Bernd Rieber schließt nach 45 Jahren Foto: Kathrin Wesely

Im Auktionshaus Rieber gehen die Lichter aus. An zwei Samstagen fällt nochmals der Hammer, und die letzten Antiquitäten werden versteigert.

S-West - Ganz schön eng in der Aufzugskabine. Ein Nilpferd aus Bronze flegelt am Boden, ein Karton voll Zeugs steht im Weg, eine glubschäugige Puppe thront obendrauf, Gemälde lehnen an der Wand. Oben angekommen, wird es keineswegs luftiger. Aber Bernd Rieber ist hier zuhause. Der Mann in Anzug und Turnschuhen wieselt leichtfüßig durch das Labyrinth aus Möbelmonstern, Plastiken, Standuhren, Teppich- und Bücherstapeln. Und das hier ist nur eines von vier Stockwerken. „Ich bin ein Allrounder. Ich habe alles versteigert, was nicht niet- und nagelfest ist“, sagt Rieber triumphierend. Durchs Fenster erblickt man eine uralte Pferdekutsche. Der Koloss verstellt die komplette Außenterrasse. Die entgeisterte Frage: „Wer braucht denn sowas?“, quittiert Rieber nur mit fassungslosem Blick. Er kann gar nicht begreifen, dass man seine Schätze wie Ballast betrachtet. Dabei gehen in Riebers Auktionshaus bald die Lichter aus. Einen geeigneten Nachfolger hat er nicht gefunden, und nun muss er die Etagen leeren. Am Samstag, 25. Februar, schwingt der Auktionator das letzte mal den Hammer.

Seit 1971 existiert das Aktionshaus Rieber in Stuttgart – zunächst an der Katharinen-, später an der Marien- und heute an der Rotebühlstraße 108. Das alte Fabrikgebäude bietet Rieber 2200 Quadratmeter Nutzfläche. In dem stattlichen Bau residierte von Ende des 19. Jahrhunderts an bis Anfang der 1960er Jahre die Firma Sänger und Harburger Eisen-, Metall- und Maschinengroßhandlung. Im Hinterhof hatte Robert Bosch für kurze Zeit seine Werkstatt. Rieber ist seit 1989 da, ihm gehört das Gebäude. Dass jetzt alles in Auflösung begriffen ist, schmerzt ihn sichtlich. Der 71-Jährige will sich zur Ruhe setzen. Sein Beruf war immer auch Leidenschaft. Dabei war er bloß hineingestolpert. Eigentlich ist der gebürtige Stuttgarter Hotelkaufmann. Mit Mitte 20 hatte er es zum stellvertretenden Direktor im Ambassador in Berlin gebracht. „Ende der 1960er gab es in Berlin so ein Antiquitätenfieber.“ Das habe auch ihn erfasst. So kam ihm die Idee, ein Auktionshaus zu eröffnen. Stuttgart erschien ihm ein geeigneter Standort. Das nötige Knowhow las er sich an.

Seinen Job vergleicht Rieber mit der Trüffelsuche. Die Ware stamme größtenteils aus Nachlässen und Wohnungsauflösungen. In der Regel treffen die Auktionshäuser entsprechende Vereinbarungen mit den Entrümplungsfirmen: Die Guten ins Auktionskröpfchen, die Schlechten ins Trödeltöpfchen. „Der restliche Kruscht wandert auf den Sperrmüll.“ Hinzukommen Ankäufe bei Antiquitätenhändlern, „um das Warenangebot qualitativ anzuheben“, erklärt Rieber. Die „richtig werthaltigen Sachen“ aber kaufe er bei Sammlern.

Die Zeiten, in denen er regelmäßig selbst auf die Pirsch ging, liegen lange zurück. „Bis in die 90er Jahre konnte man noch in Paris auf den Flohmarkt was finden. Man hat sich 30 000 Mark in die Hosentasche gesteckt, ist zum Nachtflohmarkt gefahren und hat gehofft, dass man unterwegs nicht überfallen wird.“ Im Grunde sei er nie außer Dienst gewesen. „Da willst du Urlaub in Kroatien machen und kommst mit 30 antiken Uhren im Gepäck zurück.“

Antiquitäten als Geldanlage

Natürlich gehören auch ein paar schöne Coups zu Riebers Karriere. Sein größter Fischzug war ein Gemälde von Angelika Kaufmann, das der Auktionator in Schweden aufgestöbert hatte. Die Frage, für welchen Betrag das Werk der klassizistischen Meisterin den Besitzer gewechselt hat, beantwortet Rieber mit schmunzelnden Schweigen. Bei der Figurenuhr aus napoleonischer Epoche zeigt sich Rieber offenherziger: „Die habe ich für 5000 Mark gekauft und innerhalb weniger Minuten ging sie weg für 120 000.“ Sein eigenes Herz schlägt eher für die weich fließende Linie des Art Nouveau – insbesondere für Jugendstilglas aus der Schule von Nancy. Überhaupt, gesteht Rieber, „stehen meine Lieblingsstücke bei mir zuhause“.

Seine wirtschaftliche Basis, sagt Rieber, seien die Stammkunden – meist Leute im fortgeschrittenen Alter, „die ihre berufliche Karriere gemacht haben“. Zum einen gäbe es da die Sammler und Liebhaber, zum anderen diejenigen, die Antiquitäten als beständige Geldanlage betrachteten. „So eine antike Kommode verliert ja nicht an Wert.“ Selbst der Laie könne bei Antiquitäten nicht viel falsch mache – jedenfalls nicht mehr als beim Neukauf, sagt Rieber.