Stets vornehm mit Fliege, aber politisch extrem hemdsärmelig: Heinrich Fiechtner Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Der Stuttgarter AfD-Stadtrat Heinrich Fiechtner hat verbal einiges auf Lager. Und er polarisiert. Gleich zwei Kontrahenten des Rechtspopulisten fühlten sich beleidigt und erstatteten Anzeige. Jetzt ist aber klar: Die Staatsanwaltschaft sieht darin höchstens Fälle für Privatklagen.

Stuttgart - Knapp ein halbes Jahr nach turbulenten Szenen im Stuttgarter Rathaus und nach zwei Anzeigen gegen AfD-Stadtrat Dr. Heinrich Fiechtner hat die Staatsanwaltschaft entschieden. Sie wird die Vorwürfe nicht weiterverfolgen. Andererseits will sie den Anzeigeerstattern nicht verwehren, auf dem Weg einer Privatklage zu versuchen, Fiechtner zu belangen.

Es geht um Vorfälle im Mai dieses Jahres. Damals geriet Fiechtner in einer öffentlichen Sitzung im Rathaus heftig mit Hannes Rockenbauch, dem Chef der Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus, aneinander – auch ein streitbarer Geist, der die Landesbank Baden-Württemberg schon einmal als kriminelle Vereinigung bezeichnete.

Öffentliches Interesse wird verneint

Rockenbauch warf dem Arzt vor, er habe bei einer Pegida-Kundgebung in Stuttgart „gemeinsam mit Nazis demonstriert“. Fiechtner, der bei der Veranstaltung als Beobachter dabei gewesen sein will, konterte umgehend. Rockenbauch habe sich unter „Linksfaschisten und Nazis“ bewegt, weil er bei der gleichen Gelegenheit auf der Seite von rund 4000 Gegendemonstranten stand. Rockenbauch fühlte sich dadurch auf eine Stufe mit Nazis gestellt – und beleidigt.

Wie Sebastian Erdle, der als Mitglied der Wählervereinigung Stadtisten dem Bezirksbeirat Mitte angehört. Er musste sich von Fiechtner im Internet vorhalten lassen, Typen wie er, Erdle, seien die wahren Nazis. Vorausgegangen waren auch in diesem Fall Auseinandersetzungen im Internet über die islamkritische Pegida-Bewegung. Auch Erdle erstatte Anzeige und hielt sich zugute, dass er Fiechtner in keiner Weise persönlich angegangen habe. Er habe nur in allgemeiner Form im Internet geäußert, dass bei der Pegida-Demonstration in Stuttgart eine „abartige Gesinnung“ zutage getreten sei. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart erkennt aber „kein öffentliches Interesse an dem Fall“. Dieser störe den Rechtsfrieden der Gesellschaft nicht. Die Äußerung sei in einem internen Kreis, einer Facebook-Gruppe, gefallen.

Grenze der Meinungsfreiheit wohl überschritten

Das war schon ähnlich gewesen, als Fiechtner in einer geschlossenen Facebook-Gruppe über Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) hergezogen war und ihn einen „miesen faschistoid-populistischen Scharfmacher“ nannte. Nach Intervention der AfD entschuldigte er sich.

Zum Zeitpunkt der verbalen Auseinandersetzungen mir Erdle sei die Stimmung schon aufgeheizt gewesen, urteilte die Staatsanwaltschaft. Was Fiechtner in Richtung Erdle äußerte, dürfte die Grenze der Meinungsfreiheit allerdings überschritten haben. Daher habe man dem Bezirksbeiratsmitglied den Weg eröffnet, gegen Fiechtner Privatklage einzureichen, sagt Claudia Krauth, Sprecherin der Staatsanwaltschaft.

Sebastian Erdle verzichtet auf Privatklage

Diese Möglichkeit wird auch Fraktionschef Rockenbauch haben. Hier sind die beanstandeten Sätze zwar in der Öffentlichkeit gefallen, aber Rockenbauch sei nicht ausdrücklich als Linksfaschist bezeichnet worden. Eine Straftat liege nicht vor, zudem sei Fiechtner bisher unbestraft, sagt Claudia Krauth. Ob Rockenbauch eine Privatklage anstrebt, ist noch nicht bekannt. Erdle will darauf verzichten.

In seiner Partei hat Fiechtner auf jeden Fall nichts mehr zu befürchten. Das Ausschlussverfahren, von dem bei der AfD zu Jahresbeginn die Rede war, wird es nicht geben. Damals hatten Fiechtners Verbalattacke gegen Kuhn und seinen Betrachtungen über Parallelen im Koran und in Adolf Hitlers Machwerk „Mein Kampf“ in der AfD noch gewisse Aufregungen verursacht. Inzwischen ist viel geschehen. Von der AfD hat sich nach internen Streitereien eine neue Partei abgespalten und die restliche Mutterpartei ist nun weiter rechts angesiedelt. Auch der Kreisvorsitzende Karl-Friedrich Hotz, der einstmals gern über das Parteiausschlussverfahren gegen Fiechtner gesprochen hatte, sieht darin kein Thema mehr.

Stadt will Ausweise für Stadträte ändern

Konsequenzen anderer Art hat allerdings die Stadtverwaltung aus Fiechtners Auftreten gezogen. Sie plant jetzt die Ausweise zu ändern, die die Stadt den Mitgliedern des Gemeinderats zur Verfügung stellt. Darin steht, dass ein Stadtrat bei Vorlage des Ausweises Zutritt zu städtischen Einrichtungen habe. Darauf berief sich Fiechtner, als er im August spontan und unangemeldet ein Notaufnahmeheim für minderjährige Flüchtlinge in der Kernerstraße betrat, um anschließend die hygienischen und medizinischen Zustände in dem Gebäude zu beklagen. Der von Mitarbeitern eingeschaltete Jugendamtsleiter Bruno Pfeifle erteilte Fiechtner damals Hausverbot. In dieser Einrichtung, in der auch traumatisierte Jugendliche leben, hätten Fremde wie Fiechtner nichts zu suchen, bedeutete man dem Stadtrat.

Auch der Stadtratsausweis sei hier keine Eintrittskarte, sagt Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle (Grüne). Im Sinne von mehr Klarheit wolle man den Ausweis jedoch ändern. Im Moment prüft man, wie es andere Städte handhaben.