Der Wasserspeier des Heilbrunnens ist heute im Heimatmuseum Möhringen zu bestaunen. Foto: Archiv Gabi Ridder

Wo heute das Freibad in Stuttgart-Möhringen liegt, sprudelte eins ein Heilbrunnen. Dem Wasser wurde eine gesundheitsfördernde Wirkung nachgesagt.

Möhringen - Im Jahre 1480 ereignete sich in Möhringen, unweit des Steinbachs, ein schwerer Unfall: Der Sohn eines Bürgers stürzte von der Kutsche und wurde überrollt. Der Vater ließ am Ort des Unglücks einen Bildstock errichten, an dem sich – so die Legende – in der Folgezeit mehrere Wunderheilungen ereigneten. Das prädestinierte diesen Platz zum Standort einer Marienkapelle – der 1495 eingeweihten Frauenkirche. Nach der Reformation zerfiel sie in Ermangelung katholischer Glaubensbrüder und -schwestern. Die Steine wurden für den Häuserbau verwendet. Erhalten blieb hingegen jener, neben einer Linde auf dem Kirchengelände gelegene, in Stein gefasste Brunnen, dem das Umland den Flurnamen „Heilbrunnen“ verdankt. 1996 erinnerte man mit der Benennung der Heilbrunnenstraße an diesen Ort.

Das Wasser sollte gegen Fieber helfen

Wunder haben sich an dem lauschig gelegenen Quell wohl nicht ereignet. Dafür ist eine gewisse gesundheitsfördernde Wirkung des Wassers aus dem Möhringer Süden seriös belegt. So wurde 1817 eine chemische Untersuchung durchgeführt, die laut Angaben des vormaligen Unter-Amts-Arztes Dr. Elsässer ergab, dass das Nass Kohlensäure, Schwefelsäure, Salzsäure und Kalke enthalte, kaum genießbar sei und daher weniger zum Trinken, als vielmehr zum Baden geeignet. Möglicherweise hatte man das auch schon wesentlich früher erkannt. Es gibt die Vermutung, dass sich an der Quelle im Mittelalter ein kleines Badehaus befand.

In seinen „Notizen über den sogenannten Heilbronnen bei Möhringen“ klopfte Elsässer auch die medizinische Relevanz des Wassers fachmännisch ab: Es helfe Kindern „in fieberlosen rachitischen Zufällen“, insbesondere wirke es gegen dicke Bäuche und jenen Zustand, „welchen man im Allgemeinen mit dem Ausdruck ,durch die Glieder zahnen‘ zu bezeichnen“ pflege. Auch versäumt der Mediziner nicht, auf Risiken und Nebenwirkungen einzugehen. Offenbar wurde oft behauptet und sogar von einem Wundarzt bezeugt, das Wasser könne bei kleinen Kindern zu Schlaflosigkeit und leichtem Durchfall führen. Elsässer zeigte sich in diesem Punkt skeptisch. „Ich selbst beobachtete keine dergleichen nachteilige Wirkungen“, schrieb er, „und glaube daher auch, dieselbe bezweifeln zu dürfen.“ Sicherheitshalber riet er bei Kindern unter einem Jahr zum großzügigen Strecken des Heilwassers mit gewöhnlichem Brunnenwasser.

Mit der Zeit versiegte das Interesse am Brunnen

Für die Einrichtung eines Mineralbades war die Quelle nicht ergiebig genug. Ihre Heilkraft wiederum war auf Dauer wohl nicht spektakulär genug, um den Brunnen als Pilgerstätte zu etablieren, zumal der zugehörige Sakralbau ja nicht mehr existierte. So versiegte mit der Zeit das Interesse am Brunnen. Vielleicht hatte sich auch schlicht herumgesprochen, dass die Folgen der Anwendungen nicht immer ausfielen, wie gewünscht.

Während volkstümliche Überlieferung berichten, wie Menschen durch Waschung am Heilbrunnen von der Räude befreit wurden, fügte Elsässer seinen Ausführungen den Nachtrag hinzu, eine junge, nervenschwache Frau habe sich im Sommer 1818 dank 30 Bädern im Brönnle-Wasser prächtig erholt, „kurze Zeit später aber einen so starken Bad-Ausschlag bekommen, wie das Jahr vorher auf den Gebrauch der Schwefelbäder in Reutlingen“. Ganz frei von Risiken und Nebenwirkungen scheint der Gebrauch der Heilquelle also doch nicht gewesen zu sein.