Auf den Fotos sieht man die Körschtalschule und den angrenzenden Sportplatz. Früher fanden dort auch noch große Dorffeste statt. Foto: Stadtmessungsamt/Plavec

Die Gymnasiasten in Plieningen mussten sich früher den Sandweg hinauf zum Schloss Hohenheim schleppen – dort war bis 1967 die höhere Schule untergebracht. In unserer Luftbildserie „Stuttgart von oben“ berichtet der Plieninger Ortshistoriker von damals.

Plieningen - Wer vor 100 Jahren das Gymnasium besuchte, der gehörte eigentlich zur Elite. Damals ging ein Großteil der Kinder auf die Volksschule und legte kein Abitur ab – auch in Plieningen. Die wenigen Gymnasiasten aus dem Ort kämpften sich Morgen für Morgen von Plieningen über den sogenannten Sandweg den steilen Berg hinauf zum Schloss Hohenheim – dort nämlich war bis 1966 die höhere Schule untergebracht.

Erst dann wurde an der Paracelsusstraße 36 ein neues Gebäude für die Gymnasiasten errichtet. „Im Schloss Hohenheim wurde der Platz zu eng, die Universität hatte ebenfalls Platznot“, berichtet der Ortshistoriker Tilo Schad. Allerdings hieß die Schule im Schloss Hohenheim nicht immer Paracelsus-Gymnasium. Als sie im Jahr 1829 gegründet wurde, war sie zunächst eine einklassige Privatschule für die Kinder der Professoren und Beamten der damaligen Ackerbauschule. Neben einem Klassenzimmer stand im Schloss auch ein Wohnraum für den damaligen Lehrer zur Verfügung.

Die Paracelsusstraße hieß früher Adolf-Hitler-Straße

Später wurde daraus eine öffentliche Lateinschule, eine Latein- und Realschule, eine Oberschule und erst im Jahr 1948 ein sogenanntes Progymnasium. Das bedeutete: Zwar wurden dort die Schüler gelehrt, die später ein Abitur ablegten, doch für die letzten drei Schuljahre mussten die Gymnasiasten nach Degerloch oder in die Stadtmitte. Das Abitur konnte am Progymnasium nicht abgelegt werden. Nach dem Umzug 1967 an die Paracelsusstraße erhielt die Schule den Namen des Mediziners Theophrastus Bombastus von Hohenheim – auch genannt Paracelsus. Heute ist das Paracelsus-Gymnasium mit seiner langen Geschichte die fünftälteste höhere Schule in Stuttgart.

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Apropos Paracelsus: Während des Dritten Reichs hieß die Straße, die von Plieningen nach Hohenheim führt, nicht Paracelsusstraße, sondern Adolf-Hitler-Straße. Nach dem Ende des NS-Regimes wurde die Straße in Hohenheimer Straße umbenannt. „Im Jahr 1957 entschied die Stadtverwaltung, dass innerhalb des Stuttgarter Stadtgebiets jeder Straßenname nur einmal vorkommen dürfe. Daraufhin nannte man die Straße in Paracelsusstraße um“, berichtet Schad.

Auf dem Sportplatz fanden die Dorffeste statt

Bereits seit 1937 gibt es die benachbarte Schule an der Paracelsusstraße 44. Die heutige Körschtalschule – eine Gemeinschaftsschule – war früher die Volksschule. Dort erhielt ein Großteil der Plieninger Kinder ihre Bildung. Auf dem historischen Foto von 1955 ist diese sowie der Sportplatz erkennbar. „Der Sportplatz war früher auch der Festplatz von Plieningen. Dort fanden alle Veranstaltungen statt“, sagt Schad. Was sich ebenfalls verändert hat seit 1955, ist das Gelände hinter dem PGH und der Körschtalschule in Richtung Exotischer Garten. „Dort war bis 1971 ein riesiger Acker, der sogenannte Hochbruckacker“, sagt Schad. Anfang der 70er Jahre wurde der Acker zum Parkgelände umgewandelt, heute grenzen die Schulen direkt an den Exotischen Garten an. „Man musste für die Umwandlung zum Parkgelände enorm viel Erde auffüllen, denn der Acker war extrem steil“, sagt Schad. Die Reaktionen auf die Veränderung waren gemischt. „Manche fanden es schade, dass der Acker einem Park weichen muss, andere waren froh. Ich war erleichtert, weil ein Park in der Regel nicht überbaut wird – bei einem Acker wäre das wahrscheinlicher gewesen“, sagt Schad. Generell seien in Plieningen seit 1955 sehr viele Wohnhäuser errichtet worden, weil immer mehr Menschen in den südlichsten Stadtbezirk Stuttgarts mit dörflichem Flair ziehen wollten.

Eine nette Anekdote kennt Tilo Schad von der ehemaligen Wirtschaft Rössle, die sich einst an der Ecke Paracelsus- und Breitensteinstraße befunden hat. Als die Menschen noch mit Pferden unterwegs waren, hatte diese Wirtschaft am tiefsten Punkt Plieningens eine große Bedeutung. „Die Bauernfamilie hatte zwei Pferde, die sie borgten, wenn jemand den Berg hinauf Richtung Plieningen musste.“ Denn die üblichen zwei Pferde, die Reisende mit sich führten, hätten nicht ausgereicht, um die Steigung zu bewältigen. Nachdem die Reisenden oben angekommen waren, wurden die Pferde wieder ausgespannt. „Und von einem der Pferde gibt es die Legende, dass es immer auf eigene Faust wieder zurück zum Stall lief“, berichtet der Ortshistoriker schmunzelnd.

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