Das historische Foto: Kathrin Wesely

Der historische Teil des Diakonie-Klinikums, das Wilhelmhospital, wird für 25 Millionen Euro saniert und modernisiert. Die Kapazitäten der Klinik werden erweitert, Komfort und Service verbessert.

S-West - In seiner 111-jährigen Geschichte hat das Wilhelmhospital häufig Um- und Anbauten erlebt. Auch derzeit sind in dem monumentalen Gebäude in der Rosenbergstraße, das heute zum Diakonie-Klinikum Stuttgart gehört, die Bauarbeiter zugange. Seit 2015 wird das denkmalgeschützte Gebäude aus dem Jahr 1906 umfassend saniert und modernisiert. Kostenpunkt: 25 Millionen Euro. Knapp 15,5 Millionen Euro steuert das Land bei, den Rest muss die Klinik selbst erwirtschaften. „Da können wir nicht mit weniger Fallzahlen durch die Bauzeit gehen“, sagt der Klinik-Geschäftsführer Bernd Rühle. Daher müssen die Bauarbeiten im laufenden Betrieb vonstatten gehen, was in einem Haus mit etwa 1300 Mitarbeitern und jährlich 17 000 stationären sowie 70 000 ambulanten Patienten ein logistischer Kraftakt ist. Im Jahr 2020 ist voraussichtlich alles fertig.

Krankenhaus der kürzeren Wege

Nach Ausbesserungen an der Sandsteinfassade und der Erneuerung von Dach und Gebäudetechnik sind derzeit das Parterre und die zweite Etage an der Reihe. Auch originalgetreue Fenster soll das historische Bauwerk wieder bekommen. Im Erdgeschoss wird eine neue Patientenaufnahme eingerichtet, sie soll die Abläufe verbessern und dadurch die Wartezeit der Patienten verkürzen. „Die Patienten müssen dann nicht mehr quer durchs Haus und sparen Wege“, erläutert der Klinik-Geschäftsführer Bernd Rühle. Momentan steht noch ein Bagger mitten im Gebäude, weil ein neues Fundament ins Erdreich soll.

Die ersten beiden Stockwerke werden bis Mitte 2018 zu Stationen mit zeitgemäßen Zimmergrößen ausgebaut. „Dann können allen Patienten Zweibettzimmer mit Nasszellen geboten werden – egal wie sie versichert sind“, erklärt Rühle. Tragende Zwischenwände mussten dafür herausgenommen, die komplette Statik musste neu taxiert werden. Anschließend erfolgt die Modernisierung des dritten und vierten Stockwerks. Im vierten Stock entsteht die erweiterte Palliativstation mit zwölf anstatt wie bisher mit zehn Betten. „Die wird richtig schön – mit Wohnzimmer und zwei Balkonen“, schwärmt die Pressesprecherin Pia Pflichthofer. Die palliative Versorgung und Begleitung von Patienten ist dem konfessionellen Krankenhaus ein besonderes Anliegen, sagt Pflichthofer.

Zwar unterlag das Krankenhaus seit seiner Gründung durch Diakonissen in der Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute eklatanten Wandlungen, aber noch immer wirkt der diakonische Gedanke, die Idee vom Dienst am Menschen. Und ein bisschen Diakonissenanstalt steckt auch heute noch in der Klinik: Von den gut 450 Mitarbeitern im Pflegedienst sind 60 Diakonische Schwestern und Brüder. Hinzu kommen etwa 110 Ehrenamtliche, die von der Stabstelle „Diakonisches Profil“ koordiniert werden und beispielsweise Begleit- und Begrüßungsdienste übernehmen. Von den Diakonissen, die nebenan in der Diakonissenanstalt leben, arbeitet keine mehr im Krankenhaus. Die Frauen erhalten heute jene fürsorgliche Pflege, die sie selbst ihr Leben lang anderen haben angedeihen lassen. Junge Frauen sind nicht mehr zu ihnen gestoßen, und so ist die zölibatäre Lebensform der Stuttgarter Diakonissen im Begriff auszusterben. An ihre Stelle sind Diakonische Schwestern und Brüder getreten, die Familien gründen dürfen.

Einst eine Perspektive für ledige Frauen

Um die Geschichte und das Archiv der Diakonissen und „ihres“ Krankenhauses kümmert sich Schwester Hannelore Graf. Für die Gründung der ersten württembergischen Diakonissenanstalt habe es im Jahr 1854 zwei Gründe gegeben, erklärt Graf: Man wollte einerseits dem himmelschreienden Pflegenotstand in der sich explosionsartig entwickelnden Großstadt entgegentreten. Andererseits wollte man unverheirateten Frauen eine Perspektive bieten, indem man sie in die Gemeinschaft der Diakonissen aufnahm und zu Pflegekräften ausbildete, die Kranke fachgerecht versorgen konnten.

Der Bedarf an gut ausgebildeten Pflegekräften bestand in den kommenden Jahrzehnten fort, allerdings traten staatliche Ausbildungsorte hinzu – die Diakonissen verloren gewissermaßen ihre Monopolstellung. „Außerdem kamen ständig neue Vorschriften hinzu, die Ausbildung wurde immer komplexer“, sagt Schwester Hannelore. Zudem öffnete sich das Krankenhaus, erweiterte um die Chirurgie, wurde akademisches Lehrkrankenhaus, immer mehr externe Fachleute kamen ins Haus. Das Krankenhaus unterlag dem Wandel der Zeit und stand unter Modernisierungsdruck – und tut dies bis heute, da es mit den übrigen Krankenhäusern der Stadt um die Patienten konkurriert.

Die aktuellen Baumaßnahmen sind in diesem Zusammenhang zu sehen. Das Diakonie-Klinikum erweitert in deren Zuge nicht bloß den Service, sondern auch sein medizinisches Spektrum. „Auf einer freien Dachfläche haben wir einen Modulbau errichtet, der Platz für zwei Herzkatheterlabore bietet“, ist in der Dezemberausgabe des Klinikmagazins „Insight“ zu lesen. Dies ermögliche eine umfassende kardiologische Versorgung. Auch die Chirurgie wachse und erhalte für die verschiedenen Disziplinen erweiterte Untersuchungs- und Behandlungsräume. Insgesamt würden die OP-Kapazitäten ausgebaut: „Die neuen Operationssäle gehen bis Ende 2017 in Betrieb und verkürzen die Wartezeiten auf Operationstermine“, heißt es in „Insight“. In diesem Jahr würde außerdem in der Medizinischen Klinik eine zentrale Einheit für die Chemotherapie geschaffen.