1955 hieß das Stadion noch Neckarstadion. Seither wurde es mehrfach umgebaut. Die folgende umfangreiche Bildergalerie zeigt die vielen Gesichter des Stadions. Foto: Stadtmessungsamt Stuttgart

Die heutige Mercedes-Benz-Arena fasste einst fast 100 000 Menschen und wurde seit den Fünfzigerjahren immer wieder umgebaut. Wir dokumentieren den Wandel des Stadions in Bad Cannstatt.

Stuttgart - Dem verstorbenen VfB-Ehrenpräsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder war die Sache immer suspekt. Das Neckarstadion, das wusste er genau, ist mit seiner Leichtathletik-Laufbahn nicht fußball-tauglich. Und MV wusste auch, es lohnt sich eigentlich nicht, immer wieder Geld für den Umbau in dieses Fass ohne Boden zu werfen. „Das Beste wäre“, sagte er daher gerne, „ein Zug der Pioniere würde das Stadion in die Luft sprengen, damit wir neu bauen können.“

Aber bekanntlich kam alles anders. Seit den Neubaukosten zwischen 1929 und 1933 in Höhe von 2,35 Millionen Reichsmark kamen im Laufe der Jahre rund 150 Millionen Euro Umbaukosten hinzu. Mit diesem Geld könnte der SC Freiburg gleich zwei neue Stadien bauen. Aber in Stuttgart laufen die Dinge eben anders. Auch zwischen 1949 und 1951, als die offene Gegentribüne errichtet wurde, die nun auf dem Luftbild zu sehen ist. Immerhin fasste das Stadion damals 97 500 Zuschauer.

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Viel Platz, aber wenig Service, den der Stadionbesucher der heutigen Mercedes-Benz-Arena gewohnt ist: rundum ein Dach über dem Kopf, Anzeigetafeln, Flutlicht und Sitzplätze. All das sahen die Architekten Paul Bonatz und Friedrich Eugen Scholer nicht vor. Und dennoch hatte Stuttgart eine der besten Arenen in Deutschland in den 1950er-Jahren. Davon ist Reinhold Laun, über 30 Jahre Stadion-Hausmeister felsenfest überzeugt: „Wir hatten damals die einzige freistehende Tribüne, da waren wir weit vorne“, erinnert sich der 87-Jährige, der bis zum Umbau für die Leichtathletik-WM (1993) insgesamt zwölf Jahre im Stadion wohnte. Heute lebt Laun immer noch in Bad Cannstatt in der Nähe des Kursaals. Also ein gutes Stück entfernt von „seinem“ Stadion.

Die Entwicklung vom Neubau bis zum heutigen Tag sieht Laun mit gemischten Gefühlen. „Freilich ist heute vieles moderner“, sagt er, „aber die Stimmung damals, wenn 100 000 Mendchen im Stadion waren, etwas anderes.“ Laun denkt etwa an das erste Nachkriegsländerspiel der deutschen Mannschaft gegen die Schweiz. Damals pilgerten 103  000 Menschen ins Stadion.

Dennoch weiß Laun: ohne die Umbauten, wie den zur Fußball-WM 1974 oder zur Leichtathletik-WM hätte es diese Höhepunkte in Stuttgart nie gegeben. „Oje“, sagt Reinhold Laun etwas verklärt, „das waren große Erlebnisse.“

Warten auf das nächste große Match

Darauf wartet der Zuschauer von heute sehnlichst. Denn nun steht an der Mercedesstraße zwar ein moderner Fußball-Tempel, aber seit dem Umbau zwischen 2008 und 2011 gab es bis heute keine denkwürdigen, internationalen Highlights mehr. Und sei es nur ein kleiner Argentinier, von dessen eigenwilligem Warmmachprogramm die Fußball-Freunde heute noch erzählen. Die Rede ist von Diego Maradona, der mit dem SSC Neapel zum UEFA-Cup-Finale 1989 im Neckarstadion aufkreuzte. Sportamtsleiter Günther Kuhnigk hat noch heute nur ein Wort dafür: „Unglaublich.“

So wie Kuhnigk oder Laun haben viele Stuttgarter im Laufe der Zeit seit der Erbauung des Stadion viel erlebt. Trotz des unglaublichen Wandels dieser Sportstätte, dem inzwischen sechsten Namen (Stuttgarter Kampfbahn, Adolf-Hitler-Kampfbahn, Century Stadium, Neckarstadion, Gottlieb-Daimler-Stadion und Mercedes-Benz-Arena), bleibt es im Sprachgebrauch der Stuttgarter das Stadion. 74 Jahre Geschichte, 1000 tolle Momente, aber ein Ort.

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