Auf dem Foto von 1955 noch nicht zu sehen ist der Santiago-de-Chile-Platz. Den hat der Verschönerungsverein 1972 angelegt, seinen Namen hat er seit 2006. Foto: Stadtmessungsamt/Plavec

Lange gehörte der Haigst nirgendwo so recht dazu. Heute sind der Haigst und der Santiago-de-Chile-Platz der Ort, an dem man Besuchern die Stadt von oben zeigen kann. Rundherum thronen alte Stadtvillen – und parallel rauschen die Autos vorbei.

Degerloch - Wer heute an die Weinsteige, den Haigst und den Santiago-de-Chile-Platz denkt, der hat eine stark befahrene Straße vor Augen, eine Gegend voller alter Stadtvillen sowie einen Aussichtspunkt, zu dem man mit Besuchern gehen kann, um ihnen die Stadt von oben zu zeigen. Früher war das anders.

„Die Alte Weinsteige war die Hauptverkehrsachse zwischen Nord und Süd“, berichtet der Ortshistoriker Helmut Doka. Allerdings darf man sich dies nicht wie eine ausgebaute Straße von heute vorstellen. Bis zu 16 Pferde waren als Vorspann nötig, um den extrem steilen Karrenweg zu bewältigen, schreiben Stefan Clarenbach und Ulrich Schülke in ihrem Buch „Der Haigst – Ein Spaziergang durch Geschichte und Gegenwart“.

Die Straßenbahn fuhr auf der Weinsteige

Nach dem Bau der Neuen Weinsteige im Jahr 1831 löste die breite, neue Straße die Alte Weinsteige nach und nach ab. Auf dem historischen Foto von 1955 war die ehemalige Hauptverkehrsachse zwischen der Innenstadt und Degerloch noch geöffnet. Ende der 60er Jahre begannen dann zunächst zeitlich begrenzte Sperrungen, mittlerweile können die Autofahrer die Alte Weinsteige nicht mehr als Schleichweg zwischen dem Kessel und Degerloch benutzen.

Das historische Bild von 1955 stammt aus der Zeit, als die „Strampe“, die damalige Straßenbahn, noch ganz selbstverständlich auf der Neuen Weinsteige fuhr. Erst im Jahr 1987 wurde der Weinsteigtunnel eröffnet und die heutige Stadtbahnstrecke teilweise unter die Erde gelegt. Von nun an gehörte die Neue Weinsteige ausschließlich den Autos.

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„Das war eine große kommunalpolitische Diskussion“, erinnert sich Doka, der damals als SPD-Stadtrat dafür gekämpft hatte, dass die Stadtbahn nicht komplett unterirdisch fährt – und ist dankbar, dass er und seine Mitstreiter Erfolg hatten. „Noch heute beobachte ich immer wieder, wie ein Großteil der Fahrgäste aufsieht, wenn man aus der Stadtbahn den Panoramablick auf die Stadt erhaschen kann“, sagt er.

Seit 2006 heißt der Aussichtspunkt Santiago-de-Chile-Platz

Einer der heute beliebtesten Aussichtspunkte von ganz Stuttgart ist der Santiago-de-Chile-Platz: Dass man von dort einen schönen Blick über die Stadt hat, wussten die Menschen schon früh. In den 1870er Jahren wurde der Aussichtsplatz „Haigst“ angelegt, doch über die Jahre wuchs der Platz zunehmend zu. Im Jahr 1972 dann machte der Verschönerungsverein einen neuen Versuch, legte den Platz frei und stellte eine Tafel auf mit der Aufschrift: „Grünanlage auf dem Haigst“. Im Jahr 2006 erhielt der Aussichtspunkt dann den Namen Santiago-de-Chile-Platz.

Bis heute wissen nur die wenigsten Besucher, woher der Platz diesen Namen hat. Fragt man Doka danach, rümpft er kurz die Nase, bevor er zu erzählen beginnt: „Der damalige Architekt und Honorarkonsul von Chile, Georg Kieferle, schlug die Umbenennung vor.“ Kieferle stiftete auch die Moai-Skulptur sowie die Büste von Gabriela Mistral, die auf dem Platz stehen. Heute wird der Santiago-de-Chile-Platz von Touristen und Wanderern des Blaustrümpflerwegs aufgesucht.

Der Haigst gehörte nirgendwo so recht dazu

Kaum verändert hat sich, dass der Haigst seit jeher eine begehrte Wohngegend ist. „Hier lebten von Anfang an vor allem gut betuchte Menschen in großbürgerlichen Wohnungen“, sagt Doka. Die ersten Menschen zogen Ende des 19. Jahrhunderts in die Wohngegend, die auch als „Villa“ bezeichnet wird. 1884 wurde die Strecke der Zacke zwischen dem Stuttgarter Süden und Degerloch eröffnet. Davor war der Hang nur mühsam zu erreichen.

Bis heute hat der Stadtteil Haigst eine besondere Stellung. „Für viele Degerlocher gehört der Haigst nicht ganz zum Stadtbezirk dazu“, sagt der Historiker Doka. Das liege sicherlich auch daran, dass die Gemarkungsgrenze immer wieder gewechselt habe und Teile des Haigst mal zu Stuttgart und mal zu Degerloch gehört hätten. „Erst im Jahr 1960 wurde der Haigst dann vollständig zu Degerloch gezählt“, berichtet Helmut Doka.

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