Arbeiten in luftiger Höhe und Aufzugfahren in beachtenswertem Korb Foto: SWR

Noch fünfmal schlafen, dann wird der Stuttgarter Fernsehturm wieder geöffnet. Wenige Tage vor seinem 60. Geburtstag ist der Betonspargel brandschutztechnisch auf dem neuesten Stand. Das heutige Wahrzeichen Stuttgarts war vor dem Bau höchst umstritten.

Stuttgart - Dass sich der Turm bauen lässt, bezweifelt 1954 kaum jemand. Doch was kostet das von Bauingenieur Fritz Leonhardt und Architekt Erwin Heinle entworfene neuartige Bauwerk? Skeptiker befürchten ein finanzielles Debakel. Der Bauherr, der damalige Süddeutsche Rundfunk (SDR), hat die fast visionäre Idee, den Fernsehturm zu vermarkten, ihm gegen Geld den Mercedes-Stern auf die Spitze zu setzen. Die Firma Daimler-Benz glaubt nicht an die Werbetauglichkeit des Turms und lehnt ab. Eine Leuchtreklame ist laut dem SDR-Archivar Edgar Lesch später AEG und Bosch keine 40 000 Mark wert. In der Bevölkerung scheiden sich die Geister an der eigenartigen Röhre. „Narrenstück“ und „Schandmal“ nennen Kritiker den Turm. Die Stadtoberen schwanken ob der Kosten. Arnulf Klett, damals Oberbürgermeister, und der Gemeinderat würden den SDR finanziell unterstützen, aber zu unannehmbaren Bedingung. Also lädt der SDR am 10. Juni 1954 als alleiniger Bauherr zum Spatenstich. Eröffnung ist am 5. Februar 1956.

Die Skeptiker werden eines Besseren belehrt. Statt der kalkulierten 1,2 Millionen kostet der Turm zwar 4,2 Millionen Mark, doch die Menschen stürmen die Kanzel. Gehofft hat der SDR auf 300 000 Besucher pro Jahr. 1956 kommen 876 809, 1957 sogar 930 549. Bis 1965 sind es nie weniger 650 000 pro Jahr. Zehn Jahre nach seiner Fertigstellung ist der Turm praktisch bezahlt.

Königlicher Glanz in 150 Metern Höhe

Der Betonspargel auf dem Hohen Bopser taugt auch als Kulisse für Staatsgäste. Bis heute unerreichter gesellschaftlicher Höhepunkt: der Besuch von Königin Elizabeth II. von England am 24. Mai 1965. Innerhalb von 44 Sekunden saust die Queen im Aufzug zur Plattform in 150 Meter Höhe.

Der Fernsehturm wird Stuttgarter Wahrzeichen, Logo im Vorspann der SDR-Landesschau und Bühne für Fallschirmspringer, Hochseilartisten, Künstler. Nach der Fusion des SDR und des Südwestfunks zum Südwestrundfunk (SWR) verliert der Turm seinen Status als Markenzeichen des neuen Senders. 2005 saniert der SWR den Fernsehturm umfassend für 3,5 Millionen Euro. Der Brandschutz bleibt dabei weitgehend außen vor. Bei einer weiteren Sanierung 2011 lag der Fokus dann auf dem Brandschutz. Offenbar nicht ausreichend – weshalb Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) den Fernsehturm am 28. März 2013 schließt.

Der erste Fernsehturm seiner Art ist bis heute der schönste

Schon Jahre davor bereitet der Turm dem Sender offenkundig Probleme. Der Besucherstrom ebbt ab auf teils nur 300 000 Gäste pro Jahr. Für die Etage unterhalb des Panoramacafés ist nach dem Auszug eines Sterne-Restaurants lange keine dauerhafte Nutzung in Sicht, bis dort ein Ableger des Alten Schauspielhauses einzieht.

Geblieben ist die Einzigartigkeit. Der Stuttgarter Fernsehturm ist der erste seiner Art, gilt als der schönste – und erlebt jetzt womöglich eine Renaissance.