Die Polizei wird auf Trab gehalten Foto: dpa

Bisher kannte sie nur das Faustrecht. Nun versucht sich die Straßenbande Stuttgarter Kurden auch politisch zu legitimieren – und missbraucht dabei den Erfolg der prokurdischen Partei HDP, die eine friedliche Opposition in der Türkei betreiben will.

Ludwigsburg/Stuttgart - Die Straßenbande, die als sogenannte Stuttgarter Kurden firmiert, hat ein neues Thema für sich entdeckt: die Politik. Im Internet gibt sich die Gruppe als Unterstützerin der als gemäßigt geltenden, prokurdischen HDP. Die junge Partei erfreut sich auch hier unter Kurden großer Beliebtheit. Das zeigte am Sonntag der Auftritt von Spitzenpolitiker Selahattin Demirtas in der MHP-Arena in Ludwigsburg mit 6000 Besuchern. Darunter auch der türkischstämmige Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir (Grüne), der die Partei unterstützte. Den Erfolg versuchen nun auch die sogenannten Stuttgarter Kurden, die in Stuttgart und Region vor allem durch Gewaltdelikte von sich reden machten, für sich zu nutzen. Als angebliche Unterstützer werben sie in sozialen Netzwerken für die HDP und rufen zu Vergeltungsschlägen gegen Türken auf. Die Polizei beobachtet die zunehmende Politisierung der Bande, wegen der das Landeskriminalamt (LKA) sogar über eine Waffenverbotszone in Stuttgart nachdachte, genau. Offizielle der HDP gehen auf Distanz.

„Wir haben die aktuellen Entwicklungen im Auge“, sagt LKA-Sprecher Ulrich Heffner. Während die Gruppierung in der Vergangenheit auf ihrer Facebook-Seite noch mit Videos auffiel, in denen sie die Kutten von verfeindeten Gangs wie den United Tribuns verbrannte oder zusammengeschlagene Opfer der Rivalen im Internet bloßstellte, sind dort heute vor allem politisch aufgeladene Botschaften zu finden. Ältere Beiträge wurden mittlerweile entfernt.

Türken-Flaggen erbeutet, zerrissen und an den Bauzaun gehängt

Auf zwei Demonstration nationalistischer Türken Mitte und Ende September störten Kurden im Verband mit der Antifa die Aufmärsche, was zu 125 vorläufigen Festnahmen der Polizei führte. Auf der Internetseite der sogenannten Stuttgarter Kurden brüsteten sich diese damit, Türkei-Flaggen von den Demonstranten erbeutet, diese zerrissen und in der Stuttgarter Innenstadt an Bauzäune gehängt zu haben. 620 Personen haben unter den Fotos den „Gefällt mir“-Knopf geklickt. Am Montag haben die anonymen Seitenbetreiber nach den blutigen Auseinandersetzungen zwischen Regierungskräften und Kurden in der Türkei zu Vergeltungsschlägen aufgerufen. Auch den Auftritt von HDP-Spitzenkandidat Demirtas in Ludwigsburg haben sie beworben.

Auf Anfrage unserer Zeitung geht die hiesige HDP allerdings deutlich auf Distanz zu den Krawallmachern und Aufwieglern. Gewalt sei unter keinen Umständen ein Mittel, die politischen Ziele der HDP durchzusetzen, so ein Sprecher. Außerdem appelliere man an kurdische Jugendliche, sich nicht an gewalttätigen Gegendemonstrationen bei Veranstaltungen der türkischen Regierungspartei AKP – der politischen Gegnerin der HDP – zu beteiligen.

Nach Einschätzung der Polizei gibt es bei den sogenannten Stuttgarter Kurden starke personelle Überschneidungen zu der von Innenminister Reinhold Gall (SPD) verbotenen Red Legion. Mitglieder der Gruppierung hatten im Dezember 2012 ein Mitglied der verfeindeten Gruppe Black Jackets mit mehreren Messerstichen vor einer Shisha-Lounge in Esslingen ermordet.