Im März 2015 fan eine Razzia in der Moschee in Botnang statt. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Ein CDU-Parteifreund übt mitten im Bundestagswahlkampf harsche Kritik an Innenminister Thomas Strobl.

Stuttgart - Der CDU-Kreisvorstand um den Bundestagsabgeordneten Stefan Kaufmann tritt an diesem Mittwoch zur turnusmäßigen Sitzung zusammen. An Gesprächsstoff wird es nicht mangeln. Im aktuellen Magazin der CDU Stuttgart hat jemand CDU-Innenminister Thomas Strobl verbal aufs Korn genommen.

Kritik am eigenen Personal, und das auch noch in Wahlkampfzeiten? Allein dies ist bei Parteien eine Art Sakrileg. In diesem Fall kommt erschwerend hinzu, dass die Attacke sich auf dem Feld einer angeblichen Kernkompetenz der CDU abspielt, der Inneren Sicherheit. Und der Kritiker gilt zwar als eigenwillig, ist aber ehemaliger Landtagsabgeordneter: Reinhard Löffler.

Verherrlichung des Dschihad

Der Rechtsanwalt aus Botnang grollt. Der Grund: Der CDU-Innenminister und Vize-Ministerpräsident Strobl habe im April vor dem Verwaltungsgerichtshof mit einem Vergleich gerichtliche Händel beenden lassen, die der frühere SPD-Innenminister Reinhold Gall mit demonstrativer Härte gegen vermeintliche Salafisten in einem Moscheeverein in Botnang verursacht hatte. Das war im März 2015. Damals waren in der Regerstraße Polizisten aufmarschiert und hatten Beweisstücke mitgenommen. Am Jahresende 2015 wurde der Moscheeverein verboten, weil Gall es als erwiesen ansah, dass Vereinsmitglieder die Terrororganisation des sogenannten Islamischen Staats unterstützt hätten. Die Räume wurden beschlagnahmt. „Der Verein und seine Mitglieder“, sagte Gall, „verherrlichten den Dschihad“, den sogenannten Heiligen Krieg also. Zehn Kämpfer sollen die Moschee in Botnang besucht haben, ehe sie nach Syrien gingen, mindestens drei sollen ums Leben gekommen sein.

Nach der Großaktion entspann sich ein verwaltungsgerichtliches Verfahren, in dessen Verlauf die nunmehr grün-schwarze Regierung einen Waffenstillstand einging. Der damalige Verein besteht nicht weiter. Dasselbe Personal und ein früherer Mitbegründer der Botnanger Moschee hätten aber ein neues „Islamisches Bildungs-, Kultur- und Freundschaftszentrum“ gegründet, meldeten die Stuttgarter Nachrichten im Mai. Seit Monaten bewegt Löffler nun die Frage, warum das Land den Vergleich einging. Immerhin hatte Strobl laut der Nachrichtenagentur dpa Mitte November 2016 gesagt, die Behörden gingen mit allen Mitteln gegen fanatische Islamisten vor. Wer Gewalt predige und säe, bekomme die volle Härte von Recht und Gesetz zu spüren. Und weiter: „Wir haben da eine ganz klare Null-Toleranz-Strategie.“

Möglicherweise, sagt Löffler, habe ja Strobls Vorgänger die Sache falsch eingeschätzt, für den die Razzia in Botnang im März 2015 „eindeutig die dschihadistisch-salafistische Ausrichtung des Vereins belegte“. Aber bis heute warte er, Löffler, genauso wie die Botnanger CDU vergeblich auf eine Antwort von Strobl. Die Bevölkerung am Ort sei verunsichert und lasse Kritik vernehmen. Deshalb hat Löffler seinen Beitrag im CDU-Magazin verfasst. Darin wird er deutlich.

Ministerium: Keine Handhabe gegen Nachfolgeverein

„Noch bevor das Gericht eine Entscheidung fällen konnte, schloss das CDU-geführte Innenministerium mit dem Verein einen Vergleich“, klagt er an. Die Vereinsverantwortlichen hätten 25 Euro für jede Arbeitsstunde der Mitglieder kassieren, neue Räume beziehen und ein neues Türschild installieren können. „Jetzt, so schlussfolgert das Innenministerium, verhält sich der Verein verfassungstreu.“ Wenn denn die Innere Sicherheit ein Markenkern der CDU sei, würden die Bürger ein konsequentes Handeln gegen die Gefahren des Terrorismus erwarten. Wenn die CDU dann nicht liefere, entstehe ein Vakuum, das rechtspopulistische Parteien nur allzu gern füllen würden. Der Bundestagswahlkampf sei schwer belastet.

Ja, Löffler erinnert sogar an den Kanzler Helmut Schmidt, der 1977 nach der Entführung einer Lufthansa-Maschine entschieden habe, dass man mit Terroristen nicht verhandle. Dass er, Löffler, einmal einen SPD-Kanzler würde zitieren müssen, um Innere Sicherheit bei der CDU anzumahnen, hätte er sich früher nicht vorstellen können.

Unserer Zeitung erklärte das Ministerium, dass die Sache anders gelagert sei. Entscheidend sei, dass das Vereinsverbot rechtskräftig, die Bildung von Ersatzorganisationen damit untersagt sei. Für deren Existenz seien personelle Identitäten kein ausreichender Beleg. Ein Beleg könnte es sein, wenn die Räume der verbotenen Organisation vom Nachfolgeverein, den man wegen der grundgesetzlich garantierten „Vereinigungsfreiheit“ gründen kann, genutzt würden. Dafür habe man zurzeit aber keine Anhaltspunkte. Der Nachfolgeverein habe nach Kenntnis des Ministeriums den Sitz gerade nicht in den alten Räumen. Es sei Aufgabe eines neu gegründeten Vereins, sicherzustellen, dass sich seine Aktivitäten auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bewegen. Die Sicherheitsbehörden hätten eventuelle Nachfolgeaktivitäten im Blick.

Was bisher geschah

Im März 2015 tauchten Spezialkräfte der Polizei erstmals beim Moscheeverein in der Regerstraße auf: Razzia. Die Polizisten nahmen rund 600 Beweisstücke mit, darunter Computer, Mobiltelefone, Bücher und Speichermedien. Darauf gründeten sich später die Vorwürfe des damaligen SPD-Innenministers Reinhold Gall und seiner Mitarbeiter.

80 000 Euro hat der Moscheeverein als Gegenwert für Arbeitsleistungen in den beschlagnahmten Räumen zurückbekommen. Das sind 25 Euro pro Stunde. Mit 69 807,70 Euro aus dem beschlagnahmten Vereinsvermögen (187 054,19 Euro) seien Verbindlichkeiten und Forderungen bedient worden, meldeten die Stuttgarter Nachrichten im Mai.