Parkende Autos in der Johannesstrasse im Stuttgarter Westen Foto: Kienzle

Von März 2011 an soll ein neues Parkraumkonzept die Parkplatznot in Stuttgart-West lindern helfen.

Stuttgart - Von März 2011 an soll ein neues Parkraumkonzept die Stellplatznot im Stuttgarter Westen lindern helfen. Parken wird dann kostenpflichtig. Seit die Stadt ihr Vorhaben vorgestellt hat, mehren sich Proteste der Anwohner. "Das Konzept ändert kaum etwas, und das weiß auch die Stadt", sagt Markus Koch.

Herr Koch, wo haben Sie geparkt?

Ich habe einen Stellplatz gemietet, das zweite Auto parkt an der Straße. Man kann sich nicht darauf verlassen, im Westen einen Parkplatz zu finden. Nach Feierabend geht es hier richtig zur Sache. Jeder Abend gleicht der Reise nach Jerusalem: Wer nach 18 Uhr kommt, findet in aller Regel kaum noch einen Parkplatz.

Dann dürfte das neue Parkkonzept Ihnen gerade recht kommen.

Überhaupt nicht. Das Konzept soll zwei Dinge bringen: weniger Fahrzeuge und mehr Parkplätze. Die Stadt setzt auf eine massive Verdrängung der Parkplatzsuchenden. Pendler sollen alternativ auf den Bus oder die Bahn umsteigen. Anwohner können nicht ohne weiteres ihr Parkgebiet wechseln. Dafür wären die Gebiete mit freien Plätzen auch zu weit weg. Anwohner mit Autos werden also gezwungen, ihr Fahrzeug abzuschaffen - oder falsch zu parken.

Wieso? In München funktioniert das Konzept doch einwandfrei. Dort ging die Nachfrage nach Parkraum um zehn Prozent zurück.

Die Situation in München lässt sich nicht mit der in Stuttgart vergleichen. In München stehen den Anwohnern genug Parkplätze zur Verfügung, im Stuttgarter Westen nicht. Selbst wenn alle Auswärtigen verdrängt würden, reichen die Plätze für die, die in den Gebieten mit hoher Wohnnutzung leben - die sogenannten Gebiete Leipziger Platz und Rosenberg -, nachts nicht aus. Am Tag gibt es in den Gebieten Hölderlinplatz und Feuersee Probleme, weil dort viele Firmen ansässig sind und Angestellte parken. Nachts gibt es dort eher freie Plätze, sie sind aber vom Leipziger Platz und dem Gebiet um die Rosenbergstraße zu weit entfernt. All das belegt die Studie der Universität Stuttgart, die den Westen in die Gebiete Leipziger Platz, Rosenberg, Feuersee und Hölderlinplatz einteilt.

Alle zehn Jahre 130 Stellplätze

Sie schütteln den Kopf beim Gedanken an das Konzept.

In den Gebieten Leipziger Platz und Rosenberg wird der Rückgang der Parkraumnachfrage nachts nicht zu einer ausreichenden Entspannung der Parksituation führen. Der gesamte Nutzen des Konzepts ist schwer abzuschätzen. Das steht in der Studie, und das weiß auch die Stadt.

Wie reagiert die Stadt auf Konfrontation?

Entweder erfolgt kein Kommentar, oder es fallen Aussagen wie "Man muss mal irgendwie anfangen" oder "Da sagen Sie uns nichts Neues".

Um die Nachfrage nach Parkraum im Westen festzustellen, wurden Zahlen erhoben.

Die Erhebung fand nur auf der Basis von Beobachtungen zu bestimmten Uhrzeiten statt. Studenten haben sich die Kennzeichen der Autos notiert und daraus Rückschlüsse gezogen, ohne die Bewohner als Betroffene einzubeziehen. Parkte ein Fahrzeug nur von morgens bis abends da, galt der Fahrer als Pendler. Stand ein Fahrzeug morgens und dann wieder abends bis zum nächsten Morgen da, wurde es als das Auto eines Anwohners eingestuft. Anwohner wurden nicht befragt, zum Beispiel, ob sie gerne einen Stellplatz mieten oder kaufen würden. Bei Hausbesitzern wurde ebenfalls nicht nachgefragt, ob sie eventuell Parkplätze vermieten oder verkaufen würden oder Interesse an Investitionen in weitere Tiefgaragenplätze hätten. Das tatsächliche Ausmaß des Mangels ist nicht bekannt. Wer wirklich im Westen wohnt und einen Parkplatz benötigt, zeigt sich, wenn die Stadt die Parkmarken für die Anwohner ausgibt.

Der Studie nach verändert das Konzept das Verhalten der Autofahrer. Es heißt, Anwohner nutzen künftig eventuell private Stellplätze.

Wer kann, nutzt bereits einen privaten Stellplatz. Bei den Straßenverhältnissen stellt sich keiner freiwillig an die Straße. In der Studie geht man auch davon aus, dass Pkw-Halter ohne Erstwohnsitz in Stuttgart diesen nach Stuttgart verlegen. Das würde die Zahl der Parkscheinberechtigen erhöhen und die Parksituation gegenüber der Einschätzung der Stadt noch verschlimmern.

Man geht auch davon aus, dass die Zahl der Falschparker wegen der Kontrollen sinkt.

Am Parkchaos ändert das wenig. In den zwei Gebieten mit viel Gewerbe parken am Tag Auswärtige und Pendler falsch. Nachts stehen die Parkplätze weitgehend leer. In den Gebieten Leipziger Platz und Rosenberg verhält es sich umgekehrt: Dort stehen tagsüber weniger Autos und so gut wie keine Falschparker. Sie stellen Ausnahmen dar. Dafür ist die Zahl der Falschparker abends und nachts extrem. Diese sind aber keine Auswärtigen, sondern Anwohner selbst, die nicht anders können. Genau das kritisiere ich an dem Konzept am meisten.

Inwiefern?

In einer über viele Jahre entstandenen Mangelsituation kann der Bürger nicht anders als falsch parken. Schließlich fehlen 1000 Parkplätze. Das System soll den Anwohnern nutzen, stattdessen bezahlen sie künftig jede Nacht den offensichtlichen Parkplatzmangel mit Verwarnungsgeldern. Die Anwohner finanzieren das System, und das ist nicht in Ordnung. Besonders betroffen sind auch Nacht- und Schichtarbeiter oder Angestellte in Krankenhäusern und Sozialdiensten. Auch Angestellte und Freiberufler mit längeren Arbeitszeiten sind extrem betroffen. Wenn sie durch Strafzettel und Verwarnungsgelder gegängelt werden, verliert das Konzept schnell an Akzeptanz.

Mit den eingenommenen Bußgeldern und den Geldern aus Verwarnungen will die Stadt neue Parkgaragen bauen.

Die Bewirtschaftung des Parkraums trägt ihre Kosten kaum durch die Einnahmen von Parkgebühren und Bewohnerparkausweisen, im Gegenteil: Die Verdrängung der Pendler lässt die Einnahmen sinken. So entstehen kaum Mittel für neue Tiefgaragen. Schätzungen der Studie zufolge können mit dem Überschuss im Zeitraum von zehn Jahren 130 neue Stellplätze entstehen. Damit ist das Parkproblem in etwa 65 Jahren endlich gelöst. Gleichzeitig werden pro Jahr mehr als zwei Millionen Euro in die Wartung von Automaten und in Personalkosten für die Verteilung von Bußgeldbescheiden investiert, wie die Planung der Stadt vorsieht.

Was sollte die Stadt Ihrer Ansicht nach jetzt tun?

Die Bewohner mit einbeziehen und ihren tatsächlichen Bedarf ermitteln. Anschließend sollte überlegt werden, wo man Parkplätze bauen kann. Das wird nicht einfach. Die Stadt hat es jahrzehntelang versäumt, Parkplätze in aktuelle Bauvorhaben einzuplanen. In fünf Minuten ist das Problem nicht gelöst. Dazu benötigen wir ein Moratorium und eine fundierte Erfassung der Ausgangssituation. Anschließend ist eine Betrachtung aller sinnvollen Lösungsmöglichkeiten notwendig. Aktionismus bringt uns nicht weiter. Selbst bei aktuellen Bauvorhaben wie an der neuen Markthalle im Vogelsang hat die Stadt die Chancen für zusätzliche Parkplätze bislang nicht genutzt.