Mieten per Mausklick. Foto: Kathrin Wesely

Die privaten Angebote für Fremdenzimmer nehmen zu und verschärfen die Lage auf dem Wohnungsmarkt. Vor allem in Stuttgart-West. Denn der Stadtbezirk ist derzeit besonders angesagt.

Stutgart-West - Der Westen ist angesagt. Die Beliebtheit hat ihren Preis – besonders bei der Miete. Der Stadtbezirk steht mit durchschnittlich 17 Euro pro Quadratmeter am oberen Ende der Stuttgarter Skala. Seit Jahren ziehen die Mieten an. die Gründe dafür sind sattsam bekannt: Wohnungsknappheit, Gentrifizierung, Niedrigzins, Spekulation.

Weniger im Fokus steht die sogenannte Sharing Economy (Ökonomie des Teilens) und deren Internetportale wie Airbnb, Wimdu oder 9flats, die ihrerseits den Mietmarkt anheizen. Tatsächlich finden sich auf Airbnb immer mehr Zimmer- und Wohnungsannoncen aus dem Westen. Das seit dem 1. Januar 2016 geltende Zweckentfremdungsverbot hat diese Entwicklung nicht spürbar beeinträchtigt.

Etwas über 50 Euro für ein Zimmer

„Alles sauber, gemütliches Bett, netter Kontakt und ruhig trotz zentraler Lage! Kann ich nur weiterempfehlen!“, postet Saskia aus Düsseldorf, die kürzlich in Stuttgart zu Besuch war und bei Airbnb ein Zimmer an der Schwabstraße gebucht hatte. Die Auswahl dürfte Saskia nicht leicht gefallen sein: Die Suchanfrage für Stuttgart West listet mehr als 100 Unterkünfte auf. Vor zweieinhalb Jahren ergab dieselbe Suche noch knapp unter 60 Treffer.

Mit 53 Euro pro Nacht liegt Saskias Zimmer im preislichen Airbnb-Durchschnitt, der trotz Angebotszuwachs gleich geblieben ist. Ein Hotelzimmer wäre für Saskia um 30 Euro teurer gewesen.

Für den Hotel- und Gaststättenverband Dehoga Stuttgart ist Airbnb ein Ärgernis. „Das hat nichts mehr mit dem romantischen Begriff vom Teilen zu tun“, sagt der Dehoga-Sprecher Daniel Ohl; vielmehr stünden oft wirtschaftliche Interessen dahinter. Ohl beklagt die Ungleichbehandlung: Während Hoteliers hohe Auflagen etwa bei Brandschutz, Hygiene und Gästemeldungen erfüllen müssten, herrsche bei Airbnb unkontrollierter Wildwuchs. Das führe zu einer Wettbewerbsverzerrung.

Die Sharing-Economy hat sich entzaubert und zeigt sich von ihren unschönen Seiten. Für Vermieter ist es einträglicher, Wohnraum tageweise statt dauerhaft zu vermieten. Doch entziehen sie dem Markt reguläre Mietwohnungen und treiben die Mieten in die Höhe. Ein besonderes Ärgernis ist, dass es sich oft um kleine, günstigere Objekte handelt. Kenner der Szene gehen davon aus, dass hinter einigen Airbnb-Angeboten in Stuttgart Maklerbüros steckten, die gleich mehrere Wohnungen anbieten.

Die Messestadt Stuttgart zählt nach Angaben der Gesellschaft für Beteiligungen und Immobilienentwicklungen (GBI) zu den zehn deutschen Städten mit den meisten Übernachtungen. Der Marktanteil von Airbnb daran liegt laut dem Statistik-Portal Statista.com bei zehn Prozent. Die Sharing Economy hätte demnach noch Luft nach oben.

Die aktuellsten Zahlen von Airbnb sind zwei Jahre alt. Damals waren für Stuttgart 600 Unterkünfte gelistet. Auf der Internetseite selbst lässt sich seit längerer Zeit nicht mehr die Gesamtzahl an angebotenen Wohnungen ablesen. Der Eindruck drängt sich auf, das Unternehmen wolle diese aufgrund des politischen Gegenwindes verschleiern. Aber immerhin kann man auf der interaktiven Karte erkennen, dass die meisten Unterkünfte in den szenigen Innenstadtbezirken angeboten werden.

Der Dauermieter ist zu billig

Auch dem Mieterverein Stuttgart ist die Sharing Economy ein Dorn im Auge. „Wir haben sogar schon Eigenbedarfskündigungen deswegen gehabt. Da kam ein Mieter zu uns, weil ihm gekündigt worden sei“, berichtet der Vorsitzende des Mietervereins, Rolf Gaßmann. Dessen Vermieter wollte mehr herausschlagen als die zehn Euro pro Quadratmeter reguläre Miete und die Wohnung auf Airbnb anbieten. Hochgerechnet würde der Vermieter mindestens das Dreifache einnehmen, würde er nur tageweise vermieten.

Um mit solchen Missständen aufzuräumen, brauchte die Stadt mindestens sechs Stellen, die sich um die Einhaltung des Zweckentfremdungsverbots kümmern, schätzt Gaßmann. Derzeit sind es zwei. Bis einer der beiden städtischen Mitarbeiter bei Saskias Vermietern klingelt, kann sich die Frau aus Düsseldorf noch ein paar Mal in der Schwabstraße einquartieren. Aber vermutlich geht dort alles mit rechten Dingen zu. Das Zweckentfremdungsverbot greift nämlich nicht, wenn der Vermieter die Wohnung zu mindestens 50 Prozent selber nutzt, was für ziemlich jede Wohngemeinschaft zutrifft.