Ob finanzielle oder persönliche Gründe: Viele Kirchenmitglieder erwägen einen Austritt. Doch dabei gilt es, einiges zu beachten. Foto: dpa/Symbolbild

Ob finanzielle oder persönliche Gründe: Viele Kirchenmitglieder erwägen einen Austritt. Die Google-Suche der Stuttgarter nach dem Begriff „Kirchenaustritt“ steigt im Dezember wieder an. Doch bei einem Austritt aus der Konfession gilt es, einiges zu beachten und abzuwägen.

Stuttgart - Ob steigende Steuern, die zu Kirchenaustritten führen oder Unzufriedenheit mit der Konfession: Die Evangelischen und Katholischen Kirchen in der Region Stuttgart verlieren – übrigens wie im Bundestrend – immer mehr Mitglieder. Seit 2015 gehören erstmals 50,1 Prozent der Stuttgarter weder der Evangelischen noch der Katholischen Kirche an. Dennoch ist die Mehrheit der Einwohner weiterhin christlich geprägt; sie gehören zwar keiner Konfession an, sind aber dennoch gläubig.

Spannend sind die Google-Anfragen zu dem Begriff „Kirchenaustritt“. In Stuttgart steigen diese besonders im Dezember oder Januar eines Jahres an. Auch im Sommer der vergangenen Jahre gibt es einige Suchanfrage-Spitzen auf Google, diese können aber mit einzelnen Vorkommnissen zu tun haben, wie zum Beispiel Berichte über Prozesse gegen Kirchenobere in Missbrauchsfällen. Doch auch im Standesamt in Stuttgart-Mitte ist der Trend bemerkbar: „Besonders zum Monatsende hin gibt es verstärkt Kirchenaustritte. Das hat mit dem steuerlichen Aspekt zu tun. Aber auch gegen Ende eines Jahres wird es mehr“, sagt die Leiterin des Standesamts in Stuttgart-Mitte, Verena Rathgeb-Stein.

Ein Blick auf die Zahlen des Standesamts Stuttgart-Mitte bestätigt das: Im Jahr 2015 sind im Januar 172 Menschen (82 Protestanten, 90 Römisch-Katholische) aus der Kirche ausgetreten – die höchste Zahl des Jahres. Im Dezember 2015 wird die zweithöchste Kirchenaustritts-Zahl erreicht: 156 Personen haben ihre Konfession verlassen (79 Evangelische und 75 Katholische).

Für 2016 liegen bislang die Zahlen von Januar bis November vor. Hier haben im Januar 160 ihrer Glaubensgemeinschaft den Rücken gekehrt (87 Protestanten und 71 Römisch-Katholische). Der August 2016 ist ein Ausreißer in der Auflistung: In diesem Monat sind 165 Personen aus ihrer Kirche ausgetreten (78 Evangelische und 85 Katholische).

Bleiben die Fragen, was die Vorteile einer Kirchenmitgliedschaft sind, worin die Nachteile liegen und wie ein Austritt eigentlich funktioniert.

Wie funktioniert ein Kirchenaustritt?

Wer aus der Kirche austreten will, gibt dazu eine Erklärung an entsprechender Stelle ab: Entweder beim Standesbeamten, der für den Stadtbezirk zuständig ist, indem man lebt oder beim Notar. Wichtig ist, dass ein persönliches Erscheinen beim Kirchenaustritt sein muss – es kann kein Vordruck zugeschickt werden.

Zum Notar oder Standesbeamten sollte ein gültiger Reisepass oder Personalausweis mitgebracht werden. Ein Nachweis der Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft ist nicht erforderlich. Hilfreich ist, wenn Taufdatum sowie Taufort bekannt sind.

Auch Minderjährige können aus der Kirche austreten – die Sorgeberechtigten übernehmen für Kinder unter 14 Jahren die schriftliche Erklärung beim Notar oder Standesbeamten. Jugendliche ab zwölf Jahren müssen anwesend sein und einwilligen.

Wer bereits ein Einkommen hat, sieht den finanziellen Vorteil ab dem Folgemonat der Austrittserklärung: Steuerrechtlich wird der Austritt dann wirksam.

Weitere Informationen zum Kirchenaustritt in Stuttgart gibt es auf der Homepage der Stadt.

Was kostet ein Kirchenaustritt?

Die Kosten eines Kirchenaustritts variieren von Stadt zu Stadt. In Stuttgart kostet die Gebühr beim Standesamt derzeit für Erwerbstätige 42 Euro, ermäßigt 25 Euro (für Menschen ohne Einkommen). Schüler, Studenten, Rentner mit geringem Einkommen zahlen 16 Euro unter Vorlage von Nachweisen wie Schulbescheinigung, Rentnerausweis oder Immatrikulationsbescheinigung.

Was sind die Vorteile, einer Konfession anzugehören?

Wer sich kirchlich taufen, trauen oder beerdigen lassen will, kann dies, wenn er Mitglied einer Konfession ist, erhalten und dazu gibt es eine kirchliche Zeremonie wie zum Beispiel eine Trauerrede bei einer Beerdigung. Dennoch werden alle Personen, ob mit oder ohne Konfession auf einem Friedhof beerdigt. Denn es gibt Friedhöfe, die von Gemeinden unterhalten werden. Falls Angehörige die Kosten übernehmen, wird auch ein Pfarrer die Trauerrede für einen verstorbenen Menschen halten, der zuvor aus der Kirche ausgetreten ist.

Finanziell kann die Kirchensteuer als Sonderausgabe vom zu versteuernden Einkommen abgezogen werden. Jeder kann für das gesamte Jahr den Sonderausgabenpauschbetrag von 36 Euro (Ehepaare 72 Euro) abrechnen. Die Kirchensteuer kann jedoch in voller Höhe als Sonderausgabe geltend gemacht werden. So verringert sich das zu versteuernde Einkommen und auch die Einkommensteuer.

Was sind die Nachteile beim Kirchenaustritt?

Wenn Protestanten aus der Evangelischen Kirche austreten, ist ein Eintritt wieder möglich. Bei der Katholischen Kirche ist ein Eintritt ebenfalls wieder möglich, aber mit Einschränkungen: Sakramente der Buße, Eucharistie, Firmung und Krankensalbung dürfen für Ausgetretene nicht mehr empfangen werden – außer wenn die Person in Todesgefahr schwebt. Tauf- oder Firmpate dürfen ausgetretene Katholiken ebenfalls nicht mehr werden.

Auch Protestanten verlieren bei einem Kirchenaustritt die Möglichkeit, sich taufen oder vermählen zu lassen. Ein kirchliches Begräbnis steht jedoch im Ermessen des zuständigen evangelischen Pfarrers. Vom Abendmahl sind ausgetretene Protestanten nicht ausgeschlossen – dazu sind alle Getauften eingeladen.

Falls Kinder aus einer Beziehung, in der beide Elternteile aus der Kirche ausgetreten sind, die Taufe oder Kommunion erhalten sollen, müssen die Eltern sozusagen Stellvertreter wie Taufpaten finden, die das Kind in die Gemeinschaft der Kirche begleitet.

Falls eine Person, die in einer kirchlichen Institution angestellt ist, aus der Kirche austreten will, kann das berufliche Konsequenzen haben. Der Arbeitgeber kann eine Kündigung aussprechen. Auch wenn die Kirche entsprechende Institutionen unterhält, in denen eine Person arbeitet, die aus der Kirche austreten will, gilt es vorab die Enscheidung zu überdenken.

Fianziell spart man sich nach einem Austritt die Kirchensteuer. Diese kann je nach Einkommen mehrere Hundert Euro pro Jahr betragen. Bei einem Austritt verzichtet man jedoch auf den Vorteil, die Kirchensteuer als Sonderausgabe vom zu versteuernden Einkommen abziehen zu können.

Was ist, wenn wieder ein Eintritt in die Kirche gewünscht ist?

Der Wiedereintritt in eine Kirche oder Religionsgemeinschaft ist möglich. Dafür sollte beim zuständigen Pfarramt des Wohnorts eine Erklärung abgegeben werden. Falls eine Vorlage der Kirchenaustrittsurkunde gewünscht ist, diese aber zum Beispiel verloren gegangen ist, gibt es beim Standesamt in Stuttgart-Mitte zum Beispiel für zwölf Euro eine Kopie. Der Pfarrer oder Priester der zuständigen Gemeinde entscheidet dann über die Art und Weise wie ein Wiedereintritt in die Kirche vonstatten geht. In manchen Fällen zum Beispiel ist ein Glaubenskurs gefordert.