Am Marienplatz wurden in einer Tüte abgetrennte Finger gefunden Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Wer wirft denn einfach so abgetrennte Finger achtlos weg? Wem gehören diese Finger überhaupt? War es ein Unfall oder steckt womöglich ein Verbrechen dahinter? Fragen, die die Polizei noch eine Weile beschäftigen werden.

Stuttgart - Müllsünder gibt es zuhauf, die Pflanzentröge als Abfalleimer missbrauchen. Dort, wo die Möhringer Straße vom Marienplatz aus nach Süden strebt, ist es viel nicht anders. Vor einem großen Mehrfamilienhaus werden deshalb die Blumenkübel immer wieder vom Unrat gesäubert. Als sich ein Helfer am Mittwochvormittag ans Werk macht, wird ein besonders makabrer Fund zu Tage gefördert: Eine durchsichtige Plastiktüte, in der zwei eklige Teile liegen.

„Offenbar die Teile zweier menschlicher Finger“, sagt Polizeisprecher Thomas Geiger. Die um 12.45 Uhr alarmierte Polizei muss eine größere Aktion starten: Der Bereich der Möhringer und Jella-Lepman-Straße wird vorsorglich gesperrt, um nach möglichen weiteren Spuren zu suchen. Beamte klingeln bei Anwohnern, um abzuklären, ob diese in letzter Zeit verdächtige Beobachtungen gemacht haben.

Sind die Fingerglieder abgetrennt oder abgerissen worden? Linke oder rechte Hand? „Das alles ist noch unklar“, sagt Polizeisprecher Geiger. Die Fundstücke sind nun erst einmal beim Landeskriminalamt gelagert und sollen am Donnerstag von Experten untersucht werden. Dabei geht es darum, womöglich noch Fingerabdrücke sicherzustellen oder wenigstens einen DNA-Code zu fertigen. Die Arbeit der Gerichtsmediziner ist dabei nicht ganz einfach. Offenbar lagen die Teile schon länger in dem Pflanzentrog: „Die Finger sind schon in eine Verwesung übergegangen“, sagt Geiger.

„Ein strafrechtlicher Hintergrund ist nicht auszuschließen“

Für die Ermittler der Kriminalpolizei gibt es erst einmal viel Routinearbeit. Etwa die Klärung der Frage, ob es in letzter Zeit entsprechende Notfälle in Krankenhäusern gegeben hat, bei denen ein Verletzter mit zwei abgetrennten Fingern behandelt werden musste. Das Marienhospital beispielsweise ist vom Fundort gerade mal 450 Meter Fußweg entfernt. Allerdings ist es recht unwahrscheinlich, dass ein Verletzter unterwegs aufgibt und seine Finger einfach in der Plastiktüte in einen Pflanzentrog steckt. Oder handelte es sich um einen illegal im Land aufhältlichen Menschen, der nach einem Unfall nichts mit Polizei oder Rettungsdienst zu tun bekommen wollte?

„Ein strafrechtlicher Hintergrund ist bisher auch nicht auszuschließen“, sagt Polizeisprecher Geiger. Der Fantasie sind da kein Grenzen gesetzt: Eine schwere Körperverletzung, eine Strafaktion in kriminellen Kreisen – oder gar die Entsorgung von Teilen eines Toten, der bisher als vermisst galt. Bisher ist noch alles denkbar. Allerdings gibt es auch hier eine Einschränkung: Warum sollte ein Täter die Fingerteile ausgerechnet in eine durchsichtige Tüte stecken – in der sie leicht entdeckt werden können? Wäre es da nicht sicherer gewesen, die Teile in einer blickdichten Plastiktüte unauffällig in einer Mülltonne zu verstecken? Manches spricht dafür, dass der Unbekannte nicht viel Zeit oder Gelegenheit hatte, die Körperteile loszuwerden. Die Pflanzentröge erschienen da offenbar als günstige Gelegenheit.

Die Polizei versucht nun, die Zeit der Entsorgung näher einzugrenzen. Das könnte die Erinnerung von Zeugen befördern, die womöglich Verdächtiges beobachtet haben, dies bisher aber noch nicht einordnen konnten. Die Kriminalpolizei nimmt Hinweise über Telefon 07 11 / 89 90 - 57 78 entgegen.