Hans Peter Kuban hütet im Hochbunker historische Turmuhren Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Turmuhren haben eine lange Geschichte, ihre Größe variiert enorm. Die Turmuhr der Veitskapelle in Mühlhausen zum Beispiel ist der Goliat unter den tickenden Zeit-Zeugen. Hans Peter Kuban ist Hüter einer Turmuhrenausstellung im Hochbunker Steinhaldenfeld.

Stuttgart - Seine erste funktionierende Turmuhr hat Hans Peter Kuban einem Glücksfall zu verdanken. 1980 erfuhr er, dass die Stephanskirche in Holzmaden abgerissen werden soll, und sicherte sich flugs deren Uhr. „Das Uhrwerk hatte 30 Zahnräder und war in seine Einzelteile zerlegt“, erzählt Kuban. Damals gab es noch keine Literatur darüber. Das Glück führte den Kaufmann zu dem Uhrmacher Hans Kuhn aus Martinszell. Kuhn arbeitete für die renommierte Ulmer Turmuhrenfabrik Hörz und fertigte in seinem Leben mehr als 600 Turmuhren. Er zeigte Hans Peter Kuban, wie mechanische Turmuhren funktionieren und wie man sie repariert. Kuban war fasziniert. Sein Leben lang wollte er einen technischen Beruf lernen, aber der Vater hat es nicht erlaubt. „Dann, mit dieser ersten Uhr, war die Herausforderung da.“

Im Steinhaldenfelder Hochbunker betreibt Kuban seitdem das Turmuhrenmagazin. Rund 40 schwere, mechanische Uhrwerke hat er zusammengetragen. Er hat sie aus Kirchen gerettet, aus Rathäusern, Schulen und sogar Privathäusern. Schlendert man durch das Turmuhrenmagazin, klickt, klopft und surrt es auf allen Stockwerken, zur vollen Stunde läutet es. Kubans Vorliebe sind Turmuhren aus Deutschland, die nach 1800 gebaut wurden. Die älteste Uhr ist gerade mal so groß wie eine Schreibmaschine und stammt aus dem Jahr 1680. „Sie zu bauen hat damals ein Jahr gedauert“, sagt Kuban. „So lange, wie ein Haus zu bauen.“

Die Geschichte von Hans Peter Kuban und seinen Turmuhren ist geprägt von vielen Glücksfällen – und von vielen Kämpfen, die der 75-Jährige ausfechten musste. „Es ist heutzutage sehr schwierig, eine solche Uhr zu bekommen.“ Oft glaubten die Leute, eine kaputte Uhr sei nichts mehr wert. Einmal, erzählt Kuban, habe eine Firma eine Turmuhr weggeworfen, weil einige Teile verbogen waren. In solchen Momenten kann der sonst so besonnene Uhrenliebhaber schon mal laut werden: „Dabei hätte ich sie wieder richten können“, ruft er. Besonders verletzt es ihn, wenn Leute denken, er wolle mit den Uhren ein Geschäft machen. Zum Teil muss Kuban monatelange Überzeugungsarbeit leisten. Derzeit geht es um eine Uhr am Bodensee – der Pfarrer will sie ihm geben, die Diözese ist dagegen.

Ein besonders gelungenes Stück steht in einem der Bunkerräume im Erdgeschoss. Es ist die Turmuhr aus der Veitskapelle in Mühlhausen. Bekommen hat Kuban sie nur unter der Voraussetzung, sie wieder instandzusetzen. Mit einer Länge von knapp zwei Metern ist es eines der größten Uhrwerke im Hochbunker. Innen greifen kleine und große Zahnräder ineinander. Von der Decke hängen verschieden große Gewichte, sie sind über Seile mit dem Uhrwerk verbunden. „Erst wenn alle Gewichte perfekt abgestimmt sind, genügt es, die Uhr einmal anzustoßen“, erklärt Kuban. Das zeigt: Uhrenherstellung ist ein präzises Handwerk, im Großen wie im Kleinen.

Hüter der Zeitgeschichte

In den vergangenen 40 Jahren hat sich Hans Peter Kuban einige Nachlässe von Turmuhrenmachern gesichert und steht in Kontakt mit deren Nachkommen. So eignet er sich das Wissen über die Entwicklungsgeschichte der Turmuhren an. Denn das wichtigste sei, „die Zeitgeschichte zu erhalten“. Bei den allermeisten Uhren hat er es geschafft, sie wieder zum Laufen zu bringen.

Im Hochbunker ist Hans Peter Kuban nur Mieter. Das Gebäude gehört der Stadt. Trotz all der tickenden Exponate kommt die Geschichte des Hochbunkers bei Hans Peter Kuban nicht zu kurz. Er hat die alten Schriftzüge freigelegt, die vom Krieg und vom Leben im Bunker erzählen. Flüchtlinge und Vertriebene hatten dort gewohnt. Ein Raum ist kunstvoll bemalt, wie eine Blümchentapete – ein Versuch, es den Heimatlosen zumindest ein wenig heimelig zu machen. Wie die Turmuhren ist die Wand ein Stück Zeitgeschichte. Nie würde es Hans Peter Kuban übers Herz bringen, sie zu übermalen.

26 der in dieser Zeitung veröffentlichten „Stuttgarter Entdeckungen“ sind in Buchform erschienen: „Stuttgarter Entdeckungen“, 1. Auflage 2015, 160 Seiten, 100 Fotos und Karten, Silberburg-Verlag Tübingen und Karlsruhe. Hrsg.: Stuttgarter Nachrichten, 14,90 Euro. Das Turmuhrenarchiv

1941 wurde der Luftschutzbunker in der Kolpingstraße 90 fertiggestellt. Bei den Luftangriffen auf Stuttgart während des Krieges, bei denen auch Steinhaldenfeld getroffen wurde, konnten bis zu 1200 Menschen auf vier Geschossen im Bunker Schutz suchen. Heute beherbergt er die Turmuhrenausstellung.

Die Ausstellung hat eine Fläche von 150 Quadratmetern. Neben den Uhren selbst zeigt Hans Peter Kuban auch Zeiger, Ziffernblätter und die komplette, funktionstüchtige Einrichtung einer Uhrmacherwerkstatt.

Führungen gibt es wahlweise zur Geschichte der Turmuhren oder zur Geschichte des Bunkers. Sie dauern zwischen einer halben und einer Stunde. Teilnehmen können daran mindestens fünf und maximal 15 Personen.

Der Eintritt kostet für jede Ausstellung drei, ermäßigt 1,50 Euro; laut Kurban, „um die laufenden Kosten für die Miete zu bezahlen“.

Geöffnet wird der Bunker nur nach vorheriger Anmeldung; per E-Mail unter der Adresse turmuhrnr1@turmuhrenarchiv.de oder telefonisch unter 07 11 / 52 43 30. (yab) www.turmuhrenarchiv.de