Ein gewohntes Bild: Im morgendlichen Berufsverkehr fahren Autos und eine Stadtbahn auf der Heilbronner Straße nebeneinander her Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Der Regen hat auch sein Gutes. Bis auf Weiteres sind keine zwei zusammenhängenden Tage ohne Regenschauer vorhergesagt – daher fällt die Premiere des Feinstaubalarms in Stuttgart vermutlich erst mal ins Wasser. Von 11. Januar an ist Stuttgart grundsätzlich in Alarmbereitschaft.

Stuttgart - Von kommendem Montag an müssen die Autofahrer immer damit rechnen, dass sie zum Daheimbleiben, zum Radfahren, zum Fußmarsch oder zum Umsteigen auf Elektromobile, Busse und Bahnen aufgefordert werden. Und Hausbewohner mit Komfort-Kaminöfen könnten angehalten werden, das Feuer aus zu lassen. Das alles wegen Feinstaubalarms.

Damit wollen die Landesregierung und die Stadt Stuttgart vom 11. Januar an überhöhte Luftschadstoffwerte senken, wenn die aktuelle Wetterlage die Überschreitung der Feinstaubgrenzwerte und erhöhte Gesundheitsgefahren erwarten lässt. Das ist die grundsätzliche Lage. Die erste Auslösung des Alarms dürfte allerdings noch einige Tage, wenn nicht sogar eine Woche auf sich warten lassen. „Im Moment sieht es jedenfalls nicht so aus, als ob am 11. Januar Alarm ausgelöst würde“, bestätigte das städtische Amt für Umweltschutz.

Derzeit sei nicht erkennbar, dass eine austauscharme Wetterlage heraufzöge. Außerdem ist mit Niederschlägen zu rechnen, die den Feinstaub zumindest zeitweise auswaschen und die Gefahr der Aufwirbelung verringern. Gerade die Faktoren Inversionswetter – wenn oben wärmere Luftmassen das Abströmen von kalter Luft und Schadstoffen am Boden behindern – sowie Windarmut und Windrichtung sind entscheidend.

Land stellt 1,5 Millionen Euro bereit

Ob die eher entspannte Lage auch noch am Mittwoch oder Donnerstag kommender Woche anhalten wird, könne keiner sagen. Das wäre reine Spekulation, heißt es im Umweltamt. Stuttgart sei „in Feinstaub-Alarmbereitschaft“, warnte die Stadtverwaltung.

Landesverkehrsminister Winfried Hermann und Stuttgarts OB Fritz Kuhn (beide Grüne) nutzen die Atempause für weitere Vorbereitungen auf den Ernstfall. Am Montag will der Minister einen Förderbescheid überbringen, der 1,5 Millionen Euro wert ist. Damit soll die Stadt zusätzliche dynamische Anzeigetafeln an wichtigen Ein- und Ausfallstraßen bezahlen. Die sogenannten Variotafeln können für vielerlei Anzeigen genutzt werden, unter anderem auch für die Ankündigung des Feinstaubalarms.

Die Stadt wird die Auslösung des Alarms im Ernstfall nämlich mit etwas Vorlauf bekanntmachen: wenn mindestens zwei Tage stark austauscharmes Wetter herrscht und dies laut aktueller Prognose mindestens noch zwei Tage dauern dürfte. Dann nimmt die Feinstaubkonzentration erfahrungsgemäß zu. Die Europäische Union will aber nur 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft zulassen und nur an 35 Tagen pro Jahr nachsichtig sein.

Neue Anzeigetafeln geplant

Der Feinstaubalarm endet wieder, wenn an mindestens zwei Tagen ein Luftaustausch zu erwarten ist, der die Einhaltung der Grenzwerte ermöglicht.

Zwölf Anzeigetafeln gibt es an großen Straßen wie der Cannstatter Straße (B 14) oder an der B 27 bei Degerloch und Zuffenhausen schon jetzt. Bis zu 14 sollen noch gekauft und installiert werden. Die Autofahrer werden im Bedarfsfall aber auch auf vielen anderen Wegen aufgefordert werden, die Fahrt in Stuttgart oder nach Stuttgart zu unterlassen: via Twitter und Facebook, über andere internetgestützte Kanäle, via Rundfunk und Tageszeitungen. Dafür ist, wenn der Alarm ausgelöst wird, der Stadtsprecher Andreas Scharf zuständig. Außerdem kann man im Internet unter www.feinstaubalarm.stuttgart.de nachschauen, ob bald der Alarm droht. Die Botschaft davon soll möglichst in der ganzen Metropolregion verbreitet werden, damit die Autofahrer schon in Tübingen, Reutlingen, Pforzheim, Heilbronn oder Schwäbisch Gmünd gebremst werden.

Vorerst keine Strafen

Die Blechlawine in Stuttgart, die Luftschadstoffe hinterlässt, ist an normalen Tagen nämlich lang. Jeden Tag fahren etwa 830 000 Kraftfahrzeuge an der Stadtgrenze stadteinwärts oder stadtauswärts.

Wer den Appell nicht befolgt, wird vorerst aber nicht bestraft. Erst Anfang 2018 soll der Alarm nach dem Willen von Land und Stadt verbindlich sein, wenn die Feinstaubgrenzwerte mit Freiwilligkeitsaktionen nicht zuverlässig einzuhalten sind. Dann stehen Maßnahmen wie in Paris und Mailand zur Debatte, wo an kritischen Tagen nur die Hälfte aller Fahrzeuge ins Stadtzentrum gelassen wird, getrennt nach Wagen mit gerader oder ungerader Zahl im Kennzeichen. Oder Maßnahmen wie in Rom, wo jüngst der Verkehr an mehreren Tagen ausgeschlossen wurde. Die Planspiele in Stuttgart sehen vor, dass höchstens Elektrofahrzeuge, Wagen mit bester Abgasreinigung und Fahrgemeinschaften ausgenommen sind. Der Alarm, wie er ab 11. Januar zu erwarten ist, wäre dann nur die Vorstufe.

OB Kuhn ruft zum Mitmachen auf

Manche halten ihn schon jetzt für begrenzt wirksam. Auch der Deutsche Wetterdienst merkte an, dass es eine direkte Abhängigkeit zwischen Wetterlage und Feinstaubbelastung nicht gebe. Die Feinstaubgrenzwerte könnten auch überschritten werden, wenn die Wetterlage unverdächtig und kein Alarm ausgelöst sei.

OB Kuhn warb am Freitag erneut um die Mitmachbereitschaft aller Autofahrer in der Metropolregion. Sie hätten es selbst in der Hand mitzuhelfen, dass verbindlichere Maßnahmen überflüssig bleiben.