann beschäftigt sein, wenn die Schönauer selbst nicht klagen sollten. Den EnBW und Stadtwerke Stuttgart sind sich dem Vernehmen nach in wichtigen Fragen nicht einig. So sei das Eigentum an gemischt genutzten Hoch- und Mittelspannungsleitungen für die neue, mehrheitlich städtische Gesellschaft „das A und O bei der Wirtschaftlichkeit“, sagt Sladek. Für diese Netzteile seien „Regelungen vorgesehen“, sagt ein EnBW-Sprecher.

EnBW habe das Stuttgarter Netz ohne Hochspannungsanteil angeboten, weiß SPD-Stadtrat Manfred Kanzleiter. Die Stadt warte daher eine höchstrichterliches Urteil ab. Sollte die EnBW sich weiter sperren, müsse die Frage, was der Konzern abgeben müsse, von der Stadt „durch eine Klage geklärt werden“. Ein Stadtsprecher sagt, es sei „allgemein gesprochen bedauerlich, dass diese Fragen gerichtlich geklärt werden müssen“, weil klare gesetzliche Regelungen fehlten. Auch beim Gasnetz sieht EWS-Anwalt Kupfer Stuttgart im Nachteil. EnBW bestehe bei der Übergabe auf zig neue Messstellen. Der Aufwand sei viel zu hoch. Kupfer: „EnBW lässt sich das Netz vergolden.“