Alte Pracht Königstraße: Auf der Grußkarte ist auch das Königstor zu sehen Foto: Sammlung OA Krimmel

Als Bub hat er Briefmarken gesammelt und später bemerkt, dass die Karten, auf denen sie klebten, viel interessanter sind. Der Gestalter OA Krimmel zeigt in seinem „Stuttgarter Postkartenbuch“ kuriose Ansichten der Stadtgeschichte. Die sind auch in digitalen Zeiten beliebt.

Stuttgart - Die Magd ohne Unterrock beflügelte die Fantasie unserer Vorfahren. Was sich angeblich 1837 vor dem Brunnen des Stuttgarter Marktplatzes zugetragen hat, lieferte Stoff für zahlreiche Reime und heitere Zeichnungen auf Ansichtskarten. In der Sammlung von OA Krimmel, der sich – seiner Familientradition folgend – mit den Anfangsbuchstaben seiner Vornamen begnügt, befinden sich etliche Darstellungen jener Szenerie, die jahrzehntelang für Stadtgespräch sorgte. Für den 48-jährigen Autor, Designer, Artdirector und Chef der Agentur id-büro sind diese Karten der Beweis, „dass man in Stuttgart doch nicht immer zum Lachen in den Keller geht“.

Auch der Brunnen des Marktplatzes hat eine bewegte Geschichte

Der Überlieferung nach hat sich ein dicker Stadtrat in aller Öffentlichkeit zu Tode gelacht, als eine fesche Magd am Brunnen ihr Röckchen verlor. Ohne sittlich korrekte Unterwäsche sei sie unterwegs gewesen. Den gefüllten Wasserzuber habe sie nach oben auf ihren Kopf gehoben, worauf durch die Körperspannung der Kleiderstoff von der Taille nach unten fiel. So lustig fand’s besagter Ratsherr, dass er noch am Ort des Geschehens an den Folgen eines Lachanfalls verstarb. Dies wiederum amüsierte die Bürgerschaft, so dass es gleich Dutzende Postkarten von diesem Vorfall gibt.

Anekdoten wie diese sind in Krimmels Band „Das Stuttgarter Postkartenbuch“ nachzulesen, der jetzt im Belser Verlag erschienen ist. Zur Zeit der nackten Magd befand sich der Brunnen noch mitten auf dem Marktplatz, der selbst eine bewegte Geschichte hat. Später wurde er auf den Wilhelmsplatz versetzt, ehe er 1973 zurück zum Rathaus kehren durfte, aber versteckt unter Kastanienbäume. Der Marktplatz hatte seinen Mittelpunkt verloren.

Im Königin-Olga-Bau befand sich ein Café

Mit viel Liebe zu seiner Stadt erzählt OA Krimmel von verschwundenen Schönheiten, königlichen Vergnügungen und historischen Dramen. Die Danksagungen in seinem Buch gehen unter anderem an das Stuttgart-Album, an das Geschichtsprojekt unserer Zeitung, mit dem er eine Erkenntnis teilt: Wer die Vergangenheit kennt, blickt anders in die Zukunft. Den historischen Fotos stellt er oft heutige Vergleichsaufnahmen gegenüber.

Wir sehen, wie der „Große Graben“, den man einst vor der Stadtmauer aufschütten ließ, zur Shopping-Meile geworden ist. Die Rechnung von König Friedrich ging auf: Die Königstraße ist zu einer prächtigen Einkaufsstraße geworden. Wir sehen, wie prunkvoll die Parterre-Räume des Königin- Olga-Baus einst waren, in denen sich ein wunderschönes Café befand – heute ist mit Carls Brauhaus die Gastronomie in die frühere Dresdner Bank zurückgekehrt. Und wir sehen, wie in den 1940ern vom Zeppelin-Bahnhof mitten in Stuttgart geträumt wurde – schon damals durfte man nicht alles glauben, was man auf den Karten sah.

Sein Buch ist eine Liebeserklärung an die gute alte Postkarte, die in der digitalen Zeit in Internetportalen wie dem Stuttgart-Album eine Rückkehr feiert. Immer beliebter sind Postkarten-Apps, mit denen man Grüße mit selbst fotografierten Aufnahmen via Smartphone verschicken kann. Die werden dann ausgedruckt und landen beim Absender im Briefkasten – ganz so wie früher.

„Das Stuttgarter Postkartenbuch“ im Belser Verlag kostet 19,99 Euro. Diskutieren Sie mit im Facebook-Forum des Stuttgart-Albums.