Jörg-Hannes Hahn an der Orgel der Stadtkirche Bad Cannstatt Foto: Promo

Zwei Organisten, zwei Kantoren, zwei Konzertreihen: Kay Johannsen und Jörg-Hannes Hahn über Orgeln im Sommer, Orgelmusik, Orgel-Publikum, Orgel-Räume und einsame Organisten.

Stuttgart  - Zwei Organisten, zwei Kantoren, zwei Konzertreihen: Kay Johannsen und Jörg-Hannes Hahn über Orgeln im Sommer, Orgelmusik, Orgel-Publikum, Orgel-Räume und einsame Organisten.
 
Herr Hahn, Herr Johannsen, ist die Orgel wirklich ein Sommer-Instrument – oder warum ist diese Kombination üblich geworden?
J ohannsen: Früher gab es bei der „Stunde der Kirchenmusik“ in der Stiftskirche eine Sommerpause von zwei Monaten. Die Orgelkonzerte zur Bundesgartenschau 1977 waren dann aber so erfolgreich, dass sie sich bis heute bei uns gehalten haben. Außerdem machen die Chöre und Ensembles, die sonst bei der „Stunde der Kirchenmusik“ gastieren, im Sommer Pause. In anderen Städten hängen die sommerlichen Orgelreihen vor allem damit zusammen, dass die Kirchen im Winter zu kalt sind. Bei zwei Grad besucht keiner ein Konzert im Ulmer Münster.
Hahn: Wir hatten lange bei der „Musik am 13.“ eine Pause vom 13. Juli bis zum 13. September. Vor acht Jahren habe ich in dieser Zeit mal einen kleinen Versuch mit Orgelkonzerten gemacht und gemerkt, dass die Leute auch im Sommer gerne kommen. Ausschlaggebend war auch, dass sich eine Orgel-Reihe ohne großen Aufwand organisieren und finanzieren lässt. Dabei schaue ich schon genau, welche Programme mir angeboten werden.
Nach welchen Kriterien suchen Sie die Organisten aus?

Hahn: Das sind natürlich alles mafiöse Strukturen . . . (lacht). Natürlich hat jeder sein Netzwerk. Oft erkundigt man sich auch bei anderen nach interessanten Kollegen. In Bad Cannstatt haben wir vielleicht nicht die ganz bekannten Leute, wohl aber viele, die sehr gut spielen. Bei Wettbewerben sind die ersten Preisträger ja oft nicht unbedingt die Besten. Dennoch spielt bei uns immer ein Preisträger der Orgelwoche Nürnberg.

Johannsen: In der Stiftskirche haben wir eine internationale Ausrichtung – einfach weil wir über die Möglichkeiten, das Instrument und den Raum dafür verfügen. Ich schaue, dass wir alle Kontinente einigermaßen gleichmäßig abdecken. Nach dem Prinzip „Lädst du mich ein, lade ich dich auch ein“ handle ich nie.

Welche Möglichkeiten und welche Begrenzungen gibt es auf Ihren Orgeln?

Johannsen: Wir hatten großes Glück, dass wir im Zuge der Stiftskirchen-Renovierung ein Instrument bekommen haben, von dem ich nicht zu träumen gewagt hätte. Die Mühleisen-Orgel ist mit 80 Registern sehr groß, hat ein mitteldeutsch-barockes Herz und eine deutsch-romantische Erweiterung, wie sie das Vorkriegsinstrument ja auch hatte. Man kann gut improvisieren, Buxtehude geht auch, ebenfalls französische Musik.

Hahn: Unser Instrument ist mittelgroß, hat 43 klingende Stimmen, aber nicht jeder kann es bedienen. Die Herausforderung in Bad Cannstatt besteht darin, die richtigen Klangmöglichkeiten auszuwählen. Etwas überspitzt formuliert: Man kann aus einem Opel keinen Mercedes machen. Unsere Orgel ist nicht so vielseitig und hochwertig wie die Orgel in der Stiftskirche, aber sie hat Charakter – und einen warmen Klang, der im Raum gut wirkt. Mein Traum war immer, 24 Barockorgel-Register einzubauen, aber das war bislang nicht zu finanzieren.

Haben Ihre Reihen eine Programmatik?

Hahn: Wir haben jedes Jahr ein Motto. So gab es mal alle Choralfantasien von Reger, mal alle Bach- und Mendelssohn-Sonaten, und in diesem Jahr sind es Psalmen. Ein Werk von Bach und eine Komposition aus dem 20. oder 21. Jahrhundert muss bei uns auch immer dabei sein. So wirkt der Zyklus geschlossen.

Johannsen: Solche Vorgaben haben wir bewusst nicht mehr. Die Organisten sollen einfach die Musik spielen, mit de sie sich am besten präsentieren können. Deshalb sollen sie Werke aus ihrer Region und gerne auch eigene Werke spielen. Es muss nur zum Instrument passen, und Doppelungen soll es auch nicht geben. Bach muss nicht sein.

Hahn: Mir war Bach aber wichtig, weil man dann eine gewisse Messlatte hat.

Herr Johannsen, Sie laden nach den Orgelkonzerten immer zum Künstlertreff auf die Empore ein. Warum?

Johannsen: Das hat sich vor allem daraus ergeben, dass immer wieder Zuhörer den Organisten nach den Veranstaltungen Fragen gestellt haben. Um das etwas zu strukturieren, habe ich daraus eine Form gemacht. So führe ich jetzt ein kurzes Interview mit den Musikern, und dann dürfen sich auch die Besucher noch einbringen. Die Organisten mögen das. Sie sind oft sehr mitteilsam. Sonst üben sie ja meist sehr einsam.

Hahn: Bei uns ist das Bedürfnis nach Austausch hinterher nicht so groß. Die Empore ist nicht so hoch, dort sitzt auch Publikum, und auch von den Seitenemporen aus kann man dem Spieler gut auf die Hände schauen.

Wollen Sie eigentlich auch eine neue Orgel haben, Herr Hahn?

Hahn: Nein, ich träume nur von einem zusätzlichen kleineren Barockinstrument, das links vorne im Raum stehen könnte, irgendetwas Hochklassiges, das es im Stuttgarter Raum sonst nur in der Hochschule gibt und auf dem man alte Musik spielen kann. Das wäre für die Stadtkirche absolut zauberhaft.