Ex-Ministerpräsident und EU-Kommissar Günther Oettinger: Er hat bei einer Jubiläumsfeier der CDU die aktuelle Problemlage erklärt Foto: dpa

EU-Kommissar Günther Oettinger hat mit seiner CDU in Stuttgart deren 70-jähriges Bestehen gefeiert – und bei der Gelegenheit jedermann ins Gewissen geredet. Man solle endlich über Neckar und Nesenbach hinausschauen und sich mehr über eine wirklich große Problematik wie die Flüchtlinswelle Gedanken machen. Zu lang habe man über Dinge wie die Maut geredet.

Stuttgart – 70 Jahre CDU Stuttgart und 25 Jahre deutsche Einheit: Zwei Anlässe zum Feiern für die Partei, die am 27. Oktober 1945 gegründet wurde. Das Doppeljubiläum ergebe Sinn, betonte Stefan Kaufmann, Kreisvorsitzender und Bundestagsabgeordneter, am Samstag im Rathaus: „Weil die Wiedervereinigung neben dem europäischen Gedanken immer das wichtigste Anliegen der CDU war.“ Die Vollendung Europas stehe nun leider eher in den Sternen.

Klare Worte und ungeschönte Prognosen ersparte auch EU-Kommissar Günther H. Oettinger als Festredner den Feiernden nicht: Diskutiert worden seien Maut und Betreuungsgeld, bis endlich das Ausmaß der Asyl- und Flüchtlingsproblematik erkannt worden sei, warf er der aktuellen Politik „kleines Karo“ vor. Es sei Zeit, „über Nesenbach- und Neckartal hinauszuschauen, denn das Thema wird uns dieses Jahrzehnt beschäftigen, weil Europa von instabilen Staaten wie Palästina, Eritrea, Jordanien oder Libanon bis hin zur Ukraine umgeben ist“. Da gehe es bald nicht mehr um die Turnhalle Plieningen mit 80 Plätzen für Flüchtlinge, da könne der Maidan auf den Marktplatz von Stuttgart kommen. Oettinger forderte, endlich darüber nachzudenken, „wie man die Menschen, die zu uns kommen, versorgt und vor allem, wie man in deren Herkunftsländern die Situation verbessert“. Irak und Afghanistan nannte er als Beispiele dafür, dass Länder zu früh sich selbst überlassen und die Probleme nicht zu Ende gedacht wurden.

Oettinger sieht auch die wirtschaftliche Überlegenheit Deutschlands durch eine „digitale Unterlegenheit“ in Gefahr: „Diese Überlegenheit muss erhalten bleiben. Dafür brauchen wir mehr Infrastruktur, Forschung und Bildung.“