Oberbürgermeister Karl Strölin (links) begrüßt Reichskanzler Adolf Hitler vor dem Stuttgarter Rathaus. Der Nationalsozialist Strölin war ein großer Verfechter der Eingemeindungen von Vaihingen und Möhringen nach Stuttgart. Foto: Archiv

Am 1. April jährt sich die Eingemeindung von Vaihingen und Möhringen nach Stuttgart zum 75. Mal.

Vaihingen/Möhringen - Die Pläne, die Gemeinden Vaihingen und Möhringen der aufstrebenden Stadt Stuttgart zuzuordnen, gab es schon lange vor 1942. Da um 1900 die heutige Landeshauptstadt zu einer der größten Industriestädte des Landes angewachsen war, wurde auch Wohnraum – vor allem günstige, verkehrstechnisch gut angebundene Wohnungen – immer knapper. Hinzu kam eine hohe Geburtenrate. Das verstärkte die Not noch.

Aus diesem Grund wurden 1901 Gaisburg, 1905 Cannstatt, Wangen und Untertürkheim, sowie 1908 Degerloch zwangseingemeindet. Karl Strölin war von 1933 bis 1945 Stuttgarter Oberbürgermeister. Er strebte noch Größeres an. Im Jahr 1936 unternahm der überzeugte Nationalsozialist den erneuten Vorstoß, auch Möhringen und Vaihingen einzugemeinden.

Möhringen hatte einen besonderen Reiz

Möhringen erschien den Verantwortlichen insofern besonders reizvoll, weil sich auf dessen Gemarkung großer und geschlossener Grundbesitz befand. Ganz im Sinne der nationalsozialistischen Vorstellungen sollte so auch der Fasanenhof als Großsiedlung für günstigen Wohnraum genutzt werden. Alten Quellen zufolge sollten so bis zu 10 000 Menschen schnell mit Baugrund beziehungsweise Wohnraum ausgestattet werden.

Als weiteres Plus für Möhringen sahen die Stadtplaner die gute verkehrstechnische Anbindung Möhringens an Stuttgart. Auch dass die sogenannte Filderbahn die Markung erschloss und somit Arbeiter von der Filderebene in den Stuttgarter Talkessel bringen konnte, wurde bewertet.

Viele Akten wurden zerstört

Im Jahr 1937 schien es kurzzeitig so, als ob man die Pläne verworfen habe. 1938 wurde das alte Amtsoberamt Stuttgart aufgelöst, was für Möhringen deutliche Nachteile mit sich brachte. Nach Kriegsausbruch verschlechterten sich die Verkehrsverbindungen und die in Krisenzeiten wichtigen Amtsgänge wurden komplizierter. Jetzt musste man nur für einen Besuch im Wirtschafts- und Ernährungsamt bis nach Böblingen fahren.

Warum letztlich doch die Entscheidung für die Eingemeindung von Möhringen nach Stuttgart gefallen ist, bleibt ungeklärt. Vermutet wird, dass Oberbürgermeister Karl Strölin dank eines Reichserlasses, wonach Eingemeindungen erlaubt werden sollten, wenn sie „kriegswichtig“ seien, mehr Handlungsspielraum gesehen hat.

Viele Quellen und Akten wurden während des Krieges aus dem Möhringer Rathaus ausgelagert. Eine Fliegerbombe traf genau das Gebäude, in dem die meisten Dokumente waren. Gesichert ist, dass die Bevölkerung Möhringens erst durch einen Erlass des sogenannten Reichsstatthalters im November 1941 von der Eingemeindung erfahren hat.

Aufs Bürgerhaus haben die Möhringer lange gewartet

Vertraglich wurde festgehalten, dass gemeindliche Planungen hinsichtlich der weiterführenden Schulen – eine Realschule und ein Gymnasium – fortgeführt werden sollten. Außerdem versprach Stuttgart den Ausbau der Sportanlagen sowie den Neubau einer Turn- und Festhalle. Auf letztere mussten die Möhringer lange warten: Erst 2008 wurde das Bürgerhaus eröffnet – 66 Jahre nach der Unterzeichnung des Eingemeindungsvertrages.

Die dürftigen Quellen geben wenig Aufschluss über die Haltung der Möhringer zum Thema Eingemeindung. Sicher war es für das Überleben in Kriegszeiten wichtiger, wo man genug Essen auftreiben und gegebenenfalls Unterschlupf finden konnte. Dennoch werden in den Jahren danach vor allem die Kriegsheimkehrer irritiert über die neuen Bedingungen gewesen sein. Mutmaßlich wäre Möhringen so oder so eingemeindet worden. Und die Verbesserungen – wie der Ausbau des Straßennetzes – waren sicher auch von Vorteil.

Selbst die Presse wusste von nichts

Auch Vaihingen und Rohr wurden am 1. April 1942 zu Teilen Stuttgarts erklärt. Die Menschen wurden über Aushänge über diesen Umstand in Kenntnis gesetzt. Nicht einmal die örtliche Presse wusste Bescheid. Gerüchte über eine Eingemeindung hatte es allerdings – ähnlich wie in Möhringen – auch in Vaihingen schon einige Jahre zuvor gegeben.

1939 wehrte die Kreisleitung Böblingen, der die Gemeinde Vaihingen damals unterstellt war, die Behauptungen noch als „baren Unsinn“ ab. Drei Jahre später wurde Vaihingen zwangseingemeindet. Auch hier pochten die Bewohner und Verantwortlichen im Rathaus auf einige Zusagen seitens der Stadt Stuttgart. So wollte man unbedingt ebenfalls eine Versammlungshalle und ein Hallenbad.

Das Kinder- und Heimatfest als Besonderheit

In Quellen von 1967 wurde stets bemängelt, dass auch 25 Jahre nach der Eingemeindung diese Versprechen nicht eingelöst worden sind. Hingegen wird positiv bewertet, dass sich Vaihingen trotz der widrigen Umstände ein Stück „Eigenleben“ bewahren konnte. Dazu gehört das Kinder- und Heimatfest als Besonderheit.

Ob es Vaihingen ohne die Eingemeindung nach Stuttgart besser ergangen wäre, ist rückblickend nicht rekonstruierbar. Als gesichert gilt jedoch, dass gerade der Bau der Hochschule am Pfaffenwaldring und der Bau der B 14 in den 1960er Jahren die Gemeinde deutlich vorangebracht haben.