Samir Kadunic mit einer Flasche des „friedlichsten Bieres der Welt“. Foto: Bartek Langer

Ein Porsche-Ingenieur bringt Brauer im ehemaligen Jugoslawien an einen Tisch, um das „friedlichste Bier der Welt“ zu brauen. Mit den Einnahmen wird eine multiethnische Musikschule in Bosnien-Herzegowina unterstützt.

Zuffenhausen - Dass Bier förderlich für Frieden und Toleranz sein kann, erkannten schon Münchner Archivare vor Jahrhunderten. So notierten sie im Stadtbuch, dass es im Hofbräuhaus, „keinen Rangunterschied gebe, der Hochadelige sitze neben dem Plebejer“. Mit Bier die Welt ein Stückchen besser machen, das schrieb sich auch Samir Kadunic auf die Fahnen. Er brachte im ehemaligen Jugoslawien Brauer früherer Konfliktparteien zusammen, um eine gemeinsame Biersorte herzustellen. Ein Teil der Einnahmen kommt einer bosnischen Musikschule zugute, die Jugendliche verschiedener Ethnien ausbildet.

Das „friedlichste Bier der Welt“, wie Samir Kadunic es nennt, ist ein Dry Hopped Lager der Marke „drinkforpeace“, ein nach dem Reinheitsgebot gebrautes, kalt gehopftes Craft Bier, aromatisch verfeinert mit einer regionalen Hopfensorte aus Slowenien. Das Rezept enthält aber noch eine weitere besondere Zutat: „Das ist die Botschaft der Versöhnung und des friedlichen Miteinanders“, sagt der promovierte Porsche-Ingenieur, der als Produktmanager in Zuffenhausen über Schnellladesäulen für Elektroautos sinniert, nachdem er bis einiger Zeit im Weissacher Entwicklungszentrum tätig war.

Bosnier, Serben und Kroaten sind an der Herstellung und Rezeptauswahl beteiligt

Denn an der Herstellung und Rezeptauswahl waren Bosnier, Serben und Kroaten beteiligt – Menschen, die sich in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts bekriegt hatten. Entstanden ist ein Bier zur Völkerverständigung. „Wenn die Waffen schweigen, dann hören Vorurteile nicht abrupt auf“, sagt der 36-Jährige, dessen Wurzeln im ehemaligen Jugoslawien liegen. Der gebürtige Berliner sei zwar nicht mit dem Krieg aufgewachsen. „Aber das Thema war bei uns daheim immer präsent, und der Konflikt hat meine Jugend geprägt.“

Er hat mit seinem Geschäftspartner und ehemaligen Studienkollegen Martin Duchowski während der einjährigen Konzeptphase die Region bereist und Kontakte geknüpft. Bei den Brauern hätten sie offene Türen eingerannt, erzählt der Stuttgarter, nicht zuletzt, weil sie die Nachfrage nach ihrem Craft Bier nicht stillen können.

Kleine Biernachhilfe: Das aus den USA stammende Craft Beer, das hierzulande immer mehr Anhänger findet, steht für Kleinstbrauereien, die Experimentierfreude auszeichnet. Deutsches Bier sei Klassik, Craft Beer dagegen Rock 'n' Roll, fasste es Greg Koch zusammen, einer der kreativsten Vertreter dieser Braukunst.

Nach einem erfolgreichen Crowdfunding, das die notwendigen 10 000 Euro eingebracht hat, werden die ersten Flaschen demnächst im bosnischen Mostar produziert. Das Bier für den deutschen Markt wird derweil in einer Brauerei in Bayern hergestellt. „Jetzt müssen wir herausfinden, ob es auf dem Markt eine Akzeptanz gibt“, sagt Kadunic. Dazu brauchen sie starke Vertriebspartner. „Wir haben nicht die Kapazität, um unser Bier in jeder Bar anzupreisen.“ Kadunic denkt in diesem Zusammenhang an im ehemaligen Jugoslawien ansässige Fluggesellschaften und internationale Hotelketten. Das ist aber alles andere als ein Selbstläufer.

„Es ist sehr schwierig, in der Getränke-Industrie Fuß zu fassen“, sagt Lena Eberhardt, die sich um die Pressearbeit kümmert. Zum Team um Kadunic gehören außerdem Personen aus den Bereichen Design, Nachhaltigkeitsmanagement und Betriebswirtschaftslehre. Die Schirmherren sind der Berliner Professor für Brauwesen, Frank Methner, und der Weltmeister der Biersommeliere, Oliver Wesseloh. Mit der bosnischen Rock-Band Dubioza Kolektiv, die Konzertsäle im jugoslawischen Raum füllt, haben die Macher einen prominenten Fürsprecher. „Sie wollen uns promoten und das Bier bei ihren Aftershow-Partys anbieten“, sagt Kadunic. „Sie finden das Projekt gut, weil wir gemeinsame Werte vertreten.“

Nicht nur bei der Herstellung sind Vertreter der einstigen Konfliktparteien beteiligt. Kadunic spricht bei dem Bier, das seine Feuertaufe auf der letztjährigen Fachmesse BrauBeviale in Nürnberg bestand, auch von Social Food, also von einem Lebensmittel, das bei der Entstehung und beim Konsum einen sozialen Zweck erfüllt. Denn ein Teil der Einnahmen kommt der Mostar Rock School zu Gute, die jungen Menschen – unabhängig von ihrer Herkunft und Religion – eine Ausbildung ermöglicht. „Die Schule lebt mit ihren Schülern genau das, was unsere Brauer vorgemacht haben“, sagt Kadunic über die Einrichtung, die eine der letzten dieser Art in der Region ist.

Ein Teil der Einnahmen kommt der Mostar Rock School zu Gute

Bis vor einiger Zeit wurde die Schule mit internationalen Geldern unterstützt; doch mit der Flüchtlingskrise haben die Sponsoren ihre Förderung eingestellt. Das stellt die Einrichtung vor enorme finanzielle Probleme. „Pro verkaufter Flasche aus dem Crowdfunding gehen zehn Cent an die Schule“, sagt Kadunic. Welcher Betrag danach gespendet wird, ist offen. „Wir möchten zuerst die Bestellungen abwarten.“ Das Geld soll vor allem in gemeinsame Aktivitäten fließen. „Der Sinn ist, dass Vorurteile abgebaut werden, indem man sich gegenseitig kennenlernt.“ Denn die Stadt Mostar sei noch heute gespalten.

Kadunic wollte schon immer etwas machen, was ihn „seelisch“ erfülle. „Die grundlegende Idee war, dass man durch den Konsum die Toleranz fördert.“ Mit „EnjoyAndHelp“ hat er seiner gegründeten Firma auch den passenden Namen gegeben. Sie ist für die Produktion und die Vermarktung verantwortlich. Und dann gibt es noch den gemeinnützigen Verein „recipeforpeace“. „Wir wollen zwar offen für Spenden sein, aber mit der Herstellung eines eigenen Produkts auch unabhängig bleiben.“

Idee könnte auch auf andere Regionen und Krisenherde ausgeweitet werden

Ob Alkohol und soziales Engagement zueinander passen, darüber hat sich Kadunic anfangs viele Gedanken gemacht. Er und sein Team wollen niemanden zum Trinken animieren. „Das Produkt sollen Leute kaufen, die ohnehin Bier trinken und bei gemäßigtem Konsum einen messbaren Beitrag zur Toleranz leisten möchten.“ Außerdem basiere das Drinkfor-peace-Konzept nicht zwingend auf alkoholischen Getränken. „Wir haben auch alkoholfreies Bier oder Limonade im Sinn.“

Und so wollen die Macher ihre Idee auf weitere Krisenherde ausweiten. „Projekte in Israel und Palästina wären denkbar, zwischen der Ost- und Westukraine oder auf der koreanischen Halbinsel“, sagt Kadunic. Ein Flug nach Zypern in die geteilte Hauptstadt Nikosia sei bereits gebucht. Und wenn alles klappt, geht es mit den Beteiligten aus allen Konfliktregionen nochmal ins Brauhaus, um ein gemeinsames Toleranz-Bier zu kredenzen. „Das ist der Plan!“, sagt der engagierte Mann und lächelt.