Martin Frank kommt vom Land – und hat trotzdem gesiegt. Foto: Alan Ovaska

Martin Frank hat beim 20. Suttgarter Besen im Renitenz-Theater den Hauptpreis gewonnen. Insgesamt fehlte es den Brettlkünstlern an diesem Abend aber an Biss.

Stuttgart - Man hat’s nicht leicht als Lehrerkind. Immer wissen die Eltern alles besser, doch am schlimmsten ist es, wenn Papi an derselben Schule unterrichtet. „Ich hab ’ne 5 in Mathe“, gesteht Bastian zu Hause. „Ich weiß“, antwortet der Vater. Unter welchem Druck Lehrerkinder wie Bastian Bielendorfer stehen können, der nun beim 20. Stuttgarter Besen im Renitenztheatermit dem Hölzernen Besen ausgezeichnet wurde, erfuhr eine größere Öffentlichkeit 2010 in der Sendung „Wer wird Millionär“, als Bielendorfer seinen Vater als Telefonjoker anrief, der ihn mit der Bemerkung „Wie kannst du nur die 8000-Euro-Frage nicht wissen, das weiß doch jeder!“ abkanzelte und nach – selbstredend korrekter – Antwort kommentarlos auflegte.

Bielendorfer jedenfalls schlug aus seinem Leid Kapital. Schrieb drei Bücher, die allesamt Bestseller wurden, wurde Assistent von Harald Schmidt in dessen Show auf Sky und ist mittlerweile regelmäßig im Fernsehen präsent. Den dritten Preis beim Besen wird er gerne mitnehmen – brauchen dürfte er ihn nicht, sein Terminkalender ist auch so prall gefüllt. Verdient hat er ihn gleichwohl, schon allein für seine Nummer mit den Waldorflehrern Cordula und Torben und deren Sohn Ludger, der eine Mütze aus „Lama-Schamhaar“ trägt und beim Ausflug mit Bastian zu McDonalds bekennt, dass er Veganer ist. Die Servicekraft hinter der Theke erwidert dann auf die Frage, was es für Veganer gibt: „Servietten“.

Doch, Bielendorfer ist lustig. Auch wenn man bei ihm einiges über die Befindlichkeiten einer bildungsorientierten Mittelschicht erfährt – die neben Lehrern durchaus auch andere Berufsgruppen einschließt –, tendiert sein Programm in der Fixierung auf die schnelle Pointe stark in Richtung der fernsehkompatiblen Comedy, die derzeit hoch im Kurs steht. Irritierendes, Gesellschaftskritisches gar ist seine Sache nicht, anders als bei Lisa Catena, die mit dem Silbernen Besen ausgezeichnet wurde.

Genuss mit gutem Gewissen

Auch die Schweizerin nimmt das Selbstverständnis jener Schicht ins Visier, die sich für aufgeklärt hält, schaut jedoch genauer hin – so lange, bis sich Widersprüche auftun. So nimmt sie den Wunsch vieler Konsumenten nach diesen Unbedenklichkeitszertifikaten aufs Korn, die Genuss mit gutem Gewissen versprechen, etwa wenn wir Fisch kaufen, der aus „nachhaltiger“ Fischerei stammt. Bald, so vermutet Catena, würde auch bestätigt, dass der Fisch aus freiem Willen angebissen und der Verarbeitung seines Filets zu Fischstäbchen zugestimmt habe. Da kommt man ins Grübeln – keine unerwünschte Begleiterscheinung bei einem Kabarettprogramm.

Nur ihre etwas steife Vortragsart dürfte Lisa Catena, die auch für Satiremagazine schreibt, den Sieg gekostet haben. Und so wie sie ihre Herkunft, in diesem Fall ihre Nationalität als Schweizerin thematisiert, bildet auch für Martin Frank, den Gewinner des Goldenen Besens, die Biografie den Humus, auf dem er seine humoristischen Früchte zieht. „Junge vom Land zieht in die Großstadt und erlebt dort Überraschungen“ könnte man den Auftritt des im Bayerischen Wald auf einem Bauernhof aufgewachsenen Jungspunds überschreiben, der seinen Sieg letztlich der professionellen Art verdanken dürfte, mit der er seine Pointen setzt. Ein echtes Bühnentalent. Sehr bildhaft etwa die Szene, wo er mit einem gut gemeinten „Grüß Gott“ die U-Bahn entert, worauf ihn die Mitfahrenden als Kontrolleur missverstehen und sich flugs auf die Bänke verziehen. Aus dem erst 24-Jährigen könnte noch was werden, falls er an Bissigkeit und Relevanz zulegt. Vorbilder gibt es genug. Wie Sigi Zimmerschied ist auch Frank in Passau geboren.

Perücke des Grauens

Auffällig insgesamt, wie harmlos und freundlich die meisten Auftritte daherkamen. Matthias Jung reihte im Stil eines Büttenredners („Neulich war ich mal . . .“) einen Witz an den anderen, überhaupt dominierte die Beschreibung von Alltäglichem mit kleinen Ausflügen in die aktuelle Politik. Wenigstens teilte der Deutschtürke Özgür Cebe, der den Gerhard Woyda-Publikumspreis gewann, einige Seitenhiebe auf Erdogan und Trump („Perücke des Grauens“) aus. Michael Elsener nahm, auch nicht unbedingt brandaktuell, die Fifa aufs Korn, während Roberto Capitoni vergeblich versuchte, aus abgehangenen Klischees über Deutsche und Italiener neue Funken zu schlagen. Zum Fremdschämen der Auftritt von Suchtpotenzial, zwei aufgedrehten Girlies, die spätpubertär auf das Provokationspotenzial des F-Wortes setzten: In „Ficken für das Vaterland“ warben sie für Geschlechtsverkehr mit Diktatoren und Menschenschindern, um diese von ihrem üblen Tun abzubringen. Au weia.

Das Urteil der Juryvorsitzenden Lisa Fitz bei der Preisverleihung, man habe an dem Abend viel gelacht, was bedeute, dass das Niveau gut war, kann man durchaus kritisch sehen. An Schlagfertigkeit, Esprit und Wortwitz war jedenfalls Florian Schroeder, der Moderator des Abends, allen Teilnehmern weit überlegen. Das kann schon nachdenklich stimmen.