Die Spieler der Stuttgarter Kickers wurden nach der 0:1-Niederlage gegen Chemnitz von Vermummten attackiert. Foto: Pressefoto Baumann

Die Stuttgarter Kickers sind nach der 0:1-Niederlage gegen Chemnitz in die Regionalliga abgestiegen. Die Entscheidung um den Klassenverbleib hätte dramatischer kaum sein können.

Stuttgart - Dieses Drehbuch hätte nicht mal Alfred Hitchcock schreiben können. Was sich am Samstagnachmittag in der dritten Liga im Allgemeinen und auf Degerloch Höhen im Besonderen abgespielt hat, sucht seinesgleichen. Der Abstiegskampf hielt die 5970 Zuschauer im Gazi-Stadion ebenso in Atem wie die Mannschaft und die Verantwortlichen. Nachdem die Gäste des Chemnitzer FC zwei Minuten vor Schluss mit 1:0 in Führung gegangen waren, standen die Stuttgarter Kickers – nach den Zwischenergebnissen auf den Plätzen der Mitkonkurrenten – als Absteiger fest. Für Sekunden, maximal ein, zwei Minuten: dann machte die Meldung vom Mainzer Ausgleich in Cottbus (2:2) die Runde - die Kickers waren wieder gerettet. Das war auch der Stand für den Präsidenten Rainer Lorz, als er von der Tribüne unten auf dem Rasen ankam. Doch als der Schlusspfiff ertönte, wurde auf anderen Plätzen noch gespielt, vor allem in Wiesbaden, wo der SV Wehen in der vierten Minute der Nachspielzeit zum 3:1 traf – das war der endgültige K.o. für die Kickers.

Die wiesen nach einer langen Saison mit 38 Spieltagen wie Bremen II 43 Punkte auf und haben auch noch die gleiche Tordifferenz (minus 14), doch Werder hat die mehr geschossenen Tore - das zählt in diesem Fall. „Das ist natürlich brutal“, sagte der Präsident nach dem ersten Schock. „Aber letztendlich sind wir nicht heute abgestiegen, sondern letzte Woche in Bremen.“

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Dort hatte die Mannschaft bei einem direkten Konkurrenten schon den ersten Matchball zum Klassenverbleib leichtfertig vergeben und 0:1 verloren – wie jetzt gegen Chemnitz. Was schon unterstreicht, dass den Kickers im Abschluss die Durchschlagskraft gefehlt hat. Auch gegen Chemnitz (das acht der letzten neun Spiele gewonnen hat), spielte sich die Mannschaft kaum Chancen heraus, stand hinten allerdings auch weitgehend sicher. Alles sprach für ein 0:0 – bis eben Anton Fink im Strafraum abzog und dessen Schuss noch leicht abgelenkt wurde. Schlussoffensive? Fehlanzeige! Stattdessen beorderte der Trainer Tomislav Stipic wild gestikulierend seine Spieler nach hinten, „weil wir davon ausgegangen sind, dass Wehen 2:1 führt und wir nicht noch das 0:2 bekommen wollten“. Das hätte den Kickers gereicht, aber es passte ins Bild, dass ausgerechnet der gehasste Lokalrivale VfB – in Form seiner bereits abgestiegenen zweiten Mannschaft – Schicksal für die Kickers spielte, indem er noch den dritten Gegentreffer in Wiesbaden kassierte und die Blauen so mit in die Regionalliga zog.

Nach einer kurzen Schockstarre auf dem Platz sorgte schließlich – Parallele zu den VfB-Profis vor einer Woche – eine Minderheit von sogenannten Fans für ein weiteren chaotischen Schlusspunkt, stürmte den Platz und attackierte Spieler wie Sandro Abruscia oder Markus Mendler. Die Mannschaft verschwand daraufhin fluchtartig in den Katakomben, während der Sportdirektor Michael Zeyer vor den Fernsehkameras sagte: „Das ist natürlich ein Scheitern - und dafür muss ich mit Verantwortung übernehmen.“ Das tat ein paar Meter weiter auch der Präsident. „Wir müssen jetzt eine Bestandausnahme machen. Im Gegensatz zum letzten Abstieg haben wir eine stabile Struktur.“ Aber weder Trainer noch Spieler (deren Verträge durch den Abstieg automatisch Makulatur geworden sind). Also sagte Lorz noch: „Wir sind Tabellen-Achtzehnter, vielleicht bekommt ein Verein ja auch keine Lizenz. Man muss jetzt alle Möglichkeiten ins Auge fassen“ Die Hoffnung stirbt zuletzt, auch in Degerloch.