Über große Windkraftanlagen wird zum Teil heftig diskutiert. Foto: dpa

Ein Gutachten der Stadtwerke zeigt, dass sich die zwei Windräder wohl wirtschaftlich rechnen. Doch trotz guter Windwerte und Vorzeichen könnte das Projekt noch scheitern.

Stuttgarter Norden - Die Entscheidung naht: Ob die Stadtwerke am Tauschwald zwei Windräder bauen wollen oder nicht, wird sich nun endgültig in den nächsten Tagen zeigen. „Es sieht aber so aus, als würde sich das Projekt wirtschaftlich darstellen“, sagt Umweltbürgermeister Matthias Hahn. „Die Windhöfigkeit ist zumindest ausreichend.“ Das geht auch aus einem 60-seitigen Gutachten hervor, das der Nord-Rundschau in Auszügen vorliegt.

Die Stadtwerke hatten 2014 bei der „Anemos Gesellschaft für Umweltmeteorologie mbH“ mit Sitz im niedersächsischen Reppenstedt ein Gutachten in Auftrag gegeben hat. Dort sind auch die Ergebnisse der einjährigen Windmessung zu finden, die von den Stadtwerken noch nicht veröffentlicht wurden. Je nach Anlagentyp beläuft sich die Windgeschwindigkeit in Nabenhöhe zwischen 5,77 und 5,98 Meter pro Sekunde. Die Zahlen sind somit besser als erwartet.

Die Skeptiker könnten eines Besseren belehrt werden

Bislang diente der Windatlas des Landes Baden-Württemberg als Orientierung. Dort geht man, ohne genau gemessen zu haben, in 100 Meter Höhe von einer Geschwindigkeit zwischen 5,25 und 5,5 Meter pro Sekunde aus. Hätten sich diese Werte bestätigt, hätten die Stadtwerke das Projekt wohl längst beerdigt – zu groß war auch schon der Gegenwind der Bezirksbeiräte aus Feuerbach, Weilimdorf und Botnang, als die Stadtwerke den Kommunalpolitikern das Projekt im September 2013 vorgestellt haben. Die Mehrheit der Bezirksbeiräte war damals davon überzeugt, dass sich die Windräder wirtschaftlich nicht rechnen werden. Nun scheint es so, als könnten die Skeptiker eines Besseren belehrt werden. Mit dem von den Stadtwerken favorisierten Anlagentyp Vestas V126 wird laut Gutachten bei einer Nabenhöhe von 137 Metern von einer durchschnittlichen Windgeschwindigkeit von 5,81 Meter pro Sekunde angetrieben. Wenn die beiden Windräder ohne Einschränkungen laufen würden, wäre mit einem jährlichen Energieertrag von mehr als 16 000 Gigawattstunden zu rechnen. Doch die Zahl der Betriebsstunden wird sich wohl noch verringern und somit auch der Ertrag. Daran könnten unter anderem Fledermäuse Schuld haben. Schon im Zwischenbericht des Artenschutzgutachtens ist rund um die geplanten Windrad-Standorte von mindestens elf verschiedenen Fledermausarten die Rede – acht davon sind „als empfindlich gegenüber Kollisionen mit Windenergieanlagen einzustufen“, heißt es in dem Gutachten. In solchen Fällen hat das auch schon dazu geführt, dass die Betreiber der Anlage ihre Windräder zu gewissen Zeiten abschalten mussten. Das könnte auch im Tauschwald der Fall sein.

Zudem ist noch nicht klar, wie das Regierungspräsidium und die Stadtverwaltung mit den weiteren Ergebnissen des Artenschutzgutachtens umgehen werden. Der Wespenbussard und der Baumfalke, beides streng geschützte Vogelarten, haben im Jahr 2013 innerhalb eines Radius von 1000 Metern um die möglichen Standorte der Anlagen gebrütet. „Das ist zwar kein K.-o.-Kriterium für das Projekt, aber ein riesiges Problem. Ich weiß nicht, wie man das lösen kann“, sagte BUND-Regionalgeschäftsführer Gerhard Pfeifer im April 2014 unserer Zeitung. Vor allem der Wespenbussard, der eben nicht nur im Gebiet brüte, sondern auch sehr gerne über den Baumwipfeln jage, würde sehr schnell in den Bereich der Rotorblätter geraten.

Projekt könnte dennoch scheitern

Bürgermeister Hahn sieht das Projekt nach ersten Vorprüfungen allerdings nicht gefährdet: „Technisch und ökologisch gibt es derzeit kein Signal, das auf rot stehen würde.“ Nun warte man auf den Startschuss der Stadtwerke, die sich zum jetzigen Zeitpunkt allerdings nicht zum aktuellen Stand äußern möchten. „Wenn wir grünes Licht haben, müssen auch noch der Aufsichtsrat der Stadtwerke und der Gemeinderat zustimmen. Aber ich persönlich denke, dass wenn wir die Energiewende voranbringen wollen, es gut wäre, wenn auch auf Stuttgarter Gemarkung Windkraft genutzt werden kann – und nicht nur zugekauft wird“, sagt Hahn.

Trotz guter Windwerte und Vorzeichen könnte das Projekt dennoch scheitern. Die Wirtschaftlichkeit der beiden Anlagen ist auch davon abhängig, ob der enge Zeitplan eingehalten werden kann. Zunächst einmal müsste das rund zwölf Hektar große Gebiet am Tauschwald aus dem Landschaftsschutzgebiet herausgenommen werden. Die Entscheidung liegt bei der Stadt. „Nächsten Monat könnte das ergebnisoffene Verfahren beginnen, das sich aber auch ein Jahr hinziehen kann“, sagt Hahn. Erst nach Abschluss des Verfahrens können die Stadtwerke ein Baugesuch einreichen. Bis spätestens Ende 2017 müssen die Anlagen am Netz sein, damit die jetzt gültige Einspeisevergütung noch gewährt wird.