Der Fotograf Peter Franck vor seinem Atelier im Stuttgarter Westen. Er nennt es den „eigenartigsten Laden der Stadt“. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Den „eigenartigsten Laden der Stadt“ nennt der Fotograf Peter Franck sein Atelier im Stuttgarter Westen. Von hier aus hat es der Stuttgarter Bildkünstler bei den renommierten World Sony Photography Awards auf Platz drei der Kategorie Landschaft geschafft.

Stuttgart - Auf der Rotebühlstraße im Stuttgarter Westen, direkt vor dem kleinen Laden neben der Rosenau, wird gerade ein falsch geparktes Auto abgeschleppt. Immer wieder bleiben Leute kurz stehen, schauen, rätseln, gehen weiter. Falschparker sind hier kein großes Ereignis, davon gibt es zu viele. Kleine Läden sind eigentlich auch keine Seltenheit – aber an diesem hier ist etwas anders: Im Schaufenster sitzt ein Mann.

Vor fast fünf Jahren hat sich Peter Franck, Jahrgang 64, seinen neuen Arbeitsplatz an der vielbefahrenen Straße in der Nähe des Feuersees eingerichtet. „Glücklichundschön“ steht in Großbuchstaben über dem kleinen Atelier, in dem er seitdem seine Tage verbringt, Vernissagen für befreundete Künstler veranstaltet und die eigenen Bilder am Computer bearbeitet. Auf dem Boden stapeln sich Kartons und Plastiktüten, dazwischen liegen ein paar Kataloge. „Bald ist hier wieder Klarschiff“, sagt Franck und streicht sich die grau-braunen, vom Waschen noch feuchten Haare hinters Ohr, „aber so ist das eben, wenn eine Ausstellung abgebaut wird.“ Bis zum vergangenen Wochenende hatte er im Kunstbezirk Stuttgart gemeinsam mit der Künstlerin Julia Wenz ein Projekt zum Fotogiganten Kodak ausgestellt.

Wie Natur zu Landschaft wird

Ein paar Tage sind Francks Werke dagegen noch im Somerset House in London zu sehen, das derzeit die Gewinner der Sony World Photography Awards 2017 präsentiert. Zum zehnten Jubiläum des Wettbewerbs waren in diesem Jahr mehr als 227 000 Fotos aus insgesamt 183 Ländern eingereicht worden, Peter Franck belegte mit einer Schwarz-Weiß-Serie über das Meer den dritten Platz in der Kategorie Landschaft. Die aufwendig bearbeiteten Archiv-Bilder zeigen Meeresansichten, deren Ruhe durch verschiedene Elemente gebrochen wird: mal von einem passagierlosen Schiff, das plötzlich auftaucht, mal von leuchtenden Lichtreflexen. Personen sind in diesen Bildern kaum zu sehen, und doch spielt die menschliche Existenz eine zentrale Rolle: „Die Natur war schon immer da“, sagt Franck und macht mit seinen Händen eine ausladende Bewegung, „aber erst wenn der Mensch seinen Blick auf sie richtet, macht er sie zu etwas anderem.“ Unter der schwarz gerahmten Ray-Ban-Brille beginnen Francks Augen zu leuchten: „Dann wird aus der Natur eine Landschaft. Wumm!“

In den Lärm, der von der Straße in in das kleine Atelier dringt, mischt sich das Klingeln eines Telefons. Franck schwingt die braunen Lederstiefel von der Fensterbank und geht in ein winziges Hinterzimmer. Für die lange Nacht der Museen Ende März war dieses etwa zwei Quadratmeter große Kabuff zur „kleinsten Disco der Welt“ umfunktioniert worden, die Überbleibsel sind noch zu sehen. Discokugeln, bunte Federn und ein kopfloser Kaktus: „Den hat im Suff jemand abgebissen“, erzählt Franck und lacht, „Hier war was los!“

Franck will, dass man seinene Fotos die Arbeit ansieht

Die Romantik der Schwarz-Weiß-Serie über das Meer sei für ihn ungewöhnlich, erzählt er dann. „Das ist ein Bruch in meiner Arbeit. Aber wahrscheinlich sieht man da wieder, wo ich herkomme.“ In Nürnberg und Stuttgart studierte der gebürtige Bodensee-Schwabe Malerei und Freie Grafik, erst durch seinen Bruder kam er schließlich zur Fotografie. 1995 eröffnete er sein erstes Atelier in Stuttgart und blieb der Stadt trotz unzähliger Ausstellungen auf der ganzen Welt treu. 2010 gewann Franck zum ersten Mal den Sony World Photography Award, ebenfalls in der Kategorie Landscape, damals auf Platz eins. „Das wurde in Cannes aufgezogen wie die Oscar-Verleihung. Da rutscht einem dann schon kurz das Herz in die Hose!“

Seitdem haben sich die Sony Awards in den jährlichen Rhythmus des Fotokünstlers eingefügt, die Reihe der Auszeichnungen für seine Arbeiten ist lang. Oft wird in seinen Serien die Fotografie durch Elemente der Malerei oder Montagen am Computer aufgebrochen. Wichtig ist ihm dabei vor allem eines: „Ich will die Sachen nicht so hinrotzen. Man soll meiner Arbeit die Arbeit ansehen. Da bin ich vielleicht ein bisschen spießig.“ Mit Humorlosigkeit hat diese Haltung indes wenig zu tun. „Man darf sich als Künstler nicht immer so wahnsinnig ernst nehmen. So ein Getue kann ich nicht leiden!“

Momentan arbeitet Franck fast nur noch mit Archiv-Bildern, eigene Fotos schießt er kaum noch. Es scheint sich um eine Art kreativer Pause zu handeln. „Aber vielleicht gibt es ja bald diese winzigen Kameras, die man in eine Kontaktlinse einbauen kann.“ Demonstrativ klackert er mit den Augen. „Dann wäre das der Auslöser für ein Foto. Cool, oder?“