Enttäuschung pur: Die Kickers-Spieler Lasse Lehmann (li.), Elia Soriano Foto: Baumann

Bisweilen wirken die Spieler der Stuttgarter Kickers beim 0:2 gegen Werder Bremen II, als hätten sie sich schon aufgegeben. Für den auf den letzen Platz abgerutschten Fußball-Drittligisten wird es schwer, ohne körperlich robuste Spieler aus dem Keller zu kommen.

Stuttgart - Draußen im B-Block flüchteten sich die Fans in Galgenhumor. Erst sangen sie vom Europapokal, dann stimmten sie Weihnachtslieder an und am Ende verabschiedeten sie eine leblose Mannschaft mit einem gellenden Pfeifkonzert in die Kabine. Drinnen in den Katakomben starrte Präsident Rainer Lorz auf den Bildschirm: Der Videotext zeigte die knallharte Wahrheit. Die Kickers stehen auf Platz 20. Nach zwei von 30 Punkten aus den vergangenen zehn Spielen sind die Blauen Letzter. Von wegen „Oh, Du Fröhliche. . .“! Der Trainerwechsel brachte bisher nicht den gewünschten Effekt. Was den Präsidenten zu der Erkenntnis gelangen lässt: „Die Verunsicherung bei den Spielern steckt deutlich tiefer als wir angenommen haben.“

Dabei sollte gegen Werder II alles besser werden. Die Bremer waren als Schlusslicht nach Degerloch gekommen. Was vor dem vorletzten Spieltag der Hinrunde eine gewisse Aussagekraft hat. Doch die Mannschaft von Trainer Alexander Nouri musste nicht mal zur Höchstform auflaufen. Mit einfachen Mitteln gelang es, die Blauen zu besiegen. Beim 0:1 (24.) verlor Innenverteidiger Marc Stein das Kopfballduell, Rechtsverteidiger Sandro Abruscia stand viel zu weit außen, und sicherte nicht ab – Bremens Melvyn Lorenzen ließ sich nicht zweimal bitten. Dem 0:2 (62.) durch Leon Guwara ging ein Einwurf der Blauen voraus.

Es fehlt an Stabilität, Organisation, Raumaufteilung

Nicht nur diese Szenen zeigten: Es fehlt an Abstimmung, an Kompaktheit, an Stabilität, an Organisation, an Raumaufteilung. Auch an Cleverness. „Nicht Werder hat wie ein U-23-Team gespielt, sondern wir“, stellte Stipic ernüchtert fest. Es rächt sich, dass keine körperlich robusten Strategen fürs defensive Mittelfeld und die Innenverteidigung verpflichtet wurden. Die Blauen werden nicht umhinkommen, dies in der Winterpause nachzuholen. „Alles ist wacklig“, räumte Stipic zwar ein, doch über Neue will er noch nicht reden. Verständlicherweise. „Die aktuellen Spieler brauchen mein Vertrauen.“

Das Bedenkliche: Die Mannschaft wirkt bisweilen, als habe sie sich schon aufgegeben. Als der Schiedsrichter eine Rote Karte gegen Bremens Jesper Verlaat und den Elfmeter für die Kickers (54.) nach Rücksprache mit dem Assistenten zurückzog, nahmen die Kickers-Spieler dies sachlich, nüchtern zur Kenntnis. Ohne Emotionen. Ein Spiegelbild für den Zustand der viel zu braven Mannschaft. Enzo Marchese beharrt zwar darauf, das Team sei nach wie vor ein „verschworener Haufen“. Doch dem Kapitän fällt wie seinen biederen Mitspielern derzeit nicht nur auf dem Feld wenig ein, worunter auch die Hierarchie stark leidet. Der sonst so selbstkritische Spielmacher flüchtet sich in Durchhalteparolen. Wie die Wende gelingen soll? „Wir müssen einfach mal ein Tor mehr schießen als der Gegner“, erklärte Marchese.

Ohne robuste Spieler wird es schwer, unten rauszukommen

Und der Trainer? Er wirkt ziemlich überrascht über den desolaten Zustand des Teams, hat aber sein Selbstvertrauen nicht verloren. „Die Situation ist eine Herausforderung, aber ich weiß, was ich kann.“ Dann bittet er um Geduld: „Die Mannschaft ist nicht über Nacht in diese Lage reingeschlittert und kommt nicht über Nacht wieder raus.“ Ob sie dies mit den aktuellen Spielertypen überhaupt schafft, ist fraglich. Was nichts daran ändert, dass Stipic auch ohne Neuzugänge vor Weihnachten noch punkten muss – in den Spielen in Chemnitz und Köln sowie daheim gegen den VfL Osnabrück.

Info: Lehmanns Debüt

Tomislav Stipic attestierte Lasse Lehmann (19) „ein ordentliches Debüt“. Der Mittelfeldspieler kam nach der Pause zu seinem ersten Drittligaeinsatz. Vor der Saison war er von der U 19 der SpVgg Unterhaching zur Oberligaelf der Kickers gewechselt. Lehmann ist der Stiefsohn von Ex-Nationaltorhüters Jens Lehmann, sein leiblicher Vater ist der frühere Profi Knut Reinhardt.

Bei Werder stand in Jesper Verlaat (19) ebenfalls ein Spieler mit prominentem Papa auf dem Feld. Frank Verlaat spielte von 1995 bis 1999 für den VfB.