Die einen sind für die Straße, die anderen dagegen. Das war schon immer so. Dieses Bild stammt aus dem Jahr 2003 und zeigt eine Demonstration in Riedenberg. Foto: Archiv Frank Eppler

Seit Jahren wird die Idee der Filderauffahrt begraben und wiederbelebt. Im Bundesverkehrswegeplan wurde sie erneut nicht berücksichtigt. Trotzdem sehen in Stuttgart einige nun einen neuen Hebel: Grund dafür sind Feinstaub und Fahrverbote.

Filder - Die Filderauffahrt ist tot, es lebe die Filderauffahrt! Seit Jahr und Tag ringen Gegner und Befürworter um unterschiedliche Varianten einer Verbindung von der B 10 im Neckartal hinauf zur Autobahn 8. Zuletzt jedoch galt diese B 312 als politisch tot. Im Bundesverkehrsplan fehlt sie abermals. Im Stuttgarter Verkehrsentwicklungskonzept für die kommenden zwei Jahrzehnte wird die 200-Millionen-Euro-Straße wegen zu hoher Investitionskosten und der ungeklärten Finanzierung nicht vorgeschlagen.

Doch der Todesstoß dürfte von anderer, unerwarteter Seite kommen: vom Geschwister-Scholl-Gymnasium. Die Schule soll just auf jenem Grundstück neu gebaut werden, das seit Jahren für den Filderaufstieg reserviert ist. Im Bürgerhaushalt belegt das Projekt einen Spitzenplatz, und mit dem Bekenntnis „Ja, der Neubau wird vorrangig geprüft“ hat die Bürgermeisterin Isabel Fezer im Januar indirekt den Straßenbauplänen die Tür zugeschlagen – zumindest in der Variante, die sich halb oberirdisch und halb im Tunnel über Hedelfingen und Sillenbuch schlängeln würde.

Durch den Feinstaub ergibt sich eine neue Rechtslage

Nun aber erlebt die Totgesagte ihre Auferstehung, Feinstaub- und Fahrverbotediskussion sei dank. In der Regionalversammlung werden Forderungen zu Umfahrungen laut, und auch Thomas Kiwitt, der Technische Direktor beim Verband Region Stuttgart, weiß: „Wir haben durch das Thema Feinstaub eine ganz neue Gemengelage und eine neue Rechtslage.“ Der Handlungsdruck durch die EU und unpopuläre restriktive Maßnahmen heizen die Suche nach Alternativen an. Und Kiwitt hat vielversprechende Zahlen parat. 17 000 Autos pro Tag würde die Langtunnelvariante nach seinen Berechnungen vom Neckartor-Eck fernhalten.

Dementsprechend ist die Straße, die aus dem Remstal bolzengerade unterirdisch zur Autobahn führen würde, bei der Region erste Wahl. Mit etwa 400 Millionen Euro Kosten wäre sie zwar ungleich teurer als jene Variante, die über die Lederberg-Auffahrt führt und kurze Tunnel bei Heumaden, Riedenberg und Kemnat vorsieht, aber laut Kiwitt landschaftsschonender und effektiver. Doch auch die andere Variante vorschnell abzuschreiben, hält er für falsch. „Man tut gut daran, Spielraum aufzulassen und erkennbare Optionen nicht leichtfertig zu vergeben.“

Laut der Stadt haben Fahrverbote keinen Einfluss auf Filderauffahrt-Absage

Könnte die Angst vor Fahrverboten den GSG-Neubau auf den letzten Metern ausbremsen? Schien die Zustimmung der Gremien Anfang des Jahres nur mehr ein formaler Akt zu sein, scheint nun alles offen. Vor der Sitzung des Verwaltungsausschusses Anfang Mai wurde das Thema kurzfristig gestrichen, aus dem Rathaus heißt es: „Eine Bewertung zum GSG in Sillenbuch ist noch nicht möglich, da sich die Frage nach Sanierung oder Neubau noch im Entscheidungsprozess befindet.“

Und auch zur Filderauffahrt gibt es keine eindeutigen Signale. Der Ausschuss für Umwelt und Technik hat die Behandlung der Vorlage zum Regionalverkehrsplan, in dessen Entwurf das Projekt mit höchster Dringlichkeit steht, jüngst vertagt. Einige Räte hatten moniert, dass keine Position der Verwaltung erkennbar sei. Die scheint sich nicht pro Umfahrung gedreht zu haben. „Die Debatte um Fahrverbote hat keine Auswirkung auf das Thema Filderauffahrt“, lässt die Verwaltung wissen.

Laut Winfried Hermann ist die Straße tot

Beim Land jedenfalls ist und bleibt die Straße tot. „Das kann niemand behaupten, dass sie lebt“, stellt der Verkehrsminister Winfried Hermann klar. Eine Straße, die im Bundesverkehrsplan bis 2030 fehlt, „kann keine Antwort auf den Feinstaub sein“. Kiwitts Argument, dass man langfristige Lösungen brauche, wischt er weg: „Wer für heute und jetzt keine Antwort hat, spricht von fernen Zukunftsprojekten.“ Stattdessen setzt Hermann auf eine Ertüchtigung der Tangenten A 81 und A 8 und eine Stärkung des ÖPNV.

Auch anderswo wird der neu entflammte Filderauffahrt-Hype als Strohfeuer gesehen. Die Bürgerinitiative Contra 312, die sich jahrelang gegen die Auffahrt starkgemacht hat, hat sich aufgelöst, nachdem das Projekt wiederholt beim Bund durchgefallen war. Dass „bestimmte Leute sie jetzt wieder ins Gespräch bringen“, das grenze an Leichenfledderei, sagt der Kopf der Initiative, Richard Hiller-Bixel, und lacht. Für ihn das Totschlagargument: die Kosten. Christof Bolay, der Oberbürgermeister von Ostfildern, wird sie nicht übernehmen, wie er betont. Dabei sähe er die Filderauffahrt liebend gern, vor allem, um Kemnat zu entlasten. „Allerdings habe ich da eine realistische Einschätzung und teile nicht die aktuelle Euphorie.“ Keine der Varianten, die je diskutiert wurden, hätte allein wegen der Kosten eine Chance.

Es braucht große Mehrheiten

Politisch ist die Schlacht noch nicht geschlagen. „Das Thema Feinstaub führt sehr deutlich vor Augen, dass wir als Union mit der Forderung nach einer Filderauffahrt immer recht hatten“, unkt der CDU-Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann, der 2009 den Sillenbucher Bezirksbeirat gen Berlin verließ. Damals wie heute ist er ein Verfechter. „Wir brauchen eine City-Entlastung, in welcher Version, ist zweitrangig“, sagt er und pocht auf eine vom Bund mitfinanzierte Trasse. Im Zweifelsfall zöge er die einem GSG-Neubau vor.

Dem Regionalplaner Kiwitt dürfte diese Unterstützung gelegen kommen. „Jetzt muss eine politische Willensbildung her“, sagt er. Man müsse trommeln, um die aus seiner Sicht chronisch unterfinanzierte Region zu stärken, und dafür brauche es Beschlüsse mit großen Mehrheiten.