Giebel aus dem biberschwanzgedeckten Satteldach. Foto: Kathrin Wesely

Als „außergewöhnlich authentisches Beispiel eines Holzhauses in Fertigteilbauweise“ ist das Haus beim Kräherwald erst kürzlich in die Liste der Kulturdenkmale des Landes aufgenommen worden. Doch das wird das Wohnhaus aus dem Jahr 1927 voraussichtlich nicht vor dem Abriss bewahren.

Als „außergewöhnlich authentisches Beispiel eines Holzhauses in Fertigteilbauweise“ ist das Haus in der Leibnizstraße 83, beim Kräherwald, erst kürzlich in die Liste der Kulturdenkmale des Landes aufgenommen worden. Die Gründe: „An seiner Erhaltung besteht wegen seines exemplarischen und dokumentarischen Wertes und wegen seines hohen Maßes an Originalität und Integrität ein öffentliches Interesse.“ All das wird das Wohnhaus aus dem Jahr 1927, das im stilistischen Zwischenreich von Expressionismus und Neuem Bauen anzusiedeln ist, voraussichtlich aber nicht vor dem Abriss bewahren.

Denn Unwirtschaftlichkeit sticht Denkmalpflege: Die Eigentümerin, die Projektentwicklerfirma Planquadrat in Bad Cannstatt, kann nachweisen, dass die Kosten für eine Renovierung unzumutbar wären. Sollte sich niemand finden, der ihnen das Einfamilienhaus samt Garten wieder abkauft, muss die Denkmalbehörde dem Abbruch über kurz oder lang zustimmen. Die Projektentwickler hatten die Liegenschaft zu dem Zweck erworben, auf dem fast 900 Quadratmeter großen Grundstück ein Mehrfamilienhaus zu errichten. Fünf großzügige Drei- bis Fünf-Zimmer-Wohnungen wurden geplant. Im Frühsommer reichten die Projektentwickler ihr Baugesuch ein. Da war das bestehende Wohnhaus noch kein Kulturdenkmal. Erst die Nachbarschaft machte das Denkmalamt auf die außergewöhnliche Immobilie aufmerksam. „Wir sind aus allen Wolken gefallen“, erinnert sich Wolf-Dieter Roetzer, Geschäftsführer von Planquadrat. „Wir sind alle vom Fach, und keiner hat dem Haus das angesehen.“ Das Baugesuch wurde zurückgezogen.

Laut Expertise des Denkmalamtes entwarf der Stuttgarter Architekt Hans Zimmermann (1887-1954) das Holzhaus 1927 für seinen Schwager und Reichsbahnoberrat Christian Gugel sowie dessen Ehefrau Elisabeth. Das ländliche Flair des Viertels nahe dem Kräherwald war „in den 1920er Jahren bei den vornehmen Herrschaften sehr beliebt“, sagt Herbert Medek von der Unteren Denkmalschutzbehörde. Das großzügige zweigeschossige Wohnhaus in verschalter Holz-Skelettbauweise erhebt sich über einen gemauerten Sockel.

Abgeschlossen wird es von einem biberschwanzgedeckten Satteldach. Markant staken drei quer stehende Zwerchgiebel heraus. „Die landhausartige Architektur des Wohngebäudes ist von zeitgenössischen Strömungen geprägt – einerseits im Sinne eines traditionellen Architekturverständnisses, andererseits von den Ideen des Neuen Bauens“, heißt es in der Beschreibung des Denkmalamtes. Darüber hinaus weise es außen wie innen expressionistisch anmutende Elemente auf.

Innen sind neben einer Bauhaus-Küche, einem holzvertäfelten Herrenzimmer und dem Bad noch zahlreiche weitere Details im Originalzustand erhalten. Die Tochter des Ehepaares Gugel hatte bis zu ihrem Tod 2010 im Haus gewohnt und nichts verändert. Die letzten Jahre hatte es leer gestanden, zunächst wurde kein Erbe gefunden, dann erwies sich der Verkauf als schwierig. Zeitweise standen die Türen sperrangelweit offen, berichten Nachbarn. „Wir haben die Jahre aber immer auf das Haus aufgepasst“, berichtet Nachbarin Helene Maier. Vor einem Jahr schließlich erwarb Planquadrat das Haus samt Grundstück.

Um doch noch bauen zu können, muss die Firma nachweisen, dass der Erhalt zu teuer käme. Sie ließ daher eine Wirtschaftlichkeitsberechnung anfertigen, die nun belegt, dass sich die Renovierung nicht rechnet. Sanierungskosten im sechsstelligen Bereich wurden veranschlagt. Laut Herbert Medek hat das Denkmalamt die Zahlen durch ein externes Ingenieurbüro prüfen lassen: Sie seien korrekt. „Da muss einfach alles gemacht werden – Statik, Wärme, Schallschutz“, sagt Roetzer von Planquadrat. „Bei einem starken Sturm könnte das Haus bereits beschädigt werden.“ Als Architekt sei er sensibel für historische Gebäude, aber man müsse auch einsehen, wenn ein Haus unrettbar sei. „Man kann nicht alles erhalten.“ Der Geschäftsführer drängt auf einen Abriss, weil jede Verzögerung weitere Kreditzinsen kostet. „Wir reichen ein neues Baugesuch ein.“

Retten könnte das Hans-Zimmermann-Haus in der Leibnizstraße bestenfalls noch ein potenter Käufer. Wenn sich aber in nächster Zeit kein Interessent findet, der den Projektentwicklern das Haus abkaufen könnte, so Medek, „werden wir dem Abbruchantrag zustimmen müssen“. Allerdings käme die Genehmigung wohl nicht ganz rasch und reibungslos, wie sich das die Cannstatter Planer wünschen, „sondern nur im Benehmen mit der höheren Denkmalschutzbehörde, dem Landesdenkmalamt - jedenfalls nicht automatisch“.