Der Stuttgarter Fernsehturm bleibt bis Jahresende geschlossen Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Der Brandschutz im Innern des Stuttgarter Wahrzeichens muss besser werden. Das erfordert neue Techniken und zwingt zu Maßarbeit – manchmal sogar von angeseilten Arbeitern. Das frisst auch Zeit. Besucher dürfen erst im Dezember wieder rauf. Sie können aber von Juni an unten im Lokal essen.

Stuttgart - Es gibt Jahrestage, auf die ist niemand scharf. Der Stuttgarter Fernsehturm ist jetzt auch schon zwei Jahre gesperrt. Kein Grund zum Feiern, aber zum Reden. Siegfried Dannwolf, Chef der SWR Media Services GmbH, kündigte aus diesem Anlass am Montag an, der Fernsehturm öffne erst im Dezember wieder, also in fast neun Monaten. Genaue Termine hatte Dannwolf zwar im Februar 2014 nicht genannt, als OB Fritz Kuhn (Grüne) und Intendant Peter Boudgoust vom Südwestrundfunk (SWR) verkündeten: Das Wahrzeichen Stuttgarts und das SWR-Markenzeichen solle mit verbessertem Brandschutz wieder geöffnet werden. Damals peilte man jedoch den Spätsommer 2015 an, später den Herbst. Jetzt dauere es etwa zwei Monate länger, behauptete Dannwolf. Für die Gastronomie zu Füßen des Turms stellte er zugleich den neuen Pächter vor: Fabian Baur, der aus Ellwangen/Jagst stammt und in Stuttgart schon Betreiber der Alten Kanzlei am Schlossplatz ist.

Der Stand der Dinge im Turm

Im Schaft des Turms wird seit Februar gearbeitet. Ein Bündel von eher konventionellen Stromleitungen und drei oberarmdicke Hochfrequenzkabel müssen eingehaust, teilweise mit nicht brennbarem Material umgeben und so präpariert werden, dass sich im Fall des Falles kein Feuer und auch kein Schwelbrand im Schaft ausbreiten können – dass das Innere nicht verqualmt wird und dass Menschen im Turm nicht zu Tode kommen. Weil sich der Durchmesser des Schaftinneren von rund zehn bis auf etwa fünf Meter verengt, sei praktisch jeder laufende Meter der Einbauten eine Maßanfertigung. Ein Gerüst einzubauen hatte sich als nicht praktikabel erwiesen. Die Arbeiter sind auf den Treppen tätig, auf den Fahrstühlen oder manchmal frei hängend, indem sie fast wie Bergsteiger angeseilt sind.

Der Kern der Operation ist es, die bisher neben den Aufzügen offen im Schaft nach obenden führenden Kabelstränge ungefährlich zu machen. Dass sie zu einer großen, gefährlichen Brandlast werden könnten, wenn im Schaft ein Feuer ausbricht, hatte die Turmsperrung ja ausgelöst. Jetzt geht es darum, die Aufzüge und die Treppenanlage im Schaft als Rettungsweg sicher zu machen. Dazu müssen die Kabel in eigenen Schächten verschwinden. Darin werden manche mit unbrennbaren Materialien umgeben, die die Ausbreitung eines Brandes entlang der Kabel verhindern. Die Hochfrequenzkabel, die heiß werden können, werden bei den Arbeiten ersetzt, danach eingehaust und belüftet.

Das unbrennbare Material wird mittels einer Pumpe unter hohem Druck in den Schacht mit den konventionellen Kabeln „eingeblasen“ und verdichtet. Bei Höhen bis zu 100 Meter wird das andernorts seit etwa sechs Jahren praktiziert. Hier aber geht es um 140 Meter zwischen dem Boden und dem Turmkorb. Das ist eine der Herausforderungen bei diesem Vorhaben. Und mit der Art der Sicherung von Kabeln werden neue Standards gesetzt für ähnliche Problemstellungen in anderen Bauwerken. So werden bei den Hochfrequenzkabeln alle drei Meter Abschottungen wie horizontale Riegel angebracht, die das Hochsteigen von Flammen und Schwelbränden stoppen sollen. Die Gewichte der Einbauten und der Kabel selbst müssen horizontal ins Tragwerk abgeleitet werden. Hier fänden einige „Welturaufführungen“ statt, lautet daher Dannwolfs Fazit. In dieser Form, sagt auch der Brandschutzexperte und Turmgutachter Udo Kirchner, seien solche Maßnahmen noch nirgendwo umgesetzt worden. Den Turm, den Fritz Leonhardt entwarf, schätzt er inzwischen noch mehr als früher. Der Turm sei damals „sehr genial gebaut“ worden. Und Kirchner kennt viele Türme!

Der lange Vorlauf

Bis die Arbeiten begannen, waren rund 22 Monate ins Land gegangen, seit OB Kuhn den Turm wegen mangelnder Sicherheit der Besucher im Brandfall geschlossen hatte. Zunächst gab es Krisensitzungen und Besprechungen von städtischen Mitarbeitern, externen Experten und SWR. Dann erstellte die Firma Halfkann und Kirchner ein umfangreiches Gutachten, simulierte am Computer Brände und im Turm viel Rauch. Im Februar verkündeten Stadt und SWR das Maßnahmenpaket, auf das sie sich geeinigt hatten, um den Turm wieder für Besucher zu öffnen. Im September 2014 erhielt der SWR die Baugenehmigung. Danach schrieb er die Arbeiten aus. Ende 2014 und Anfang 2015 vergab er die Aufträge. Schließlich wurde der Terminplan verfeinert.

Gastronomie macht Anfang

„Wir brennen darauf, den Fernsehturm wiederzueröffnen“, sagte Dannwolf als Betreiber des gesperrten Bauwerks, das dem SWR gehört, aber auf städtischem Boden steht. Vor Dezember werden aber nur Teile der Gastronomie öffnen können. Die Gaststätte am Boden soll im Juni wieder aufmachen. Mit Fabian Baur hat Dannwolf nach einer Ausschreibung einen Pachtvertrag abgeschlossen. Baurs Konzept „hat uns beeindruckt“, sagte Dannwolf.

Der neue Pächter will beim „baden-württembergischen Wahrzeichen“ nicht nur, aber doch vorwiegend „ authentisch schwäbische Küche“ bieten. Beispielsweise Hitzkuchen und Kachelgerichte aus dem Backofen wie lange Nudeln und Flädle. Auch bei den Getränken setzt er auf regionale Produkte. Die Gaststätte ist ihm im Moment noch „zu kühl“. Ihr will Baur „ein bisschen mehr Wärme“ verschaffen. Der Biergarten wird bei ihm nicht Biergarten heißen, weil das nicht schwäbisch sei, sondern „Gartenwirtschaft“. Dass Turmbesucher vorerst fehlen, ficht Baur nicht an. Der Turm locke ja nicht nur Touristen an. Er stehe in einem Naherholungsgebiet. Das Café im Turmkorb wird Baur von Dezember an auch betreiben und anbieten, was dort oben halt möglich sei. Denn da dürfe man nicht kochen. Zumindest nicht mit offener Flamme, präzisierte Gutachter Kirchner.

Die Versprechen

Im Dezember werde man einen „perfekt geschützten Turm“ haben, sagte Dannwolf. Er kündigte auch ein ganzheitliches Konzept mit neuen Serviceangeboten an. Der Eingangsbereich mit Kasse und Shop werde erneuert. Die Eintrittspreise sollen flexibel gestaffelt werden.

Den beeindrucken Blick von oben könnten auch künftig noch Behinderte genießen, versprach Kirchner. Im Brandfall würden Rollstuhlfahrer über den künftig besser vor Rauch geschützten Aufzugsschacht „als Erste evakuiert“. Wenn die Aufzüge für die Evakuierung von Besuchern nicht ausreichen, sollen diese auch über Treppe nach unten. Dazu würden am Turmkorb in Gruppen zu je 14 Personen im Ein-Minuten-Abstand starten. In elf Minuten könnten Gruppen evakuiert sein, sagte Kirchner. Mit den elf Minuten sei man auf der sicheren Seite, zumal es Brandlasten im Schaft jetzt nicht mehr gebe. Wie schon 1954 genehmigt, sollen auch künftig bis zu 320 Besucher in den Turm dürfen. Das reduziert sich aber, wenn Rollstuhlfahrer da sind.

Als wieder mal eine Rettung von Besuchern per Helikopter von der Aussichtsplattform zur Sprache kam, lächelte Kirchner: „Das ist eher was für James-Bond-Filme, nicht für den SWR.“ Bei dauerhaften Windgeschwindigkeiten zwischen fünf und zehn Metern pro Sekunde wäre das an 60 Prozent der Tage im Jahr sowieso unmöglich.