Sebastian Turner (rechts) hat die OB-Wahl in Stuttgart verloren. Foto: Michele Danze

Der parteilose Sebastian Turner hat die Stuttgarter OB-Wahl glatt verloren – ist aber mit sich und seiner Kandidatur im Reinen.

Stuttgart - „Ich habe keinen Plan B“, sagt Sebastian Turner. „Ich habe Wahlkampf aus der Position des potenziellen Siegers geführt. Anders geht das überhaupt nicht.“

Das Gespräch mit Turner findet am Sonntagnachmittag statt, zwischen Wahlkampfauftritt Nummer 570 auf der Kirbe in Mühlhausen und 571 beim Kinderfest auf dem Marktplatz. Das ist sein letzter Termin. Zwei Stunden später schließen die Wahllokale.

Turner kämpft. Er will sich nicht selbst vorwerfen, beim Endspurt zu früh nachgelassen zu haben. „Es ist sehr, sehr knapp – und alles ist noch möglich“, sagt er. Das ist sein Mantra für den Sonntag. Das gebietet der Respekt vor dem Wähler. Doch der Kandidat von CDU, FDP und Freien Wählern weiß seit dem ersten Wahlgang vor zwei Wochen, dass er, seit dem Rückzug der Kandidaten von SPD und SÖS, beinahe chancenlos ist gegen den Grünen Fritz Kuhn.

Der 46-jährige Unternehmer ist trotzdem im Reinen mit sich. Unabhängig vom Resultat. „Die Entscheidung zur Kandidatur war richtig. Ich würde es wieder tun“, sagt er. Man muss gut hinhören, um die Zwischentöne der heraufziehenden Enttäuschung wahrzunehmen. „Viele Bürger haben mir gesagt, ich kenne sie gar nicht richtig“, erzählt Turner. Das sei für einen politischen Quereinsteiger bald die schwierigste Hürde. „30 Jahre politische Arbeit sind da ein klarer Vorteil“, meint er mit Blick auf den Politprofi Kuhn. Ein kluger Mann, so Turner, habe zu ihm gesagt: „Der Wähler wählt lieber einen, den er kennt und weniger mag als einen, den er mag und weniger kennt.“

Beim Reizthema S 21 „unbelastet“

War Turner der falsche Kandidat? Oder war es ein Fehler, einen Parteilosen auf den Schild zu heben? Für Turner ist die Frage müßig. Die Parteibasis hat ihn bei der ersten Direktwahl der Stuttgarter CDU mit klarer Mehrheit nominiert. Gerade ein Parteiloser, so das Kalkül des CDU-Kreisvorsitzenden Stefan Kaufmann, könne die nötigen Wählerstimmen jenseits von CDU, FDP und Freien Wählern erschließen. Außerdem sei Turner beim Reizthema S 21 „unbelastet“.

Turner war sich seiner Sache lange sicher. Kritische Fragen nach seiner fehlenden Erfahrung als Politiker oder Beamter konterte er mit dem Hinweis, dass auch Richard von Weizsäcker oder Klaus von Dohnanyi ohne Vorkenntnisse mit Erfolg in Berlin und Hamburg regiert hätten. Außerdem habe er früher ein großes Unternehmen gemanagt.

An prominenter Wahlkampfhilfe aus der CDU mangelte es ihm nicht: Bundeskanzlerin Angela Merkel setzte sich für Turner ein, Alt-OB Manfred Rommel, Ex-Ministerpräsident Erwin Teufel oder Ole von Beust, der frühere Erste Bürgermeister Hamburgs. Selbst CDU-Urgestein Gerhard Mayer-Vorfelder, der die Kandidatur erst als „Unfug“ abgetan hatte, unterzeichnete einen Wahlaufruf. In den letzten zwei Wochen hat Turner auch polarisiert: Falls Kuhn OB werde, warnte er, drohten die City-Maut und Stillstand bei S 21. Die Grünen warfen ihm vor, „systematisch“ die Unwahrheit zu sagen. „Dummes Geschwätz“, konterte Kaufmann.

„Eine Wahl hat einen Gewinner - und ich bin es nicht“

Turners Stil ist das nicht. Für ihn ist Politik nicht Glamour und nicht Krawall, sondern „harte Arbeit“. Dass seine Spröde mit den medialen Anforderungen des Politikbetriebs weithin unvereinbar ist, nimmt er zur Kenntnis. Bei Fragen nach Ehefrau Heidi Wittlinger, die im September Zwillinge zur Welt gebracht hat, wird er einsilbig. Ja, seine Frau komme heute nach Stuttgart. Alles andere sei seine Privatsache.

Am Sonntagabend um 19 Uhr ist es vorbei. Obwohl Turner 21 000 Stimmen aufholt, verliert er glatt. „Eine Wahl hat einen Gewinner – und ich bin es nicht“, sagt er im Rathaus. Er wirkt gefasst, aber angeschlagen. Stuttgart sei zurzeit „nicht der einfachste Ort“ für bürgerliche Kandidaten. Die Frage nach seiner politischen Zukunft lässt er offen. Am Nachmittag hatte er gesagt: „Falls es nicht klappt, wird für mich eine Periode des Nachdenkens beginnen.“