AfD-Stadtrat Bernd Klingler sieht sich im Recht, will aber nicht länger Recht bekommen. Er verzichtet auf Rechtsmittel gegen seine Verurteilung wegen Untreue. Foto: dpa

Der vom Cannstatter Amtsgericht wegen Untreue zu einer 14-monatigen Bewährungsstrafe verurteilte ehemalige FDP-Fraktionschef und heutige AfD-Stadtrat Bernd Klingler verzichtet auf eine Berufung. Als Schuldeingeständnis will er das aber nicht verstanden wissen.

Stuttgart - Weihnachten gilt gemeinhin als die Zeit der Besinnung, und zu Silvester fasst man gute Vorsätze. Auch Bernd Klingler ist vor den Feiertagen nochmals in sich gegangen: Der frühere FDP-Fraktionschef und jetzige AfD-Sprecher im Gemeinderat zieht seine Berufung gegen seine Verurteilung wegen Untreuezurück. „Ich weiß, dass das Urteil eine Hypothek für mich darstellt, aber ich möchte mit freiem Kopf ins neue Jahr gehen“, erklärte der 48-Jährige gegenüber dieser Zeitung. Das Amtsgericht Bad Cannstatt hatte Klingler im Juni wegen Untreue zum Nachteil der FDP-Ratsfraktion zu einer Bewährungsstrafe von 14 Monaten verurteilt. Mit dem Verzicht auf den Gang vors Landgericht wird das Urteil rechtsgültig, Klingler ist damit vorbestraft.

Der Stadtrat will eigenen Angaben zufolge mit dem Verzicht auf Rechtsmittel auch verhindern, dass sein Fall in den Bundestagswahlkampf 2017 hineingezogen wird. Das Landgericht habe zuletzt einen Verhandlungstermin für den Hochsommer avisiert – die Parlamentswahlen sollen im September abgehalten werden. „Ich habe schon vor dem Amtsgericht gemerkt, dass ich nicht nur als Privatperson, sondern auch als AfD-Politiker beurteilt und verurteilt worden bin“, so Klingler. Er war nach Bekanntwerden der Vorwürfe im Januar 2015 von der FDP zur rechtspopulistischen Alternative für Deutschland übergelaufen, die dadurch Fraktionsstatus im Gemeinderat erlangte.

Unterschied zwischen Recht haben und Recht bekommen

Das Amtsgericht hatte es als erwiesen angesehen, dass Klingler, als er noch die FDP im Gemeinderat anführte, in den Jahren 2013 und 2014 rund 23 500 Euro aus der Fraktionskasse entnommen und für private Zwecke ausgegeben hat, unter anderem für den Kauf eines neuen Autos. Die Beteuerungen Klinglers, er habe mit dem Geld Werbe- und Wahlkampfmaterial für die FDP-Fraktion finanziert, schenkte die Richterin keinen Glauben. Dass er nun nicht in die Berufungsinstanz geht, will Klingler freilich nicht als Schuldeingeständnis verstanden wissen: „Zwischen Recht haben und Recht bekommen gibt es bekanntlich einen großen Unterschied.“ Er habe sich nichts vorzuwerfen, die FDP-Fraktion damals allein gemanagt, „geackert wie ein Pferd und geschuftet wie ein Hund“, auch wenn er dabei mitunter „hemdsärmelig“ agiert habe: „Aber mir kam es auf das Ergebnis an.“

Der Chef einer kleinen Weilimdorfer Werbeagentur räumt aber auch ein, dass manches Indiz im Prozess zumindest dem Anschein nach gegen ihn gesprochen habe. So hatte seinerzeit der ermittelnde Kriminalhauptkommissar detailliert über Geldbewegungen auf Klinglers insgesamt 22 Konten bei verschiedenen Geldinstituten berichtet. Demnach hatte Klingler 2013 und 2014 immer wieder finanzielle Engpässe oder Zahlungsrückstände, die er durch Hin- und Her-Überweisungen auszugleichen suchte. Mehrfach wurden Überweisungen wegen Unterdeckung des Kontos von der Bank nicht akzeptiert. Sechsmal kam es zu Mahnverfahren, fünf Mal musste der Gerichtsvollzieher in Aktion treten. Der Stadtrat hatte die Außenstände damit gerechtfertigt, er sei damals mit Beruf und politischem Ehrenamt überfordert gewesen.

Rücktritt als Stadtrat? Kein Thema für den AfD-Sprecher

Er wolle nun „nach vorne schauen“ und werde sich strafrechtlich „wie in den vergangenen 48 Lebensjahren“ nichts zu Schulden kommen lassen, sagt Klingler. Auch jetzt noch hält der AfD-Sprecher die seinerzeitigen städtischen Richtlinien für den Umgang mit Fraktionsgeldern, die etwa deren Verwendung für den Wahlkampf untersagen, für „nicht eindeutig“. Es habe sich um Sollbestimmungen gehandelt, „es herrschte Willkür von Fraktion zu Fraktion“. Doch Klinglers Hoffnung, in einem Berufungsverfahren entlastendes Material oder neue Zeugen präsentieren zu können, sind binnen einen halben Jahres auf null gesunken.

So ließ sich etwa die mittlerweile nach Neapel verzogene Chefin einer angeblichen Werbeagentur, der Klingler Fraktionsgeld für einen FDP-Flyer überwiesen hatte, das wenig später auf sein eigenes Konto zurückgeflossen war, nicht zu einer Aussage bewegen. Weil er somit allenfalls eine Reduzierung des Strafmaßes hätte erreichen können, habe er sich nun entschieden, das „harte Urteil“ des Amtsgerichts zu akzeptieren. Politisch will der Stadtrat aber nach wie vor keine Konsequenzen ziehen: Ein von allen anderen Fraktionen und Gruppierungen im Gemeinderat geforderter Rücktritt stehe für ihn nicht zur Debatte: „Und ob ich dem nächsten Gemeinderat angehöre oder nicht, entscheidet der Souverän und nicht der politische Gegner.“

Zumindest bis zu den turnusgemäßen Vorstandswahlen im Sommer 2017 wird Klingler weiterhin gemeinsam mit Lothar Maier die vierköpfige AfD-Fraktion anführen. Nach der Bundestagswahl könnten die Karten neu gemischt werden: Klinglers Co-Sprecher Lothar Maier hat mit Platz zwei auf der AfD-Landesliste ein Bundestagsmandat so gut wie sicher. Ob Maier neben seinem Stadtratsmandat dann auch den Sprecherposten behalten wird, ist noch offen. Durchaus denkbar ist, dass Klingler zum alleinigen Fraktionschef avanciert – ein Szenario, das der politischen Konkurrenz die Haare zu Berge stehen lässt.