Für Ricky Staiger zählen Wurfbuden zu den Klassikern auf den Jahrmärkten Foto: Gottfried Stoppel

Sie stehen oft im Schatten der publikumsträchtigen Riesenräder, Bungee-Kugeln und Katapulte. Doch auch die kleinen Geschäfte beim Stuttgarter Frühlingsfest auf dem Cannstatter Wasen haben ihre Kundschaft – wie die Wurftheke von Ricky Staiger.

Stuttgart - Ein Luftballon und ein spitzer Gegenstand – diese Kombination dürfte in den meisten Menschen den heimlichen Wunsch wecken, den elastischen Hohlkörper mit einem gezielten Pieksen zum Platzen zu bringen. Dank dieses Urinstinkts erfreuen sich Wurfbuden wie „Der Knaller“ von Ricky Staiger seit Jahrzehnten ungebrochener Beliebtheit. Derzeit steht dessen Wurfstand auf dem Cannstatter Frühlingsfest.

Das erste, was an „Staigers Pfeilwerfen“ auffällt, ist die Ruhe am Stand. Natürlich dringen die dumpfen Bässe der umliegenden Anlagen aus dem Hintergrund ans Ohr. An der Wurftheke selbst allerdings läuft keine Musik. „Mir ist es wichtig, dass ich mich mit den Kunden unterhalten kann“, erklärt Inhaber Ricky Staiger (45). „Ringsum gibt es genug Bumm-Bumm, da muss ich die Leute hier nicht auch noch beschallen.“ Zudem hört man so die Treffer besser. Schließlich ist sein Jahrmarktsgeschäft eine von fünf Buden, an denen man echte Knalleffekte erzielen kann, sofern man die richtige Wurftechnik mitbringt.

180 farbenfrohe Zielobjekte hängen an der Wand. Allesamt handverknotet von Rickys Frau Michaela, die in die Schaustellerfamilie eingeheiratet hat. Beim Aufpusten hilft die Technik. Als Hauptgewinn winkt dem glücklichsten und ehrgeizigsten Besucher ein großes Piratenwalross aus Plüsch. Für weniger Anspruchsvolle gibt es allerhand nette Kleinigkeiten. Die sucht der Schausteller selbst im Großhandel aus. Das Angebot an möglichen Gewinnen ist ebenso wie die Gestaltung der Vorderfront ein Teil des eigenen Profils, das einen Wurfstand vom anderen unterscheidet.

Die Staigers sind seit drei Generationen auf Märkten unterwegs. Nicht immer drehten sich die Angebote um bunte Dartpfeile und berstenden Kunststoff. Unter anderem zog man in der Vergangenheit mit einem Imbiss durch die Lande. Seit seinem 18. Lebensjahr ist Ricky Staiger selbst im süddeutschen Raum präsent: Bis zu 20 Veranstaltungen besucht er jedes Jahr. „Ich habe es schon als Kind genossen, viel herumzukommen und unterschiedliche Menschen kennen zu lernen“, erinnert er sich. „Sonderlich viel mithelfen musste ich nie. Ich konnte mein Leben genießen und es war für mich keine Frage, dass ich die gleiche berufliche Laufbahn einschlagen werde. Wenn man immer wieder auf den gleichen Festen zu Gast ist, entwickeln sich über die Jahre auch regelrechte Freundschaften.“ Auf dem Frühlingsfest ist Staiger nun zum elften Mal. Es gebe Stammkunden, die vorbeikommen, um einfach nur Hallo zu sagen, freut er sich. Als angenehm schildert er auch das Verhältnis zu den Kollegen: Konkurrenz sei kein Thema. Im Gegenteil: Man helfe sich gegenseitig, wenn Not am Mann sei.

Höher, schneller, weiter – die Jagd nach Rekorden und Sensationen, die einige Fahrgeschäfte auszeichnet, interessiert Ricky Staiger nicht: „Wurfbuden zählen zu den Klassikern auf den Jahrmärkten“, zeigt er sich selbstbewusst. „Sie waren schon vor 50, 60 Jahren da und sie werden in 50, 60 Jahren immer noch da sein.“ Ein Teil der Kundschaft wächst nach, ein anderer bleibt erhalten: Kinder freuen sich, wenn es nach einem satten Treffer knallt. Jugendliche messen sich am Ballonstand ähnlich wie an der Dartscheibe, und Väter schwelgen in Erinnerungen, wenn die Metallspitze wie einst auf magische Weise vom Ziel abprallt. Groß ist Staigers Wurfbude nicht. Im Gesamtkontext wirkt sie fast bescheiden. Auf ihre Art aber ist sie ein echter Volltreffer.