Der Sillenbucher Stadtteil Riedenberg ist seit 1955 stark gewachsen. Wo einst Gärten und Obstbaumwiesen waren, stehen heute Häuser. Foto: Stadtmessungsamt/Plavec

Riedenberg, der heutige Stadtteil von Stuttgart-Sillenbuch, war früher kaum mehr als ein Weiler. Seit 60 Jahren ist die Emmauskirche das Herzstück des Orts. An den Bau der Kirche erinnern sich noch viele, er war ein wahres Erlebnis.

Riedenberg - Um die 500 Meter sind es nur vom unteren Ende der Eichenparkstraße in Riedenberg zur Kirche, sehen kann Richard Hermann sie dennoch nicht. Aber er hört sie, wenn die Fenster offen sind und der Verkehr, unter dem der kleine Stadtteil seit Jahren ächzt, mal nicht ganz so schlimm ist. Dann hört er die Glocken seiner Kirche läuten. Die Glocken, die sein Vater, Richard Hermann senior, seinerzeit von der Gießerei Kurz abgeholt hatte, weil er als Inhaber eines Brennstoffhandels einer der wenigen mit Lastwagen gewesen war. Die Glocken jener Kirche, an der er als junger Bursche selbst Hand angelegt hatte.

Schweiß und Glücksmomente

Richard Hermann (75) ist auf so viele Arten mit der Emmauskirche verbunden. „Ich habe 1955 mitgeholfen beim Ausgraben“, sagt er. Die Buben haben damals in der Jungschar geholfen und einmal die Woche die Spaten angesetzt. Richard Hermann, damals schon groß gewachsen, fuhr den Schubkarren. Die Erwachsenen brachten sich anders ein, jeder nach seinen Möglichkeiten. Riedenbergs erster Pfarrer, Albert Kern, habe „als Bessarabiendeutscher unermüdlich um Spenden für den Kirchenneubau gebeten. Nicht vergessen möchte ich die vielen Frauen, die mit ihrem Fleiß viel zur Finanzierung beigetragen haben“, schreibt Liese Schäfer in der Festschrift zum 50-Jahr-Bestehen der Kirche 2005. Der Hochbau wurde dann von Fachleuten übernommen. Im Oktober 1955 war schließlich die Einweihung des ersten Kirchenbaus einer Vorortgemeinde nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch den Taufstein, das bronzene Kruzifix und das Relief mit der Emmausgeschichte hat ein Riedenberger Bürger gestaltet, nämlich der Bildhauer Helmut Uhrig. Richard Hermann ist stolz auf all diese Verbindungen. „Die Riedenberger haben einen Bezug zu ihrer Kirche. Ich gehe gern in die Kirche.“

Nicht nur Schweiß verbindet ihn, einen Gebürtigen, mit seiner Heimatkirche, auch viele Glücksmomente, viele Erinnerungen. Als Kind spielte er beim Krippenspiel dort den Schäfer, „da hab’ ich ein Lammfell unter den Arm gekriegt“, sagt er und grinst bübisch.

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Zunächst, erinnert sich der Ur-Riedenberger Hermann, wurden die Flächen rund ums Dreieck aufgefüllt, dann folgten Bereiche wie Melonenstraße, Schafgärten oder Steinäcker. In den 70er wurde das Augustinum als markanter Bau geschaffen, seine Blüte hatte Riedenberg jedoch erst in den 80ern. Zum Vergleich: In den 50ern lebten hier gerade mal 1000 Menschen, 1990 bereits 4300, heute sind es um die 6500. Nicht wenige Reiche zog es in dieser Zeit ans Naherholungsgebiet Eichenhain. Viele schöne Häuser sind entstanden.

Heute steht die Kirche mitten in der Gemeinde

Die Teile fügten sich nach und nach zusammen. Mit einer erstaunlichen Entwicklung für die Kirche, die Liese Schäfer in der Festschrift von 2005 beschreibt: „Ganz am Anfang stand unsere Kirche am Ortsrand von Riedenberg, nach Osten offen mit Gärten und Obstbaumwiesen, nach Westen weitgehend frei bis zum Eichenhain. Im Süden lag der alte Dorfkern und im Norden die erste Erweiterung von Riedenberg und die Straße nach Sillenbuch. Heute, nach 50 Jahren, steht sie mitten in der Gemeinde.“ Friedrich Bay ist sich sicher, dass diese Entwicklung die Beziehung der Nachbarschaft zu ihrer Kirche stark geprägt hat. Auch er selbst engagierte sich stark in der Kirchengemeinde, war von 1975 bis 1990 Kirchengemeinderat, davon sechs Jahre Vorsitzender und während einer Vakturphase sogar Geschäftsführer. „Die Kirche hat für uns immer eine unglaubliche Gemeinschaft bedeutet, weil wir mit ihr gewachsen sind.“

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