Erschöpft, aber glücklich erreichte die Crew nach 1635 Kilometern das Ziel. Foto: Leiv Braun

Das Team des Akademischen Seglervereins Stuttgart ist beim weltberühmten Fastnet-Race erfolgreich ins Ziel gekommen. Dabei hatten sie auch ein perfektes Mittel gegen den drohenden Lagerkoller an Bord.

Stuttgart - Die neun wackeren Schwaben haben den Empfang nicht als Spott empfunden, sondern als Geste wahren britischen Sportsgeists. Als die Odysseus schließlich als letztes Boot über die imaginäre Ziellinie im Hafen von Plymouth (Großbritannien) segelte, bekam die Crew vom englischen Rennkommitee des Royal Ocean Racing Club eine kleine Extrabegrüßung. Für die Leistung, „am längsten auf See ausgehalten“ zu haben, wurde die Besatzung der Stuttgarter Segeljacht direkt am Steg mit Bier, Champagner und einem Wanderpokal geehrt.

Genau sechs Tage, drei Stunden und eine Minute hatte die Delegation der Akademischen Seglervereinigung Stuttgart (ASVS) auf ihrem Vereinsboot Odysseus ausharren müssen, ehe die 883 Seemeilen, umgerechnet 1635 Kilometer, des Fastnet-Race bewältigt waren. „Damit belegen wir nach berechneter Zeit Platz 283 von 288 Finishern. Somit sind wir nicht die Letzten - das war unser Ziel“, sagt Jochen Salvasohn. Zusammen mit Armin Kammer (Skipper), Daniel Albrecht (Co-Skipper), Wolfgang Giermann, Leiv Braun (beide Navigator/Taktiker), Matthias Luz, Matthias Läpple (beide Trimm), Florian Huck (Steuermann) und Daniel Günther (Vordeck) hat Salvasohn die spannendste Segelwoche seines Lebens hinter sich.

Schwaben wollten sich von ihrer besten Seite zeigen

„Es war uns klar, dass wir mit unserer schweren Fahrtenjacht gegen die Weltelite und die vielen anderen erfahrenen Mannschaften nur hinten mitfahren können“, erzählt Salvasohn über die von vornherein geringen Erfolgsaussichten der Stuttgarter. Für das ASVS-Team war bereits die erstmalige Teilnahmeberechtigung an der renommierten Hochseeregatta ein Riesending.

Aber auch ohne jegliche Gewinnchancen wollten sich die Schwaben natürlich von ihrer besten Seite präsentieren. „Wir haben alles gegeben, haben über die volle Distanz und Zeit hoch konzentriert das Schnellste aus dem Boot herausgeholt“, sagt Salvasohn rückblickend mit Stolz. Besonders anspruchsvoll sei das Steuern und ständige Ausrichten der Segel beim spektakulären Start mit all den Weltklassebooten und –seglern gewesen. Auf dem Weg vom südenglischen Cowes bis zum Wendepunkt am Fastnet Rock, der legendären Felsformation in der Keltischen See vor Irland, hatte die 17 Tonnen schwere Odysseus den Anschluss an die Konkurrenz schon weitgehend verloren. Der Sieger brauchte für die gesamte Strecke nicht einmal zwei Tage. „Meist hatten wir leichten bis mäßigen Wind, was für ein Boot wie die Odysseus ein Nachteil ist“, erklärt Salvasohn.

Doch auf dem Rückweg herrschten plötzlich ganz andere Bedingungen. Der Wind peitschte heftig von achtern. „Dabei brach uns eines der Steuerseile unserer Ruderanlage. Dadurch mussten wir für die Zeit der Reparatur drei Stunden ohne Fahrt beigedreht liegen, was uns einige Plätze gekostet hat“, berichtet Salvasohn von den schwierigsten Momenten der Tour. Und nach der Reparatur segelte die Odysseus zunächst einmal lediglich im Sicherheitsmodus weiter. „Erst ab den Scilly-Inseln waren die Bedingungen wieder so, dass wir mit maximaler Geschwindigkeit vorankommen konnten“, so Salvasohn.

Stuttgart sind rundum glücklich

An die dreistündigen Wachwechsel in der Nacht hatten sich alle Crewmitglieder nach zwei bis drei Tagen gewöhnt. „Seegang, kaum Schlaf durch die Nachtwachen, ständige Feuchtigkeit oder der Rückschlag durch den Defekt der Ruderanlage haben der guten Stimmung an Board aber nichts anhaben können“, sagt der ASVS-Sprecher. Die Stuttgarter hatten schließlich auch gute Mittel gegen einen drohenden Lagerkoller: „Es gab genug zu essen und zu naschen. Auch immer Witze und Späße. Faszinierend und motivierend war zudem, dass uns fast die ganze Strecke über in der Keltischen See Delfine begleitet haben“, so Salvasohn.

Und trotzdem sehnte sich die Crew mit der Zeit doch das Ende des Turns herbei. Die Belastung war auf Dauer doch an die Substanz gegangen und hatte jeden bis an seine Grenzen gefordert. Aber alle Pein war vergessen, als nach gut sechs Tagen die Ziellinie gesund und mit intaktem Boot überquert wurde.

Übrigens: Genau das war längst nicht allen Startern gelungen. Über hundert Mannschaften strichen im wahrsten Sinne vorzeitig die Segel. Die Stuttgarter waren rundum glücklich. „Das ganze Unternehmen wird für uns alle unvergesslich bleiben“, sagt Salvasohn. Fast philosophisch fügt er noch an: „Jeder einzelne hat viel gelernt - übers Segeln, übers Langstrecken-Regattassegeln und über sich selbst.“